Rassistischer Angriff auf kurdische Beerdigung

15.09.2017, Lesezeit 4 Min.
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Dutzende Faschisten haben in Ankara die Beerdigung der Mutter von Aysel Tugluk, der stellvertretenden Vorsitzenden der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, angegriffen. Die Angreifer warfen Steine und riefen rassistische Parolen gegen Armenier*innen und Alevit*innen. Daraufhin wurde die Leiche in die kurdisch-alevitische Stadt Dersim überführt.

Auch die Toten werden vor dem Feind, wenn er siegt, nicht sicher sein. Und dieser Feind hat zu siegen nicht aufgehört.

Eine bessere Einleitung als diese Worte von Walter Benjamin halte ich für unvorstellbar. Rassistische Angriffe gehören zum festen Bestandteil des Alltags in der Türkei. Jeder einzelne Tag vergeht mit der Aktualisierung der Erkenntnis, welche neuen Formen die rassistische Barbarei für die Unterdrückten annehmen kann. Sie werden entlassen, verhaftet, gefoltert, vertrieben und ermordet. Doch das letzte Glied in der Kette, d.h. der Gipfel der Brutalität, ist nicht der Mord. Selbst die Leichen der Unterdrückten bleiben von faschistischen Attacken nicht verschont. Sie sind also nicht sicher, sie werden auch im Grab weiterverfolgt, denn der Feind siegt weiterhin.

Eine weitere Geschichte aus dem Alltag der Unterdrückten ist die rassistische Attacke auf die Beerdigung der Mutter von Aysel Tugluk, der inhaftierten kurdischen Politikerin. Sie sitzt seit Dezember 2016 in Ankara im Gefängnis. Auf die Meldung hin, ihre Mutter sei verstorben, bekam sie die Sondererlaubnis, bei der Beerdigung in Ankara anwesend zu sein. Doch dutzende türkische Faschisten haben die Beerdigung mit Parolen und Attacken verhindert. „Das ist hier ein sunnitischer Friedhof. Aleviten dürfen hier nicht beerdigt werden!“, sagten die Faschisten, und vieles weiteres wie: „Das ist hier eine türkische Erde, keine armenische. Wir wollen die Armenier hier nicht haben.“

Nach Aussagen des HDP-Abgeordneten Dirayet Tasdemir habe die Familie daraufhin entschieden, die Beerdigung nicht in Ankara, sondern in der kurdisch-alevitischen Stadt Dersim abzuhalten. Denn die Familie fürchtet, dass die Leiche zur Zielscheibe weiterer Angriffe werden könnte. Die HDP nannte den Vorfall einen „rassistischen Angriff“ und erklärte die Regierungspartei AKP dafür verantwortlich.

Tatsächlich ist die AKP für diesen Mob verantwortlich. Denn der Kurs von Erdogan basiert auf dem inneren Krieg, dem Ausnahmezustand, der Verhaftung der Oppositionellen und der militärischen Belagerung und Zerstörung der nordkurdischen Städte. Seine Basis fühlt sich sehr frei, die Oppositionellen nach Methoden der „Selbstjustiz“ zu verfolgen.

Doch besonders dreist ist die Konfrontation mit der Wahrheit, dass die Faschisten in der Vergangenheit durch Massaker und Genozid die Armenier*innen, Griech*innen und Kurd*innen aus ihren eigenen Häusern und von der eigenen Erde vertrieben haben. „Die türkische Erde“ ist nichts anderes als Besatzung der armenischen, griechischen und kurdischen Erde.

Es sollte uns nicht wundern, dass ein solch barbarischer Angriff heute passiert. Wir müssen die Tradition der Unterdrückten verstehen, wie Walter Benjamin es erklärt:

Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der „Ausnahmezustand“, in dem wir leben, die Regel ist. Wir müssen zu einem Begriff der Geschichte kommen, der dem entspricht. Dann wird uns als unsere Aufgabe die Herbeiführung des wirklichen Ausnahmezustands vor Augen stehen; und dadurch wird unsere Position im Kampf gegen den Faschismus sich verbessern. Dessen Chance besteht nicht zuletzt darin, daß die Gegner ihm im Namen des Fortschritts als einer historischen Norm begegnen. – Das Staunen darüber, daß die Dinge, die wir erleben, im zwanzigsten Jahrhundert „noch“ möglich sind, ist kein philosophisches. Es steht nicht am Anfang einer Erkenntnis, es sei denn der, daß die Vorstellung von Geschichte, aus der es stammt, nicht zu halten ist.

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