[Quiz] Wer hat es gesagt: Seehofer, de Maizière oder Wagenknecht?

05.01.2017, Lesezeit 4 Min.
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Nach dem Anschlag in Berlin fordern die etablierten Parteien mehr innere Aufrüstung und härtere Gesetze gegen Geflüchtete. Von wem kommt der neueste Vorstoß?

Von wem stammt folgendes Zitat?

„Es gibt eine Mitverantwortung, aber sie ist vielschichtiger. Neben der unkontrollierten Grenzöffnung ist da die kaputtgesparte Polizei, die weder personell noch technisch so ausgestattet ist, wie es der Gefahrenlage angemessen ist.“

Von Horst Seehofer, der am Mittwoch die CSU-Klausurtagung im Kloster Seeon eröffnet und dort für Obergrenzen, Transitzonen und Massenabschiebungen eintreten wird? War es Innenminister Thomas de Maizière (CDU), der am Dienstag in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) für die Stärkung von Bundespolizei und die Zentralisierung und den Ausbau von Verfassungsschutz plädierte? Oder stammt das Zitat von Sigmar Gabriel, der in den allgemeinen Chor einstimmte und mit der Ausweitung der Abschiebehaft und der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen Stimmen gewinnen will?

Falsch, falsch und nochmal falsch. Tatsächlich stammt das Zitat von der Spitzenkandidatin und Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei, Sahra Wagenknecht. In einem Interview mit dem Stern macht sie Bundeskanzlerin Merkel für den Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz mitverantwortlich. Als Gründe nennt sie dafür einerseits die „unkontrollierte Grenzöffnung“ und die „kaputtgesparte Polizei“.

Damit steigt Wagenknecht in den Tenor des politischen Establishments ein, der die Geflüchtetenkrise mit den Terroranschlägen und der Sicherheitsbedrohung gleichsetzt und damit weitere Asylrechtsverschärfungen und Abschiebungen selbst nach Afghanistan legitimiert. Doch neben der (indirekten) Forderung nach „geschlossenen Grenzen“ nimmt sie noch ein Argument der Konservativen auf: Dass sich die Sicherheit durch die Aufrüstung von Polizei und Verfassungsschutz beheben lasse.

Es ist nicht das erste Mal, dass Wagenknecht rechtspopulistische und chauvinistische Töne anklingen lässt. Schon nach dem gescheiterten Bombenanschlag in Ansbach im Sommer letzten Jahres hatte sie die Geflüchtetenpolitik der Bundesregierung für die erhöhte Terrorgefahr verantwortlich gemacht, was ihr die Kritik vieler Parteimitglieder und die Unterstützung wichtiger AfD-Politiker*innen einbrachte.

Tatsächlich haben die bisherigen Ermittlungen zum Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz erwiesen, dass der Verfassungsschutz alle Möglichkeiten dazu hatte, Anis Amri davon abzuhalten, den schrecklichen Anschlag zu begehen. Es fehlte Verfassungsschutz und Polizei nicht an Mitteln. Im Gegenteil sind sie Teil des Problems, indem sie wie im Fall des NSU daran beteiligt sind, faschistische Terrororganisationen aufzubauen. Die innere Aufrüstung und Militarisierung wird nicht zu „mehr Sicherheit“ führen, sondern nur zu einer Zunahme der Repression und Kriminalisierung von Migrant*innen und Geflüchteten, wie man schon in der Silvesternacht in Köln beobachten konnte.

Auch die „unkontrollierte Grenzöffnung“ steht in keiner Verbindung mit dem Anschlag am Breitscheidplatz. Tatsächlich wurde seit Ende 2015 das Asylrecht so häufig verschärft wie noch nie zuvor: Asylpakete, Ausweitung der „sicheren Herkunftsstaaten“ und Deals mit der Türkei, Afghanistan und zahlreichen afrikanischen Ländern machen Geflüchteten das Leben in Deutschland unmöglich.

Deshalb spielt Wagenknecht mit ihrem erneuten Augenzwinkern nach Rechtsaußen nur der Regierung und der AfD in die Karten, die schon lange für noch härtere Bandagen gegen Geflüchtete und die innere Aufrüstung eintreten. Deshalb lobt auch NRW-Landeschef Marcus Pretzell (AfD) Wagenknecht für ihre Aussagen.

Ihm ist klar, dass eine Linkspartei, die wie das politische Establishment von CDU, CSU, SPD und Grünen mehr „innere Sicherheit“ und ein schärferes Asylrecht fordert, eine geringere Gefahr für die AfD darstellt. Zwar verurteilt Wagenknecht in dem Interview auch richtigerweise „die von Merkel unterstützten Ölkriege der USA und ihrer Verbündeten, denen der ‚Islamische Staat‘ erst seine Existenz und Stärke verdankt“. Doch schwächt und verwässert eine Verbindung von solchen richtigen und linken Analysen mit chauvinistischen Forderungen diese Verurteilung.

Der deutschen Imperialismus ist „mit verantwortlich“ für Terror, ja – durch seine Zusammenarbeit mit reaktionären Regimen wie von Saudi-Arabien, Ägypten oder der Türkei und den Bundeswehreinsätzen in Syrien oder Mali. Die Verteidigung deutscher Kapitalinteressen mit Waffen ist mit verantwortlich am Aufstieg des Islamischen Staates (IS) und den katastrophalen Lebensbedingungen, die zur Flucht von Millionen führen. Deswegen kann nur ein konsequent anti-imperialistisches und anti-militaristisches Programm eine fortschrittliche Antwort auf die Forderungen nach innerer Aufrüstung und Massenabschiebungen geben.

Davon hat sich die Linkspartei mit Wagenknechts neuestem Statement wieder einmal einen Schritt entfernt. Es bleibt abzuwarten, auf welche Seite sich die oppositionellen Sektoren innerhalb der Linkspartei in diesem wichtigen Wahljahr stellen.

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