Queerfeindliche Gewalt steigt rasant an
Vor wenigen Tagen veröffentliche das Bundeskriminalamt den „Lagebericht zur kriminalitätsbezogenen Sicherheit von LSBTIQ*“. Die Angaben zeigen, dass die Zahlen der queer- und transfeindliche Gewalttaten im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen sind.
Im Jahr 2023 dokumentierte die Polizei 1785 Fälle strafrechtlich verfolgbarer Gewalt gegen LGBTQIA+ Personen, wobei die Anzahl der Fälle, die nicht zur Anzeige gebracht wurden, wohl deutlich höher ist. 2022 lag die Zahl bei 1188, das bedeutet eine Zunahme der Straftaten um etwa 30 Prozent. Doch nicht nur die Gewalt gegen queere Personen stieg im letzten Jahr unübersehbar an, sondern auch die Gewalt an Frauen. So wird in Deutschland mittlerweile täglich eine Frau aus frauenverachtenden Motiven ermordet.
Diese Zahlen müssen unbedingt dem Rechtsruck zugeordnet werden, denn auch hier belegt der Bericht, dass die politische Motivation in den allermeisten Fällen rechts fundiert ist. Von 1052 Tatverdächtigen waren 921 Täter männlich und 808 Tatverdächtige waren deutsch. Hierbei lässt sich vor allem ein Trend erkennen: sowohl international als auch in Deutschland tendieren vor allem junge Männer häufiger zu rechten und damit zu queer- und transfeindlichen Positionen.
Doch der Bericht des BKA verschweigt, dass die Gefahr für queere Menschen nicht nur in den rechten Aufmärschen gegen die CSDs oder auf den Straßen liegt, sondern dass sie auch aus dem Bundestag heraus wirkt. So vertritt die CDU das Wahlversprechen, das ohnehin weiterhin diskriminierende und erst vor wenigen Wochen in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz abzuschaffen. Dieses Beispiel verdeutlicht uns, dass wir die Errungenschaften der feministischen Bewegung selbst verteidigen müssen.
Doch wie können wir gegen die rechte Gewalt, ob im Bundestag oder auf der Straße kämpfen?
In den letzten Jahrzehnten konnten wir verfolgen, wie der Feminismus immer weiter an seiner klassenkämpferischen Perspektive verloren hat und stattdessen die Konzepte der Intersektionalität und der Identitätspolitik an Aufschwung gewonnen haben. Das Konzept der Intersektionalität ist dahingehend fortschrittlich, da es das Zusammenwirken von verschiedenen Formen der Unterdrückung, wie den Rassismus und der Queerfeindlichkeit heraus arbeitet. Dabei greift es jedoch die Klassenzugehörigkeit und damit die kapitalistische Ausbeutung nur als eine weitere Unterdrückungsform auf, wodurch der Kampf gegen das kapitalistische System als Grundlage der sexistischen und queerfeindlichen Gewalt in den Hintergrund geriet oder ganz verworfen wurde. Aufbauend auf diesem Verständnis versucht die Identitätspolitik Gleichberechtigung allein durch die Vertretung marginalisierter Gruppen in den staatlichen Organen zu erreichen.
Diese Entwicklung fand ihren Anfang mit dem Neoliberalismus, in dem sich die Spaltung zwischen den sozialen Bewegungen, die für die Emanzipation kämpfen, und der Arbeiter:innenklasse, die mit den Folgen der kapitalistischen Politik, wie der Prekarisierung, Schließung der Betriebe oder Arbeitslosigkeit konfrontiert ist, verfestigt hat. Es ist diese Spaltung, die letztlich eine Bedingung dafür schafft, dass sich Teile der Lohnabhängigen den Rechten zuwenden.
Wir sehen also, dass die Logik der Stellvertretung in den staatlichen Organen nicht ausreichend ist, um die wirkliche Selbstbestimmung über unsere Körper zu erlangen. Um uns tatsächlich von der queerfeindlichen Gewalt befreien zu können, die uns der patriarchale Kapitalismus auferlegt, müssen wir den feministischen Kampf wieder mit einer Klassenperspektive füllen.
Im Kampf gegen das kapitalistische System oder gegen die verschiedenen Ausmaße der Unterdrückung können wir uns weder auf die Polizei noch auf den Staat mit seinem Bundeskriminalamt verlassen. Auch wenn sich die Polizei auf den CSDs als queerfreundlich präsentiert, ist und wird ihre Funktion im Kapitalismus immer sein, das Kapital zu schützen und jeder Form von Widerstand mit Gewalt zu begegnen. Gleichzeitig ist es kein Zufall, dass sich in der Polizei immer wieder extrem rechte und faschistische Strukturen zeigen.
Denn in der krisenhaften Zeit und der politischen Ungewissheit sehen wir, dass es vor allem die Rechten sind, die in überwältigender Mehrheit profitieren. Es liegt an uns, die Rechte und extreme Rechte auf den Straßen und im Bundestag zurückzuschlagen und eine feministische Perspektive aufzuzeigen. Für diese Perspektive stellen wir uns mit unabhängigen Kandidaturen zur Bundestagswahl auf, um die Wahlperiode, die auf dem Rücken von queeren Menschen ausgetragen wird, als Bühne für den Feminismus und den Klassenkampf zu nutzen. Gemeinsam wollen wir die Forderung nach wirklicher Selbstbestimmung auf die Straßen, Betriebe, Universitäten und Schulen tragen und ihnen ein Sprachrohr im Parlament verschaffen. Mit dem Wahlantritt bieten wir einen Kontrast zu den leeren Versprechungen der Parteien und zeigen die einzig erfolgversprechende Perspektive für den Ausbruch aus dem gewaltsamen System auf: Klassenkampf.