Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit

27.01.2016, Lesezeit 5 Min.
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400 angestellte Lehrer*innen in Berlin im Warnstreik. Auch solidarische Schüler*innen dabei. Finanzsenator lehnt Tarifverhandlungen ab.

Ryan Plocher steht in der Klosterstraße in Berlin-Mitte. Wer vorbeiläuft, bekommt von ihm eine rote Weste und eine weiße Trillerpfeife ausgehändigt. Es sieht fast so aus, als würde der junge Mann mit Bart und Hornbrille Werbung für eine Modefirma machen: Die Westen seien nicht nur schick, sondern gut zum Fahrradfahren geeignet, erläutert er. Doch Plocher ist Lehrer an einer Neuköllner Schule und aktiver Gewerkschafter. Am Dienstag war er mit bis zu 400 Kolleg*innen zur Kundgebung auf dem Platz vor der Senatsverwaltung für Finanzen gekommen. Alle trugen die roten Westen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ war auf vielen selbstgemachten Schildern zu lesen.

Im Jahr 2013 streikten die angestellten Lehrer*innen der Hauptstadt an 17 Tagen. Damals forderten sie eine tarifliche Entgeltordnung, damit sie soviel verdienen wie ihre verbeamteten Kolleg*innen. In der Regel bekommen sie im Monat einige hundert Euro weniger. Seit 2004 werden Berliner Lehrkräfte generell nicht mehr verbeamtet. Heute sind knapp 40 Prozent der Pädagog*innen angestellte Niedriglöhner.

Der Senat lehnt Tarifgespräche mit der GEW jedoch noch immer rundheraus ab. Der deutsche Beamtenbund (dbb) hat im letzten Jahr einen Eingruppierungsvertrag für die Lehrkräfte unterschrieben. Doch dieser lässt nicht nur die meisten Forderungen unerfüllt, sondern beinhaltet für viele Kolleg*innen auch noch Verschlechterungen. Da der Einfluss des dbb in diesem Bereich laut Insider*innen „verschwindend gering“ ist, lässt sich die GEW nicht beeindrucken und nimmt den Arbeitskampf nach einer längeren Unterbrechung wieder auf.

Ab 7.30 Uhr fanden am Dienstag kleine Aktionen vor Berliner Schulen statt. Plocher stand mit zwei Kolleg*innen vor der Fritz-Karsen-Schule in Neukölln und verteilte Briefe an die Eltern. „Die Reaktionen waren ausschließlich positiv“, berichtete er. An einem Oberstufenzentrum in Tempelhof sollen Schüler*innen zum Fenster gekommen sein und den Streikenden zugerufen haben: „Kommen Sie hoch! Wir wollen Unterricht!“

Doch viele Schüler*innen drücken ihre Unterstützung aus, vom Anna-Freud-Oberstufenzentrum ist sogar eine kleine Gruppe zur Kundgebung mitgekommen. „Solidarität mit den Lehrkräften“ steht in roten Buchstaben auf ihrem weißen Bettlacken. Florian Griebel, der am OSZ sein Abitur macht, hat in den letzten Tagen Plakate in der Schule aufgehängt. Ein Geschichtslehrer berichtet sogar, den Streiktermin zuerst von seinen Schüler*innen erfahren zu haben. Am Dienstag morgen trafen sich dann fünf Lehrer*innen und fünf Schüler*innen am Tor und fuhren gemeinsam mit der U-Bahn zur Kundgebung.

„Wenn man Ungerechtigkeit sieht, muss man sich gemeinsam dagegen wehren“, meint Griebel. Für den 20-jährigen Schüler geht es, wie auch für die meisten Lehrkräfte, um das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Gleichzeitig wünscht er sich eine bessere Einbindung von Schüler*inen in den Arbeitskampf: „Es wäre schön, wenn die Gewerkschaft uns aufrufen würde oder wenn die Lehrer*innen im Unterricht thematisieren würden, warum Streiken sinnvoll ist.“ Zusammen mit einigen Mitschüler*innen spricht er ein Grußwort auf der Bühne, dann teilt er Brezeln und Glühwein mit seinen Lehrer*innen.

Bei vielen Streikenden geht es indes weniger um den konkreten Lohn als um das Prinzip der Gerechtigkeit. Ryan Plocher zum Beispiel regt sich darüber auf, dass Grundschullehrer*innen etwa 500 Euro weniger im Monat verdienen als er an einer Oberschule. Das liegt für ihn nicht zuletzt daran, dass an Grundschulen vorwiegend Frauen arbeiten. Das sei „Sexismus pur“, sagt er. Auch Studienräte, die in Grundschulen arbeiten, ohne Grundschulpädagogik studiert zu haben, erhalten den höheren Lohn.

Gegen Ende der Kundgebung versucht Plocher, ein paar Losungen anzustimmen. „Gleiches Geld – das gefällt!“

Bald beginnt die Prüfungsphase. Nach den Sommerferien wird in Berlin gewählt. Und die angestellten Lehrer*innen in Berlin sind zahlreicher und wütender denn je. Das Beteiligungspotential für die weiteren, größeren Aktionen, die die GEW angekündigt hat, dürfte also hoch sein. Am Dienstag waren zunächst nur Lehrer*innen der berufsbildenden Einrichtungen sowie von zwölf allgemeinbildenden Schulen zur Teilnahme aufgerufen worden. Das hätte zweifelsohne größer sein können – mehr als vier Monate sind seit der letzten tarifpolitischen Konferenz der Berliner GEW vergangen. Die Bürokratie mobilisiert nur mit angezogener Handbremse, obwohl der Finanzsenator seit vielen Jahren jegliches ernstzunehmendes Gespräch verweigert.

Auf jeden Fall ist mit einer Eskalation in den nächsten Wochen und Monaten zu rechnen. Die Lehrer*innen könnte etwa gleichzeitig zum bundesweiten Schulstreik am 28. April die Arbeit niederlegen. Genau das forderte ein Flugblatt der RKJ.

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