„Raus auf die Straße – Ich muss etwas tun!“

17.02.2016, Lesezeit 5 Min.
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Am 2. Februar fand in Bonn ein Schul- und Unistreik statt, der über 400 Jugendliche mobilisieren konnte. Wir befragten die Bonner Jugendbewegung (BJB) über Ergebnisse und Perspektiven des Streikes.

Wie konnte der Streik auf die Beine gestellt werden?

Einen Schul- und Unistreik zu veranstalten ist viel Arbeit, das war uns von Anfang an bewusst. Die BJB-internen Diskussionen waren Anfang/Mitte Dezember, wir entschieden uns für den 02.02.. Da begann gerade das zweite Halbjahr in NRW und es standen wenige Klausuren an. Zudem war es kurz vor Karneval, da man über Karneval nicht viel mobilisieren kann und wir uns nach Karneval, also jetzt, mit den Vorbereitungen für unsere Antisexismusdemo zum internationalen Frauentag am 8. März beschäftigen.

Danach mussten wir uns über Bündnispartner Gedanken machen, wen laden wir ein, wer von uns macht das und wie. Im Dezember fand das erste Bündnistreffen statt, dabei waren die YXK Köln, die Revolutionäre Aktion Bonn, die Verdi Jugend, die Verdi Hochschulgruppe und die AKAB.

Wer hat an diesem Streik teilgenommen? Was waren die stärksten Sektoren?

Da es ein Schul- und Unistreik war, mobilisierten wir überwiegend an Schulen und der Uni. Somit bildeten Schüler*innen und Studierende die stärksten Sektion innerhalb des Streiks. Wir selbst sind auch Schüler*innen und Studierende, haben viel in unsersem Freundeskreis mobilisiert. Zudem spricht unser Mobivideo überwiegend Jugendliche an. Dieses hat durch Youtube und Facebook über 50.000 Menschen erreicht. Als eine kreative Aktion im Vorfeld des Streiks wurden auf der Wiese vor der Uni symbolische Gräber für die Verstorbenen im Mittelmeer errichtet, sodass innerhalb der Studierenden das Thema nicht nur durch Flyer und Plakate aufkam und diese darauf aufmerksam wurden.

Die meisten TeilnehmerInnen waren selbst nicht politisch organisiert. Wir gaben ihnen am 2.2. Flyer, welche sie zu kommenden Aktionen und unseren Plena einladen.

Als wir dann Mitte Januar erfuhren, dass mehrere Flüchtlinge in Troisdorf in den Hungerstreik getreten sind, fuhren wir dorthin, redeten mit ihnen darüber und schrieben dazu einen Bericht. Wir besuchten sie mehrfach, haben sie zum Streik eingeladen, wo sie schließlich auch eine Rede gehalten haben. Dutzende andere Flüchtlinge hingegen haben unseren Streik während der Auftaktkundgebung verlassen, da sie durch den rassistischen Polizeiangriff auf unsere Leute sehr eingeschüchtert wurden.

Was ist das Selbstverständnis des Bündnisses?

Es gab nur wenige Bündnistreffen und da wir wenig Zeit bis zum Streik hatten, haben wir gar kein Selbstverständnis verfasst. Wir haben nur Gruppen eingeladen, die wir kennen und mit denen wir bereits in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet haben. Der gemeinsame Flyer mit den Forderungen ist unser gemeinsames Statement, welches man hier nachlesen kann. Die meisten Planungen wurden bei unseren Plena vorgenommen, welche immer offen waren und sind.

Was sind die Perspektiven für die Zukunft?

Wir wollten mit unserem Streik auf die Thematik aufmerksam machen, unsere Standpunkte verbreiten und die Menschen zum Nachdenken anregen. Somit hoffen wir, die Jugend ein wenig mehr zu politisieren und für unsere Standpunkte zu gewinnen. Durch den Protest im Ausländeramt der Stadt Bonn haben nun auch die Flüchtlinge aus Troisdorf eine Perspektive. Für Ende März wurde ihnen ein Termin zugesichert, um ihren Asylantrag zu stellen, worauf sie sieben Monate warteten. Falls die Behörden ihre Versprechen nicht wahrnehmen sollten, werden wir auf jeden Fall wieder kommen und unseren Protest an Ort und Stelle fortsetzen. Derzeit sind wir mit den Vorbereitungen für unsere Demo am 8. März beschäftigt, wobei wir natürlich auch den Streik ausgewertet haben. Somit wissen wir, was wir in Zukunft besser machen können. Auf unserer Website ist ein ausführlicher Bericht zu unserem Streik zu finden.

Wie kann der Kampf gegen den deutschen Staat vorangetrieben werden?

Da das Bündnis kein Selbstverständnis hat und die Gruppen innerhalb des Bündnisses unterschiedliche Ansichten haben, können wir hier nur im Namen der BJB antworten. Wir haben mit unserem Streik allgemeine Forderungen nach dauerhaftem Bleiberecht und offenen Grenzen mit den lokalen Problemen in Troisdorf verknüpft. Die Route führte sowohl am Ausländeramt als auch an der Vertretung der EU Kommission vorbei, wo wir an sie appellierten.

Wir machten den Menschen klar, dass die EU für das Massensterben im Mittelmeer verantwortlich ist und dass der deutsche Staat unmenschlich handelte, als er letztes Jahr über 20.000 Menschen abgeschoben hat. Wir wollen hier gar nicht viel Theoretisches ablassen, nur einen Gedanken: Linke Ideen sind aktueller denn je, und sind außerdem verdammt sexy! Leider hat die linke Bewegung in Deutschland das scheinbar am wenigsten verstanden – im Gegenteil, man versucht weiterhin vor allem, sich abzugrenzen. Lasst uns dieses Sektenverhalten beenden. Die Aufgabe ist klar und einfach: Raus auf die Straße, linke Ideen so breit wie möglich streuen! Sich nicht einschüchtern lassen, sondern mutig und entschlossen unsere Gedanken in die Öffentlichkeit bringen. Und dabei ist jede und jeder gefragt – zum Abschluss dazu ein Zitat von Hans Scholl: „Nicht ‚es muss etwas passieren‘, sondern ‚ich muss etwas tun‘!“

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