Rechter Wahlsieg in Spanien – das Debakel „fortschrittlicher“ Regierungen

01.06.2023, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Alexandros Michailidis / Shutterstock.com

Bei den Kommunal- und Regionalwahlen im Spanischen Staat triumphieren rechte und ultrarechte Kräfte. Die Krise der PSOE/Podemos-Regierung verschärft sich, Neuwahlen wurden angekündigt.

Am Sonntag fanden im Spanischen Staat Kommunalwahlen statt, ebenso wie Regionalwahlen in 12 spanischen Regionen. Die Ergebnisse zeigen einen Rechtsruck und eine Zunahme der Unzufriedenheit in Form von Wahlenthaltung in Katalonien und in Großstädten wie Madrid. Die Maxime, dass die Rechte gestärkt wird, wenn der „fortschrittliche“ Regierungen eine rechte Politik umsetzen, hat sich in der Abwahl vieler Stadträte und Regionalregierungen bestätigt.

Die rechtskonservative Partido Popular (PP) war in vier der fünf großen Hauptstädte erfolgreich: In Madrid erreichte sie eine absolute Mehrheit. Sevilla und Valencia – eine ihrer historischen Hochburgen – konnten sie zurückerobern. In Saragossa konnte sie sich halten, wo sie bereits ein Bündnis mit der rechtsextremen Vox geschlossen hatte. Der PP gelang es auch, der sozialdemokratischen PSOE Städte wie Valladolid abzuringen. Sie wird in allen andalusischen Hauptstädten außer Cádiz regieren. In den meisten Fällen wird sie jedoch auf die Unterstützung der rechtsextremen Vox unerlässlich angewiesen sein. Diese hat bereits angekündigt, nach dem Vorbild der Regierung von Kastilien und León eine Beteiligung an den Kommunal- und Regionalregierungen zu fordern, wo ihre Stimmen entscheidend sind. Sie wollen bei den nächsten nationalen Parlamentswahlen mit einer starken institutionellen Präsenz antreten und den Weg für einen möglichen Eintritt in die Zentralregierung ebnen.

Die große Verliererin des Abends war die neoliberale Partei Ciudadanos, die in fast allen Stadträten und Regionalparlamenten, in denen sie antrat, nicht länger vertreten sein wird. Die einstige Partei der spanischen Börse und des wütenden Anti-Katalanismus hat heute ihr Todesurteil unterschrieben.

Die neo-reformistische Linke verlor ihren wichtigsten Posten

Nur in Barcelona konnte die PSOE einen bemerkenswerten Sieg erringen. Zwar gewannen auch hier die Rechte, aber die PSC, der katalanische Ableger der PSOE, überholte die bisherige Bürgermeisterin Ada Colau und ihre Koalition Barcelona en Comú. Barcelona war neben Cádiz der einzige „Stadtrat des Wandels“ – so nannten sich die Kommunalregierungen mit Beteiligung der neoreformistischen Podemos und ihrer Ableger selbst – , der die erste Legislaturperiode 2019 überstand. Cádiz hingegen, wo Kichi González von Anticapitalistas und Adelante Andalucía das Bürgermeisteramt innehatte, ging an die PP über, nachdem Kichis Partei die Hälfte ihrer Stadträte verloren hatte.

Podemos selbst wurde bei diesen Wahlen an den Rand der Bedeutungslosigkeit gedrängt, da sie in Gemeinden wie Madrid und der autonomen Gemeinschaft Valencia sowie in Dutzenden von Stadträten, darunter auch dem der Hauptstadt, nicht mehr vertreten ist. Dies ist das Ergebnis ihrer Unterordnung unter die PSOE und des künstlichen und inhaltslosen Kampfes, den sie mit ihrer Abspaltung Sumar von Yolanda Díaz geführt hat.

Auf regionaler Ebene stellte die PP nur in zwei der 12 Regionen, in denen gewählt wurde, die Regierung inne. Nach den Wahlen zeigt sich ein anderes Bild: In Murcia und Madrid wurde sie wiedergewählt, in Madrid sogar mit absoluter Mehrheit, während sie die autonome Gemeinschaft Valencia, Araòn, die Balearen, Kantabrien Extremadura und La Rioja der PSOE und den verschiedenen Koalitionen der neoreformistischen Linken, die sie unterstützten, entriss. In all diesen Regionen wird es auf eine Koalition mit Vox ankommen, wie auch in Kastilien und León. Dies würde bedeuten, dass die Rechte in 8 der 15 Regionen und dazu noch die kolonialen Enklaven Ceuta und Melilla regieren würden.

PSOE/Podemos-Regierung in der Krise – Neuwahlen als Flucht nach vorne

Nach der deutlichen Niederlage von PSOE und Unidas Podemos bei den Wahlen am 28. Mai, hat Ministerpräsident Pedro Sánchez am Montag angekündigt, die für Ende des Jahres geplanten Parlamentswahlen auf den 23. Juli vorzuziehen.

Hinter diesem Kalkül dürften mehrere Faktoren stehen. Zum einen will Sánchez dem Gerede über das PSOE-Debakel und den Vormarsch der Rechten nicht zu viel Raum geben. Stattdessen möchte er die „progressive“ Reaktion auf diesen Vormarsch und die Zusammenarbeit zwischen PP und VOX, die wir in verschiedenen Städten und Gemeinden erleben werden, ausnutzen. In diesem Sinne lautet die Überschrift des in El País veröffentlichten Artikels: „Der Präsident zwingt das progressive Lager zur Entscheidung, ob sie sich mobilisieren sollen, um eine PP-Vox-Regierung zu verhindern“. Es ist zu erwarten, dass einige wieder von Demokratie gegen Faschismus sprechen werden, um die antisoziale Politik von PSOE/Podemos als geringeres Übel zu rechtfertigen..

Gleichzeitig zielt das Manöver von Sánchez darauf ab, die Gelegenheit zu nutzen, sich seiner Regierungspartner zu entledigen und Sumar nach dem allgemeinen Niedergang von Podemos auf allen Ebenen zu neutralisieren. Der Neoreformismus in seinen verschiedenen Arten sieht nach den Ergebnissen der autonomen Regionalwahlen sehr schlecht aus. Hinzu kommt die Zwangslage, in die Sánchez die neoreformistischen Formationen bringen kann, die nun in zwei Wochen ihre Listen einreichen müssen.

Der Plan ist natürlich nicht ohne Risiko für die PSOE selbst, die das schlechte Ergebnis vom Wochenende in die nächsten Wahlen mitnehmen könnte. Er ist das Ergebnis einer Krise, die das politische Schachbrett durcheinander gewirbelt, Ciudadanos von der Landkarte gefegt, Podemos in eine unbedeutende Position gedrängt und die PSOE näher an die kritische Situation gebracht hat, in der sie sich befand, bevor Podemos sie rettete. Insgesamt kann man von einer Rückkehr zur Situation von vor einigen Jahren sprechen.

Gegen die echte Rechte kann man nicht mit einer falschen Linken gewinnen

Was ist also aus „der Linken“ geworden? Die kurze Antwort lautet: Es gibt keine. Obwohl viele den Kahlschlag des öffentlichen Sektors durch die PP, ihre Korruption und ihr Bündnis mit der extrem chauvinistischen, rassistischen und neoliberalen Rechten von Vox ablehnen, gibt es keine Alternative, die dieses Unbehagen, diese Wut aufgreifen könnte.

Warum? Wegen der Rolle der Medien, wegen der Spaltung der Linken, oder weil die Arbeiter:innen Idiot:innen sind? Um drei der Mantras der „progressiven“ Wortführer:innen zu zitieren. Nun, nein. Der Vormarsch der Rechten und vor allem der Zusammenbruch der vermeintlichen Alternativen hat mit etwas ganz Einfachem zu tun: Es ist schwierig, ihrer progressiven Rhetorik zu glauben, wenn sie die ganze Legislaturperiode über rechte Politik aus der Regierung heraus gemacht haben, oder wenn man bereits ihre Verwaltung in den „Stadträten des Wandels“ gesehen hat, die nichts wirklich verändert.

Wenn die Wahlen vom 28. Mai eines gezeigt haben, dann dass diejenigen, die sich als Bollwerk gegen die Rechte präsentieren wollten, diesen am Ende stattdessen einen roten Teppich hervor legten. Wenn die „progressiven“ Regierungen die großen Linien des Konsenses der „extremen Mitte“ in der Wirtschafts-, Sozial-, Wohnungsbau-, öffentlichen Dienstleistungs- und Sicherheitspolitik umsetzen, wird nicht der „Progressivismus“ gestärkt, sondern die Rechte und die extreme Rechte dringen ungehindert auf das für sie bequemste Terrain vor.

Dem beunruhigenden Vormarsch der Rechten und der extremen Rechten, die in den kommenden Wochen an zahlreichen Regierungen beteiligt sein werden, können wir nicht Hand in Hand mit einer falschen Linken entgegentreten, die weder die großen sozialen Probleme löst, noch die von rechts auferlegte Agenda bekämpft.

Wie unsere Genoss:innen der Strömung Revolutionärer Arbeiter:innen (CRT) anlässlich der Wahlen am 28. Mai gesagt haben, darf man nicht in diese Falle tappen. Stattdessen ist es notwendig, eine revolutionäre Linke aufzubauen, die den Klassenkampf in den Mittelpunkt stellt, die bereit ist, den Rahmen des Möglichen, der uns aufgezwungen wird, in Frage zu stellen, die für Rechte und grundlegende Maßnahmen kämpft, die das Leben der Arbeiter:innenklasse, der Frauen, der Migrant:innen und der Jugend verbessern.

Zusammenstellung basierend auf verschiedenen Artikeln unserer spanischen Schwesterzeitung IzquierdaDiario.es.

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