Wagenknecht will mehr Abschiebungen

08.06.2024, Lesezeit 10 Min.
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Foto: Penofoto/shutterstock.com

In einem Pressestatement spricht Wagenknecht darüber, dass es mehr Abschiebungen braucht. Wie viel rechte Rhetorik kann man sich als angeblich linke Politikerin erlauben?

Der politische Islam ist ein allgegenwärtiges Thema, das sich Rechte zunutze machen, um oftmals ihre rassistische Rhetorik zu begründen. Das Attentat in Mannheim hat den Diskurs erneut entfacht und die Rechten stürzen sich wieder kopfüber in die Islamismus-Debatte. Unter ihnen: Die vermeintlich linke Politikern, Sahra Wagenknecht. Sie beginnt ihr Pressestatement sofort mit dem Thema und bedient sich purer rassistischer Rhetorik. Der Täter habe zehn Jahre lang trotz Ablehnung seines Asylgesuchs in Deutschland leben und seine radikale Entwicklung von deutschen Geldern finanzieren können. Es brauche kontrollierte Migration an den Außengrenzen und konsequente Abschiebungen, nicht nur von radikalen Islamisten. In ihrem Pressestatement geht sie auf weitere politische Geschehnisse ein, unter anderem die Flutkatastrophen in Bayern.

Sahra Wagenknecht, die die Linkspartei vor einigen Monaten verlassen und ihre eigene Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) gegründet hat, fällt nicht zum ersten Mal mit blankem Rassismus auf. Wagenknechts Positionen zum Thema Migration waren schon innerhalb der Linkspartei eine Position, die von der Mehrheit nicht geteilt wurde. Ihrer Meinung nach sollen Asylverfahren in Drittstaaten, also Staaten außerhalb der EU, stattfinden – genau wie es die kürzlich beschlossene GEAS-Reform vorsieht, die maßgeblich von der SPD-Politikerin Nancy Faeser mitentschieden wurde. Dass sie sich hierfür auch Islamismus als Totschlagargument bedient, verwundert nicht.

Abschiebungen und Polizeiaufrüstung gegen Kriminalität?

Sowohl Wagenknechts rechte Haltung beim Thema Migration, als auch die Politik der Ampel und Teile der Linkspartei wie Bodo Ramelow, argumentieren immer wieder mit erhöhter Kriminalität und vermehrten Delikten von Menschen nicht-deutscher Herkunft. Die Polizeipräsenz soll erhöht und die Aufrüstung ihrer Institution schneller und stärker stattfinden. Während einige Linksparteiverbände darin eine ausreichende Lösung gegen Kriminalität sehen, fordern AfD und Wagenknecht auch weitergehend massive und schnellere Abschiebungen.

Die Ampelregierung setzt diese Forderungen mit neuen Gesetzen wie dem sogenannten „Rückführungsverbesserungsgesetz“ nach und nach auch wirklich um. Dabei soll der Name des Gesetzes schönreden, was in Wirklichkeit passiert: Familien werden voneinander getrennt oder zusammen abgeschoben. Polizei bricht gewaltvoll in Wohnungen ein, um Menschen in Abschiebehaft zu stecken. Langjährige Arbeitserlaubnisse werden von einem auf den anderen Tag entzogen, womit sich der Aufenthaltsstatus mit sofortiger Wirkung in „ausreisepflichtig“ verändert. Selbst Fälle von regelrechten Lügen sind bekannt, in denen Geflüchtete zu Polizeirevieren oder Konsulaten und Botschaften gebeten werden, um angeblich „ihren Pass abzuholen“ oder anderweitige Pass-Angelegenheiten „klären zu müssen“. Die Betroffenen wurden in diesen Fällen vor Ort festgenommen und in Abschiebehaft gesteckt. Und nicht zuletzt Fälle, bei denen die Polizei Menschen schwer verletzt oder sogar getötet hat, als sie sich gegen die Abschiebung wehren wollten.

Die Geflüchteten sind nicht das Problem – die Politik ist es

Doch was liegt wirklich hinter der angeblich erhöhten Kriminalität von nicht-deutschen Migrant:innen? Laut Statista betrug der Anteil der Tatverdächtigen (nicht der tatsächlich Verurteilten) ohne deutschen Pass im vergangenen Jahr 41,1 Prozent. Doch sowohl bei Statista, als auch bei diversen Nachrichtenartikeln über diese Statistik, werden als Hauptursache für mehr Kriminalität die steigende soziale Krise genannt: Menschen sind von Armut, Wohnungslosigkeit und Geldnot betroffen, kommen deshalb auf „kriminelle“ Wege ab. Wenn also selbst bürgerliche Medien den Zusammenhang  zwischen sozialer Lage und Kriminalität verstehen, dann sollte klar sein, dass diese Statistiken nichts über das Verhältnis deutscher und nicht-deutscher Kriminalität aussagen.

Doch lasst uns weitergehen und schauen, was es mit diesen Kriminalstatistiken, die immer wieder für rechte Propaganda ausgenutzt werden, auf sich hat. Für migrantische Menschen kommen neben den allgemeinen, als „kriminell“ deklarierten Taten vor allem Anzeigen und Strafdelikte in Zusammenhang mit ihrem Aufenthaltsstatus hinzu. Wenn sie ohne Arbeitsgenehmigung arbeiten, gilt das als kriminell. Wenn sie sich nicht an Auflagen wie wohnortgebundenen Aufenthalt halten (sie dürfen sich meistens nur in dem Bezirk aufhalten, in dem sie erstregistriert wurden), gilt das auch als kriminell. Abgelaufene Pässe können nicht nur mit einfachem Bußgeld wie für deutsche Bürger:innen, sondern auch mit einer Anzeige wegen unerlaubtem Aufenthalt geahndet werden.

Hinzu kommen unmenschliche Verhältnisse in vielen Geflüchtetenheimen, wie investigative Recherchen und Reportagen mehrfach gezeigt haben. Überfüllte Zimmer, teilweise mit mehr als fünf Personen auf 15 bis 20 Quadratmeter, heruntergekommene Gebäude und verschmutztes Trinkwasser sorgen für noch mehr Probleme, die zu Kriminalität führen. Aufgrund der extremen Sparpolitik der Ampel, aber auch der vorherigen, schwarz-roten Großen Koalition von CDU und SPD, verschlimmern sich die Verhältnisse zunehmend. Statt Verbesserung in der Ausstattung der Heime und Versorgung mit genügend finanziellen Mitteln und Wohnraum, wird weiter in die Bundeswehr und in Waffen investiert, die in anderen Ländern überhaupt erst dafür sorgen, dass es Geflüchtete gibt. Sie marschieren in Länder ein oder versorgen Kriegsparteien mit Waffen und Geldern, die dann Infrastrukturen und Leben zerstören – und dann wollen sie sich gleichzeitig der Verantwortung entziehen, sich um genau diese Menschen zu kümmern.

Generell hat sich für die Mehrheit der Bevölkerung ein Zustand der Dauerprekarität deutlich gemacht: Beispielsweise in der Pflege, im Schul- und Uniwesen, bei den Stadtwerken und im sozialen Bereich fehlt es immer deutlicher an den nötigen finanziellen Mitteln. Soziale Angebote werden beendet, Räume werden geschlossen – mit scheinheiligen oder gar keinen Begründungen. 

Die Ampelregierung, die diese Prekarität verwaltet und verschlimmert hat, bekommt in Umfragen das schlechteste Ergebnis in Sachen Beliebtheit. Nicht umsonst gewannen die AfD und BSW schnell an Stimmen, da sie für die sozialen Probleme klare Lösungen anzubieten scheinen. Doch beide setzen dem Unmut der Bevölkerung nur rassistische Losungen entgegen. Die AfD geht in ihrer Argumentation so weit, dass sie selbst den miserablen Wohnungsmarkt als ein Problem darstellt, das durch Migration entstanden sei. Man müsse Migrant:innen abschieben, um wieder freien Wohnraum zu schaffen, statt neue Wohnungen zu bauen.

Die Realität sieht aber so aus, dass es so viel sogenannten „Leerstand“ wie noch nie zuvor gibt. Es gibt sehr viele leere Wohnungen, Häuser, Hotels und andere Gebäude, die aktuell nicht bewohnt sind. Der Grund: Spekulationen und Privatisierung. Die Wohnungen und Häuser gehören in den meisten Fällen zu großen Immobilienkonzernen wie Vonovia oder Deutsche Wohnen, einige gehören aber auch Privatunternehmer:innen. Sowohl die Konzerne, als auch Privatunternehmer:innen „spekulieren“. Damit ist gemeint, dass sie die Wohnung noch nicht vermieten, bis sie höhere Mieten verlangen können. Eine Inflation wie die jetzige begünstigt solche Spekulationen um ein Vielfaches. Wir stehen aber im aktuellen Rechtssystem vor der Situation, dass die Konzerne und Privateigentümer:innen mit diesen Wohnungen machen können, was sie wollen. Es kann Jahre dauern, bis sie die Wohnung wirklich vermieten. Zwischenzeitlich können ihnen Menschen vorkommen, die bereit sind, von sich aus eine deutlich höhere Miete zu zahlen – eben weil es so schwer ist, überhaupt noch eine Wohnung zu bekommen.

Der politische Islam als Steilvorlage für rassistische Propaganda

Wenn wir nun zurückkommen zum Argument Wagenknechts, dass Abschiebungen solche Attentate wie in Mannheim verringern würden, müssen wir uns auch die Instrumentalisierung von radikal-religiösem Fundamentalismus anschauen. Natürlich muss eine Debatte über radikale Auslebung von Religionen geführt werden, auch im Sinne einer feministischen, antirassistischen und antikapitalistischen Perspektive. Doch was wir sehen, ist so gut wie immer nur eine Debatte, die rassistische Ressentiments schürt. Man diskutiert nicht über das Thema, um wirklich für eine Besserung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu sorgen, sondern man nutzt es aus, um von genau den oben beschriebenen Verhältnissen abzulenken. Es geht also wie bei der Kopftuch- und Abaya-Debatte nicht darum, wirklich für die „Befreiung der Frau“ zu kämpfen, sondern um Muslim:innen mit einem Kopftuchverbot und dem Diskurs dazu stärker kriminalisieren zu können.

Das Attentat in Mannheim ist klar abzulehnen. Egal, ob das Opfer ein Polizist, ein Rechter oder sonst jemand ist. Was aber nicht egal ist, ist welche Beweggründe Menschen haben, solche Attentate zu verüben. Die Methode des politischen Mordes abzulehnen, heißt nicht gleich, dass die Hintergründe und politischen Verhältnisse ignoriert werden. Der Angriff fand an einem Ort von rechtsextremer Propaganda statt, an einem Infostand der rechten Organisation Bürgerbewegung PAX Europa. Dass diese Veranstaltung überhaupt stattfinden konnte, macht den Rechtsruck überhaupt deutlich: Muslim:innen werden kriminalisiert, gerade im Zuge der Palästinabewegung gab es etliche Demonstrationsverbote und die Polizei hat mit massiver Gewalt Protestaktionen wie Unibesetzungen aufgelöst. Rechtsradikale wie Michael Stürzenberger, Björn Höcke und Alice Weidel dürfen aber mit Polizeischutz auftreten und Aktionen wie auf Sylt werden als betrunkene Kleinigkeit abgetan. Bürgerliche Medien hetzen tagtäglich gegen Migrant:innen und auch im gesellschaftlichen Alltag wird Rassismus immer salonfähiger.

Aufgrund dieser Umstände ist die Gewalt, die von Unterdrückten gegen Rechts ausgeht, anders zu werten als umgekehrt. Wir können keine pazifistische Haltung gegen allgegenwärtige Unterdrückung erwarten, auch wenn das nicht heißt, dass wir Mordanschläge – egal ob Polizist oder nicht – glorifizieren und für richtig halten müssen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Motiv ein religiös-fanatisches Motiv ist, aber diese Debatte über radikale Religionsausübung kann nicht stattfinden, wenn der Diskurs durch und durch nur von rechts und mit rassistischen Vorurteilen geführt wird.

Soziale Krisen lösen statt abschieben

Wenn Wagenknecht wirklich daran interessiert wäre, die Ursachen für Gewaltakte und Attentate zu beenden, würde sie nicht Abschiebungen bevorzugen, sondern versuchen, die sozialen Verhältnisse zu verändern. Aber eine Politikerin, die ihr Pressestatement direkt mit Abschiebefantasien beginnt, ist nicht an den sozialen Verhältnissen von Migrant:innen interessiert. Denn wer wirklich Veränderung und Verbesserung des gesellschaftlichen Zusammenlebens will, muss in erster Linie bekämpfen, was diese Krisen und Unruhen überhaupt erst auslöst: das kapitalistische System. Ein System, das Menschen gegeneinander ausspielt, indem sie sie in Herkunft, Geschlecht, Ethnie, Religion, und andere Kategorien teilt, wird niemals Gleichberechtigung schaffen. Denn ohne diese Unterdrückung und die Ausbeutung der Mehrheit der Bevölkerung kann das System nicht existieren.

Wagenknecht ist und bleibt eine Chauvinistin. Eine Person, die viel auf ihr Deutschsein legt, die das Beste in erster Linie für Deutschland will – und selbst für das will sie nicht alle sozialen Probleme lösen, eher weiterführen. In diesem Punkt unterscheidet sie sich nicht viel von der AfD, noch weniger von der Ampel. Neben ihrem Rassismus gibt es auch noch ihre Transfeindlichkeit – in einer von ihr fantasierten Traumwelt gibt es nämlich gar keine trans Personen. Auch hier führt sie einen durch und durch rechtskonservativen Diskurs.

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