„Recht auf politischen Streik durchsetzen“
Charlotte Ruga und Lisa Sternberg haben mit der jungen Welt über den achten März, die Rolle der Gewerkschaften und den politischen Streik gesprochen. Wir spiegeln das Interview.
Charlotte Ruga, 23, ist Hebamme (links). Lisa Sternberg, 28, ist Gesundheits- und Krankenpflegerin. Beide sind bei der internationalen sozialistischen Frauenorganisation »Brot und Rosen« in München aktiv und Verdi-Mitglieder
Frauen in Polen und Argentinien riefen 2016 zum internationalen Frauenstreik am 8. März auf, dieses Jahr schließen sich auch Frauen in Deutschland an. Auch Sie beteiligen sich im Namen des Münchner Frauenstreikkomitees. Wie kam es dazu?
Charlotte Ruga (CR): Wir haben uns gemeinsam mit Frauen verschiedener feministischer Gruppen sowie mit einzelnen Aktivistinnen im Herbst 2018 gegründet. Wir sind Teil eines bereits bestehenden Bündnisses, das jährlich den 8. März in München gestaltet. Dort sind auch Gewerkschafterinnen aktiv. Unser Frauenstreikkomitee trifft sich wöchentlich in München. Wir arbeiten in sehr engem Dialog zusammen, alle Aktionen und Ideen werden abgesprochen. Wir sind ein vergleichsweise kleines, aber sehr aktives Komitee. Unser Ziel ist es, dieses Jahr den Streik zu verbreiten und gezielte Aktionen umzusetzen. Dabei wollen wir beide den Frauenstreik auch bei uns im Krankenhaus verankern. Denn nur an konkreten Orten können wir den nötigen Druck erzeugen, damit auch von den Gewerkschaften zum Streik aufgerufen wird.
Welche bundesweiten Streikaktionen sind für den 8. März 2019 geplant, und wie setzen Sie diese in München um?
Lisa Sternberg (LS): Bundesweit findet um fünf vor zwölf Uhr ein Sitzstreik vor verschiedenen Betrieben und auf öffentlichen Plätzen statt. Wir werden das vor einem städtischen Klinikum machen. Die Aktionen unseres Komitees konzentrieren sich derzeit vor allem auf die Betriebe, in denen Frauen zu prekären Bedingungen arbeiten. So wird es auch eine Veranstaltung in einer Münchner Kita gemeinsam mit den Kolleginnen, Kollegen und Eltern sowie Infostände zum Thema gewerkschaftliche Organisierung geben.
Betriebliche Streiks finden dieses Jahr noch nicht bei uns in München statt. Dazu ist die Bewegung zu klein. Außerdem weigert sich die Gewerkschaftsführung bislang, den Frauenstreik mehr als nur symbolisch zu unterstützen. Das finden wir falsch und fordern dazu auf, alle bestehenden Möglichkeiten auszunutzen. Zum Beispiel gibt es in den Krankenhäusern seit Jahren Arbeitskämpfe und Kampagnen – es wäre leicht, Streiks und Aktionen am 8. März in den Krankenhäusern zu organisieren.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften generell aus?
CR: Wie bisher überall in Deutschland ist die noch nicht sehr eng. Aber es gibt durchaus Dialoge mit einzelnen Aktiven an der Basis. Auf der Streikkonferenz in Braunschweig im Februar gab es ein Frauenstreiktreffen, an dem sehr viele Gewerkschaftssekretärinnen und -sekretäre teilgenommen haben. Auch unsere Aktionen werden von hauptamtlichen Gewerkschaftsmitgliedern unterstützt. Aber von der Führung werden die Bedingungen für einen gewerkschaftlichen Frauenstreik nicht geschaffen. Sie sagen, sie dürften nicht zum politischen Streik aufrufen. Aus unserer Sicht geht es darum, dieses Recht endlich durchzusetzen und bis dahin alle möglichen Zwischenschritte zu nutzen. Dafür müssen wir von der Basis aus Gewerkschaftsversammlungen zu dem Thema fordern und für bessere Arbeitsbedingungen von Frauen kämpfen.
In welchen Bereichen ist es für Sie besonders schwer, für den Frauenstreik zu mobilisieren?
LS: Leicht ist es nirgendwo, wie für beinahe alle Streiks in Deutschland. Besonders schwer ist es jedoch an der Universität. Und auch unter Asylsuchenden, deren Situation am prekärsten ist. Ihre Unterdrückung ist so schwerwiegend, dass sie oft keine Möglichkeiten haben, sich zu organisieren – da sie Angst um ihr Bleiberecht haben müssen. Schwer ist es zudem in der Pflege. Die gewerkschaftliche Organisierung dort ist minimal, der Kampfgeist muss erst geweckt werden. Zudem spielt das Moralische eine große Rolle. Man hat in diesem Beruf eine sehr große Nähe zu Menschen. Für viele Kolleginnen fühlt es sich so an, als würden sie ihre Patientinnen und Patienten alleine lassen, wenn sie streiken.
Was wird nach dem Frauenstreik am 8. März 2019 passieren?
CR: Wir werden weiter kämpfen. Wir bereiten uns auf betriebliche Streiks vor, bei denen wir Einfluss nehmen wollen, und treiben unsere Vernetzung voran – bis wir so viele sind, dass wir nicht mehr unbeachtet bleiben können.
Dieses Interview erschien in der Ausgabe der jungen Welt vom sechsten März.