Protest beim Berliner Firmenlauf
Seit 14 Jahren findet der Berliner Firmenlauf statt: Mehr als 10.000 Menschen aus vielen Unternehmen laufen die fünf Kilometerlange Rundstrecke vom Brandenburger Tor durch den Tiergarten. Normalerweise nutzen Firmen die Gelegenheit, um sich als „gute Arbeitgeber“ zu inszenieren. Doch angesichts der aktuellen Streikkonjunktur in Deutschland überrascht es wenig, wenn auch GewerkschaftsaktivistInnen beim Lauf ihre AusbeuterInnen an den Pranger stellen wollen.
Dazu gehört etwa der Onlinehändler Amazon. In dessen Versandzentrum im brandenburgischen Brieselang läuft gerade ein Wettlauf der ganz anderen Art: Zum 30. Juni laufen wieder befristete Arbeitsverträge aus. 70 Menschen werden ohne Job sein – darunter sind ver.di-Mitglieder und Angehörige des Betriebsrats. An dem Standort bei Berlin hatten zu Hochzeiten bis zu 80 Prozent der Belegschaft einen befristeten Vertrag. Nach dem letzten Weihnachtsgeschäft hatten 1000 Beschäftigte keine Verlängerung bekommen und wurden arbeitslos.
Doch während jetzt 70 Menschen gehen müssen, wird auch nach neuen Mitarbeitern gesucht, hieß es aus Kreisen der Belegschaft. Die massenhafte Befristung setzt die Beschäftigten unter permanentem Druck und erschwert gewerkschaftliche Organisierung. Gerade kämpfen fünf Mitglieder des Betriebsrats vor dem Arbeitsgericht in Brandenburg um ihre Weitereinstellung, nachdem sie Ende letzten Jahres nicht verlängert wurden. Ihr nächster Verhandlungstermin ist am 24. Juni. Doch sie verlassen sich nicht auf die Justiz, sondern organisieren Proteste innerhalb und außerhalb des Unternehmens.
„Kunden fordern: Schluss mit Befristungen bei Amazon!“ Das Transparent soll jetzt neben der Route des Firmenlaufes stehen. Die ver.di-Betriebsgruppe von Amazon Brieselang will zusammen mit einem Kreis aus KundInnen und solidarischen AktivistInnen eine Protestaktion organisieren. Auf Facebook sind Fotos von aus Kartons gebastelten Robotern mit wütenden Gesichtsausdrücken zu sehen, die sicherlich auch beim Lauf auftauchen werden. „Die KollegInnen bei Amazon müssen praktisch jeden Tag einen Marathon laufen, wenn sie weiter einen Job haben wollen“ sagt Stefan Schneider vom Solikreis. Beschäftigte, die als „Picker“ in den Amazon-Versandszentren die Waren aussuchen, berichten von täglichen Laufstrecken von 25 oder 30 Kilometern, aber die Firma bestreitet diese Angaben.
Nicht nur Amazon-KollegInnen sind dabei. Die Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst sind wegen der Schlichtung ausgesetzt. Doch „wir wollen das Thema weiterhin in der Öffentlichkeit präsent halten“, so der ver.di-Sekretär Matthias Neis. Deswegen gibt es in diesen Tagen Abenddemonstrationen und Personalversammlungen. Auch vom Berliner Studentenwerk wird eine „Streik-Gruppe“ beim Firmenlauf mitlaufen, um ihre Forderung nach einer Aufwertung sozialer Berufe zu bekräftigen. „Wir werden mit Erkennungszeichen unterwegs sein und Information zu unserer Tarifauseinandersetzung verteilen“, so Neis. In Berlin arbeiten die ErzieherInnen unter einem anderen Tarifvertrag als in allen anderen Bundesländern – aus diesem Grund waren nur diejenigen beim Studentenwerk zum Streik aufgerufen. Doch auch hier haben die paar dutzend GewerkschafterInnen, auch zusammen mit ihren KollegInnen aus Brandenburg, wochenlang gestreikt.
Treffpunkt für die Protestaktion: Freitag, 12. Juni, ab 18.30 Uhr, Pariser Platz, Berlin-Mitte