Raus aus der Szene, rein in die Klasse?
Zum kommenden Wochenende mobilisieren Teile der kommunistischen Bewegung zur LLL-Demo, ohne ein Wort zum AfD-Parteitag zu verlieren. Was bedeutet es, Rosa und Karl wirklich zu gedenken?
Unter dem Motto „Krieg dem Krieg – Kommunist*innen vereinigt euch!“ laden der Bund der Kommunist:innen, Rote Jugend Deutschland, Perspektive Kommunismus, Rotes Kollektiv Kiel und Revolutionäre Perspektive Berlin zur diesjährigen Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demo in Berlin ein. Im Aufruf wird der Rechtsruck, die steigende Militarisierung und die Notwendigkeit von kommunistischen Perspektiven auf die Krisen betont. Es heißt: „Wir Kommunist*innen müssen zusammen Teil der verschiedenen politischen, sozialen und betrieblichen Kämpfe sein, die sich gegen die Auswüchse dieses Systems zur Wehr setzen.“ Das ist richtig. Noch richtiger wäre es, dies auch zu tun. Leider wäre einen Tag vor der LLL-Demo genau die richtige Möglichkeit dazu – der Protest gegen den AfD-Parteitag – ohne, dass im Aufruf eine Verbindung dazu gezogen oder aufgerufen wird, gegen diesen zu protestieren. Auch die Kommunistische Partei (ehemals Kommunistische Organisation) mobilisiert zur LLL-Demo und am Tag davor zu einem Friedhofsrundgang und einer Podiumsdiskussion statt zum AfD-Parteitag.
Der AfD-Parteitag dieses Wochenende im sächsischen Riesa ist nicht irgendein beliebiges Event der rechten Szene, sondern der AfD-Parteitag vor den kommenden Bundestagswahlen. Es werden zehntausende Gewerkschafter:innen, Studierende, Schüler:innen und weitere nach Riesa fahren, um gegen den Parteitag zu demonstrieren und sich teilweise auch mit ihren Körpern dem Staat und der AfD entgegenzustellen. Ein fortschrittliches Element ist dabei, dass es auch gewerkschaftlich organisierte Anreisen gibt. Diese Elemente sollten wir als Kommunist:innen betonen und verstärken, denn dass der Protest vor allem eine zivilgesellschaftliche Ausrichtung und keine klassenbewusste hat, ist natürlich ein Problem – aber der Kampf darum auch unsere Aufgabe.
Kommunist:innen sollten aus zwei Gründen bundesweit nach Riesa fahren: Erstens, weil die AfD der rechteste Ausdruck des etablierten Parteiensystems ist und ihr Parteitag ein zentraler Moment ist, um eine gesellschaftliche Bewegung gegen Rechts aufzubauen und Erfahrungen im Kampf für kommenden Selbstschutz und Widerstand gemeinsam mit anderen Teilen der Klasse zu sammeln. Überall, wo Rechte versuchen, aufzutreten und sich zu versammeln, ist es unsere Verpflichtung, dies zu verhindern – ideologisch, aber auch mit unseren Körpern. Gleichzeitig können solche Blockaden eine moralische Schwächung für die Rechte darstellen und zu ihrer gesellschaftlichen Delegitimierung beitragen.
Zweitens, weil es die historische Aufgabe der Kommunist:innen ist, gegen die Vereinnahmung durch bürgerliche Kräfte zu kämpfen und mit den Massen in Berührung zu kommen, um echte, also revolutionäre, Antworten auf die Krisen der Gegenwart zu geben.
Kommunistische Einheit oder Einheitsfront der Klasse?
Es kann als eine Form der Ironie verstanden werden, dass im Aufruf von BdK & Co. steht, „die revolutionäre Bewegung hierzulande ist noch klein und zersplittert“. Das stimmt zwar, aber kann die Konsequenz daraus die Weigerung sein, zu zentralen politischen Ereignissen im Kampf gegen den Rechtsruck zu mobilisieren? Gleichzeitig wird im Aufruf betont, dass wir als Kommunist:innen eine dauerhafte Einheit und den Aufbau von Vertrauen auch über Organisationsgrenzen hinweg brauchen. Doch wieso sollten wir das so getrennt vom AfD-Parteitag denken? Es zeugt von einem falschen, schematischen Verständnis, zuerst eine wie auch immer aussehende Einheit innerhalb der kommunistischen Bewegung aufbauen zu müssen (was bedeutet das überhaupt?) und dann erst politische Praxis innerhalb der Massen machen zu können. Stattdessen sollte doch gerade beides miteinander verwoben stattfinden und der Aufbau von Vertrauen durch den Einsatz für eine klassenkämpferische Perspektive in der Praxis stattfinden.
Zudem muss betont werden, dass es nicht die „Einheit der Kommunist:innen“ ist, die das notwendige Mittel gegen den Rechtsruck oder das derzeitig größte Problem darstellt, das wir angehen müssten – sondern die Einheitsfront, also die Einheit aller Organisationen der Arbeiter:innenklasse, und das Arbeiten von Kommunist:innen in dieser für eine sozialistische Führung. Denn natürlich kann der Rechtsruck nicht alleine mit einer Blockade gestoppt werden. Es braucht massenhafte Mobilisierung auf den Straßen, Streiks und antifaschistische Organisierung in den Betrieben, Schulen und Unis. Es muss eine Bewegung aufgebaut werden, die den Rechtsruck und Rassismus mit dem Kampf gegen die Aufrüstungs- und Kürzungspolitik verknüpft. Innerhalb dieser Bewegung müssen Kommunist:innen, indem sie um die Führung kämpfen, klarmachen, dass die Wurzeln des Rechtsrucks im Kapitalismus selbst liegen, und somit mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft einen Ausweg aus der Misere bieten. Doch nur die Arbeiter:innenklasse selbst kann die Erkämpfung des Sozialismus letztendlich wirklich durchführen. Nicht die rote Szene ist das revolutionäre Subjekt, sondern die Klasse!
Was heißt es Rosa und Karl zu gedenken?
In den letzten Jahren ist die LLL-Demo zwar ehrlicherweise immer mehr zu einem von den Massen isolierten Szene-Folklore-Event verkommen. Doch ein reines LLL-Bashing würde der Sache nicht gerecht werden. Auch wir sehen die Bedeutsamkeit von traditionellen Events der kommunistischen Bewegung an – insbesondere im Gedenken an revolutionäre Kämpfer:innen, die von der Sozialdemokratie ermordet wurden. Für neu politisierte Genoss:innen können solche Events prägenden Einfluss hinterlassen und Diskussionen innerhalb der Bewegung fördern. Doch gleichzeitig müssen wir als Kommunist:innen in der Lage sein, flexibel auf Veränderungen der politischen Situation reagieren zu können und Priorisierungen im politischen Kampf vorzunehmen. Selbstverständlich wäre es auch eine Option, am Samstag nach Riesa und am Sonntag nach Berlin zu fahren. Der Protest gegen den AfD-Parteitag sollte aber angesichts der derzeitigen politischen Lage die eindeutige Priorität haben! Es liegt an uns, zu verhindern, dass es der kriegsverbrecherischen CDU und irgendwelchen heuchlerischen CEOs diesen Samstag bei der Demonstration gelingen kann, den Massen einzureden, wir müssten die bürgerliche Demokratie gegen Rechts verteidigen und bräuchten Migrant:innen als verwertbare Arbeitskräfte. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu gedenken, heißt genau diese Lehre aus ihren Morden zu ziehen und nach Riesa zu fahren.
Eine weitere Möglichkeit, mit den Massen in Dialog zu treten, ist, selbst zu den kommenden Bundestagswahlen anzutreten, wie wir es dieses Jahr mit Inés Heider und Leonie Lieb (KGK/RIO) zusammen mit Franziska Thomas (RSO) in verschiedenen Bezirken in Berlin und München als Direktkandidatinnen tun. Wahlkampf ist eine Zeit, in der übermäßig viel politische Auseinandersetzung in der Gesellschaft stattfindet, selbst unter Leuten, die sich ansonsten nicht viel mit Politik beschäftigen. Darum ist der Wahlkampf eine geeignete Möglichkeit für Kommunist:innen, den Klassencharakter des Staates zu entlarven und ein revolutionäres Programm an die Massen zu übermitteln. Wir kandidieren also nicht für den Bundestag, weil wir denken, dass wir von dort aus gesellschaftliche Veränderungen erzielen werden, sondern um den Wahlkampf und das Parlament als Bühne für den Klassenkampf zu nutzen. Historisch haben das Kommunist:innen immer schon getan. Durch den Zusammenschluss verschiedener kommunistischer Gruppen kann übrigens auch eine gewisse Einheit erreicht werden, die der „Zerstückelung“ der radikalen Kräfte entgegenwirken kann. Wir laden alle Gruppen ein, unseren Wahlantritt zu unterstützen und sich an der Diskussion um eine kommunistische Wahlfront bei kommenden Wahlen zu beteiligen.
Kämpfen in den Massen oder außerhalb? Die Frage zur Mobilisierung für den Parteitag ist Ausdruck einer größeren politischen Differenz darüber, wie wir es schaffen, von einer „kleinen, zersplitterten“ Kraft zu einer gesellschaftlichen Relevanz zu werden. Doch die Klarheit von Differenzen hilft uns mehr als das Heraufbeschwören von Einheit. Raus aus der Szene, rein in die Klasse? Das nächste Wochenende wird zeigen, wie sich Kommunist:innen entscheiden.