Rassistische Veranstaltung an der Uni Köln: „Für die nächsten Wahlen stehen wir weder für einen AStA noch für eine gemeinsame Senatsliste zur Verfügung“

02.11.2023, Lesezeit 6 Min.
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Bild: Wirestock Creators // shutterstock

Interview mit Christian vom SDS Köln, an dessen Universität eine Veranstaltung stattgefunden hat, in der die Herabwürdigung von Palästinasolidarität zentraler Inhalt war.

Du hast am 24.10. eine Veranstaltung der “Aktionswochen gegen Antisemitismus” besucht. Worum ging es in der Veranstaltung?

Nicholas Potter, Referent der Amadeu-Antonio-Stiftung hat einen Vortrag zu “Antisemitismus in der Klimabewegung” gehalten, das lief unter dem reißerischen Titel: “Von der Kohlegrube zur Klima-Intifada?”

Wir waren besorgt, dass sich Potter wie in seinem neuesten Buch progressive Bewegungen und Gruppen rauspickt und sie für ihre palästinasolidarischen Positionen diskreditiert. Diese Bedenken trugen wir in den AStA. Die stärkste Gruppe sind dort die Jusos; diese haben gedroht, die rot-rot-grüne Koalition platzen zu lassen, wenn die Veranstaltung nicht wie geplant stattfindet. Auch eine ergänzende Veranstaltung zur Diskurserweiterung wurde abgelehnt.

Wie befürchtet hat Potter in der Veranstaltung holocaustverharmlosende Aussagen des Gründers von Extinction Rebellion (radikale Klimagerechtigkeitsgruppe) mit palaästinasolidarischen/antikolonialen Aussagen von FFF-Aktivist*innen in einen Topf geworfen. Palästinasolidarischen Aktivist*innen wird dadurch ohne Möglichkeit der Gegendarstellung pauschal Antismeitismus vorgeworfen.

In der Veranstaltung wurden vom Referenten palästinasolidarische Positionen als antisemitisch geframed. Was denkst du darüber?

Potter hat die Bezeichnung Israels als Apartheidsstaat und die Verwendung des Begriffs Siedlerkolonialismus als antisemitisch dargestellt. Die Lage sei “viel zu komplex”, um sie mit solchen Begriffen zu erfassen. Damit diffamiert er (Hand in Hand mit dem deutschen Staat) Menschen und Gruppen, die sich für die Rechte von Menschen in Palästina einsetzen als Antisemiten.

Eine klare Abgrenzung zwischen Antisemitismus und Antizionismus fand nicht statt. Auch hat er seine Vorgehensweise, bestimmte Dinge als Antisemitismus einzuordnen nicht erläutert.

Erst auf Nachfrage klärte er auf, dass er die in der Antisemitismusforschung durchaus umstrittene IHRA-Definition verwendet.

Dies alles sorgt dafür, dass palästinasolidarische Stimmen an der Uni zum Schweigen gebracht werden. Der Antisemitismusvorwurf wiegt in Deutschland schwer. Eine freie Diskussion, wie in vielen anderen Ländern, kann dadurch nicht stattfinden. Das ist angesichts der gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Palästina durch die israelische Besatzung ein Skandal und auch für den freien wissenschaftlichen Diskurs eine große Hürde.

Außerdem gab es noch einen queerfeindlichen Vorfall, was ist dort passiert?

Im Publikum fanden sich auch eine Reihe kritischer Stimmen. Eine nichtbinäre Person, die als solche nicht erkannt wurde, äußerte sich zu den schweren Vorwürfen von Potter.

Als sie auf den Beitrag von Potter eingehen wollte, schlug die Moderation (vom Kölner Bündnis gegen Antisemitmismus) vor, Redebeiträge zu quotieren, da sich “nur Männer” gemeldet hätten.

Als die Person darauf hinwies, dass sie nichtbinär ist, wurde ihr aus dem Publikum zugerufen, sie solle aufhören ihre Identität zu “instrumentalisieren” und ausgelacht. Sie wurde auch wiederholt und gegen ihren Willen als “Herr” bezeichnet.

Nach der Veranstaltung konfrontierte die Person den lachenden Zuschauer, worauf dieser mit einer Androhung von Gewalt reagierte.

Weder der Referent noch die Moderation griffen ein. Stattdessen wurden kritische Fragen nicht beantwortet oder es wurde auf andere Themen umgeschwenkt. Die Stimmung im Raum war extrem unangenehm.

Wie stehst du dazu, dass ein AStA, an dem mit dem SDS auch deine Organisation beteiligt ist, eine solche Veranstaltung organisiert hat? Zieht ihr daraus Konsequenzen?

Wir haben uns wie gesagt dafür eingesetzt, dass das Programm nicht solche diffamierenden Vorträge enthält, aber leider sind wir gescheitert. Das ist sehr frustrierend, ist aber an vielen Unis so, wo antideutsche und uneingeschränkt israelsolidarische Positionen dominieren. Im Studierendenparlament und an der Uni sind wir eine der wenigen Gruppen, die sich für die Rechte der Palästinenser*innen einsetzt.

Hochschulpolitik verliert sich leider viel zu oft in unsinnigen Diskussionen und findet weit weg von der Mehrheit der Studierenden statt.  Wir sind unseren Genoss*innen  in der Hochschulpolitik sehr dankbar für ihre harte Arbeit, aber für die nächsten Wahlen stehen wir weder für einen AStA noch für eine gemeinsame Senatsliste zur Verfügung, da viele Aktive insbesondere mit den Jusos nicht mehr zusammenarbeiten können. Wir konzentrieren uns danach eher auf gute Oppositionsarbeit und darauf, tatsächlich Studierende zu erreichen.

Was für Veranstaltungen wünscht du dir anstatt der, die du besucht hast?

Erstmal finde ich, dass es ein Skandal ist, dass der AStA für solche denunziatorischen Vorträge Geld, Räume und Werbung zur Verfügung stellt. Es braucht eine kritische Auseinandersetzung mit den herrschenden Verhältnissen. Das heißt auch, die uneingeschränkt proisraelische Haltung der Bundesregierung und der politischen Akteure in der BRD kritisch zu hinterfragen und eine antisemitismuskritische Bildung zu ermöglichen, die nicht den Fehler begeht, Israel und das Judentum gleichzusetzen. Gerade jetzt zeigt sich, dass die Gleichsetzung von Jüd*innen mit Israel extrem gefährlich ist.

Palästinasolidarische Stimmen, egal ob in der Klimabewegung oder an der Uni dürfen nicht verleumdet werden, es braucht vielmehr eine Diskussion, die aktuelle Forschung und internationale Tendenzen aufgreift.

Was denkst du, wie man am besten dafür kämpfen könnte, dass es internationalistische Veranstaltungen an deiner Uni gibt?

Leider hat sich wieder einmal gezeigt, dass man sich nicht auf Institutionen wie den AStA oder bürgerliche Gruppen verlassen kann. Als sozialistische Hochschulgruppen müssen wir uns untereinander und mit externen politischen Akteuren vernetzen, damit unsere Uni zu einem Ort der kritischen Bildung wird. In Köln arbeiten wir bereits daran, uns hochschulübergreifend zusammenzutun.

Kritische Veranstaltungen müssen wir selber organisieren und uns dadurch selbstständig weiterbilden. Nur so können wir es schaffen, die Studierendenschaft außerhalb der üblichen Blasen zu politisieren.

 

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