Prekarisierung in der BRD

01.10.2012, Lesezeit 15 Min.
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Im Gegensatz zur Propaganda der Regierung wurden die ArbeiterInnen in den letzten 20 Jahren immer wieder gebeten, Maßnahmen zur Abfederung von Krisen zu akzeptieren. Der Aufschwung bis 2008 war nur auf Kosten der Prekarisierung von Millionen und dem Verlust der Zukunft neuer Generationen möglich: Die Jugend, die nach Schule und Studium (oder nebenbei) Arbeit sucht, findet einen Arbeitsmarkt vor, der nur flexible Arbeit, kurzfristige Verträge und sehr niedrige Löhne bietet.

Eine „wunderbare“ Ökonomie

Das sogenannte deutsche „Wirtschaftswunder“ in den 50er Jahren ermöglichte eine Reihe von Zugeständnissen in der Nachkriegs-BRD (Renten, Arbeitsschutzgesetze, Sozialversicherung, etc.). Die KapitalistInnen propagierten einen „Interessenausgleich“ zwischen den KapitalistInnen und ArbeiterInnen, mit voller Unterstützung der Gewerkschaftsbürokratie. In diesem sogenannten „Wohlfahrtsstaat“ setzten sich die Herrschenden, im Rahmen des Kalten Krieges, für den „sozialen Frieden“ als politische und ideologische Kampagne gegen die degenerierten ArbeiterInnenstaaten ein. Es war eine Zeit, in der Arbeitslosigkeit nicht zu den großen Fragen gehörte. Dann aber kam die weltweite Rezession 1974-77, während der die Arbeitslosigkeit auf fast 13 Millionen allein in den Industriestaaten anstieg. Im Fall der BRD erhöhte sich die Arbeitslosigkeit von 0,7% (1962) auf 5,9% (1976). Die Zahl der KurzarbeiterInnen stieg in der gleichen Periode von 4.000 auf 493.000[1].

Die Lösung der KapitalistInnen und der Regierung, um das Problem der Arbeitslosigkeit zu lösen, war, neue Arbeitsplätze zu schaffen, aber mit flexiblen Arbeitsbedingungen. Diese Lösung hat einen langsamen Veränderungsprozess der deutschen Arbeitswelt eingeleitet, der sich auf die Interessen und die Lebensqualität der Lohnabhängigen auswirkte. Die ersten Reformen erfolgten in den 80er Jahren unter der Regierung von Helmut Kohl: „Flexibilisierung“ des Arbeitsmarktes und Privatisierung von Staatsunternehmen[2].

Mit der Annexion der DDR und der damit einhergehenden Aufnahme von Millionen von ArbeiterInnen[3] in den Arbeitsmarkt der BRD (viele von ihnen wurden sehr bald arbeitslos), haben die KapitalistInnen profitiert, weil die meisten dieser ArbeiterInnen unter den neuen Bedingungen nicht konkurrieren konnten. Sie wurden in der Folge oft in prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt.

2003 konnten (anders als die christlich-liberale Koalition) die Sozialdemokratie und die Grünen vertiefte Strukturreformen durchsetzen. Mit der Agenda 2010 wurde unter anderem geregelt, dass in den neuen „Hartz IV“-Regelungen die Arbeitslosenversicherung und die Sozialhilfe zusammengelegt und neue „Anreize“ für den Eintritt in den Arbeitsmarkt geschaffen werden sollten[4]. Die rot-grüne Regierung führte so die von Kohl vorbereitete Politik weiter und führte sie zu ihrem Höhepunkt – rot-grün setzte so durch, was die schwarz-gelbe Regierung nie geschafft hatte, nämlich die tiefgreifendste Umstrukturierung des deutschen Arbeitsmarktes seit dem Zweiten Weltkrieg.

Prekarisierung ist nicht irgendein Problem!

Wie wir sehen konnten, ist die Ausweitung von prekären Beschäftigungsverhältnissen das Ergebnis eines langfristigen Plans, der von der Regierung und den KapitalistInnen umgesetzt wurde und wird, mit dem Ziel, die Kosten der Produktion zu senken[5]: Gekürzt wird bei Löhnen, Tarifverträgen, Renten, Steuern, sowie – natürlich – der rechtlichen und administrativen Verantwortung gegenüber den ArbeiterInnen, die an Vertragspartner wie Manpower und Adecco, ausgelagert werden, wenn nicht neue wie die CFM geschaffen werden. Diese Situation vertieft die Spaltung zwischen den ArbeiterInnen (Verschärfung von Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und Rating) und sorgt für ein hohes Maß an Vereinzelung (die Mehrheit der prekarisierten ArbeiterInnen gehört keiner Gewerkschaft an), um so Arbeitskämpfe zu vermeiden; eine Aufgabe, bei der die KapitalistInnen von der Gewerkschaftsbürokratie treu unterstützt werden.

Die Ausweitung von prekären Beschäftigungsverhältnissen ist nichts Anderes als eine Verbilligung der Arbeitskraft bzw. des Arbeitsmarktes und seiner Bedingungen, sodass Unternehmen mit großen Gewinnen ihre Schulden bezahlen und die Wirtschaft ankurbeln können. Diese Situation schreitet auch in Deutschland voran, und in weiten Teilen Europas hat sie längst zu einer Verarmung großer Teile der Bevölkerung geführt.

Aber wie wir sehen können, ist dies kein konjunkturelles Problem, sondern markiert eine tiefgreifende Veränderung in der Beziehung zwischen Kapital und Arbeit, die einen krassen Weg zurück in die Vergangenheit weist, zu Situationen der Überausbeutung und des Missbrauchs durch die UnternehmerInnen. Leider sind die Organisationen der ArbeiterInnenklasse, wie der DGB, heute stark bürokratisiert und sind längst keine Instrumente des Kampfes für die Interessen unserer Klasse mehr.

Heute wie gestern zeigen diese Angriffe gegen die ArbeiterInnen das wahre Gesicht dieses Systems, das nichts mit guten Lebensbedingungen für alle zu tun hat, sondern im Interesse einer Minderheit arbeitet, basierend auf der Ausbeutung der Mehrheit.

Minijob, Mini-Löhne, Mini-Zukunft

Nach offiziellen Daten ist Deutschland eines der EU-Länder mit einer Arbeitslosenrate (knapp 7%) unter dem europäischen Durchschnitt. Natürlich spiegeln diese Zahlen nicht die Realität wieder (z.B. die hohe Zahl der „Schwarzarbeit“), weil in der gleichen Zahl all jene mit Ein-Euro-Jobs oder Minijobs[6] fehlen, deren Anteil angesichts der kurzen Dauer dieser Arbeitsplätze starken Schwankungen unterliegt.

Rund 7,5 Millionen Menschen suchen einen Arbeitsplatz, da sie arbeitslos sind oder ihre aktuelle Arbeitssituation verbessern wollen. Zu den 2,5 Millionen Arbeitslosen, die aktiv Arbeit suchen, sind weitere 3,5 Millionen hinzuzufügen, die mehr arbeiten möchten. Innerhalb dieser Gruppe von ArbeiterInnen, die mehr arbeiten wollen, gibt es etwa zwei Millionen Teilzeitbeschäftigte, die ihre Arbeit verlängern möchten. Zusätzlich dazu gibt es 1,7 Millionen Menschen mit Vollzeitstellen, die zusätzliche Arbeit möchten.

Was diese Zahlen schließlich bedeuten, und was in der Statistik nicht deutlich wird, ist, dass durch die stagnierenden Löhne ein einzelner Arbeitsplatz nicht mehr ausreicht, um die grundlegenden Lebenshaltungskosten (Miete, Lebensmittel, Transport, etc.) zu bezahlen.

Derzeit ist jeder fünfte Arbeitsplatz ein Minijob. Für insgesamt fast fünf Millionen ArbeiterInnen ist das ihre Haupttätigkeit. Dadurch, zusammen mit dem Fehlen eines gesetzlichen Mindestlohns, haben die UnternehmerInnen freie Hand, um nur zu den schlimmsten Bedingungen einzustellen.

ImmigrantInnen, Jugendliche

In einer besonders prekären Situation leben ImmigrantInnen in Deutschland, sowohl jene aus der EU wie aus anderen Ländern. Deutschland hat viel von regionaler Armut profitiert, um seine Wirtschaft aufzubauen und zu dynamisieren. Schon seit den 1960er Jahren, damals im Rahmen der Politik der „Gastarbeiter“, sind türkische Beschäftigte (die größte Einwanderungsgruppe bisher mit 2,5 Millionen), sowie italienische, spanische etc. dafür verantwortlich, all jene Arbeiten zu erledigen, die keine „Qualifikation“ benötigen und bei denen es zu wenig einheimische Arbeitskraft gibt: Bau, Bergbau, Stahl, usw. Dabei wurden bestehende Qualifikationen der ArbeitsmigrantInnen oftmals nicht anerkannt.

Die DGB-Gewerkschaften befassten sich erst Anfang der 70er mit der Arbeits- und Lebenssituation der MigrantInnen, als in einigen Betrieben eigene Listen für die Betriebsratswahlen gegründet wurden und so beispielsweise die IG Metall in den Kölner Ford-Werken nur noch 30% der Sitze inne hatte. Gestört hat dabei wohl auch, dass die „Gastarbeiter“ die „deutsche Gastfreundschaft missbrauchten“ und bei den großen Streikwellen der Zeit (bei denen die Gewerkschaften teilweise die Kontrolle verloren) oft eine führende Rolle spielten. Die Herrschenden reagierten auf das Ende eines chronischen Mangels an Arbeitskräften mit einem „Anwerbestopp“ 1973. Die Kohl-Regierung vollzog die offene Reaktion zunächst mit einer verzweifelten „Rückkehrförderung“ und schließlich mit einer rassistischen Asyldebatte („Das Boot ist voll“).

Hier spielt die Trennung der ArbeiterInnenklasse zwischen ausländischen und inländischen, die von der Regierung, den UnternehmerInnen und der Gewerkschaftsbürokratie aufrechterhalten wird, eine äußerst reaktionäre Rolle und erschafft aktive Diskriminierung und Rassismus gegen EinwandererInnen (einschließlich Flüchtlinge). Heute hat die Vertiefung der Wirtschaftskrise in der Eurozone zum starken Anwachsen der Migration unter anderem aus Griechenland (+90%) und Spanien (+60%) geführt: meist gut ausgebildete junge Menschen, die angesichts der wachsenden Armut und Arbeitslosigkeit[7] in ihren Ländern ebendiese verlassen mussten, in der Hoffnung, in Deutschland Arbeit, wenn auch prekäre, zu finden – dem gleichen Land, welches sie gemeinsam mit den Bourgeoisien ihrer Länder ihrer Zukunft beraubt und ihnen die Kosten einer Krise, die sie nicht verursacht haben, aufgeladen hat. Das ist eine einmalige Gelegenheit für das deutsche Kapital, um seine Bedingungen aufzubessern und qualifizierte Arbeitskräfte zu niedrigen Kosten in die Produktion zu integrieren. Aber auch deutsche Jugendliche wissen oft nach dem Schulabschluss nicht, wo sie hin können. Immer öfter erhalten sie befristete Arbeitsverträge und sind in den Tarifverträgen viel schlechter gestellt als Ältere.

Frauen sind besonders von Arbeitslosigkeit und Prekarisierung betroffen

In der Zeit von 1991-2010 ist die Anzahl von männlichen Beschäftigten in Deutschland bedeutend gesunken (-8%), während die weiblicher Beschäftigter gestiegen ist (+16%). Die Vollzeitarbeit reduzierte sich drastisch für beide Gruppen (-20%), aber insbesondere bei Frauen sind Ganztagsjobs durch Teilzeittätigkeiten ersetzt worden und in höherem Maße sind sie Opfer prekärer Arbeitsbedingungen geworden: Minijobs und Ein-Euro-Jobs haben die geschlechtliche Lücke in Bezug auf die Menge und Qualität der Jobs vergrößert[1].

Die 23.000 Arbeiterinnen von Schlecker, vor kurzem ihrer Arbeitsplätze beraubt, sind ein Beispiel für die Unsicherheit, die der aktuelle Arbeitsmarkt bietet. Sie hatten schon sehr schlechte Arbeitsbedingungen, ihr Tarifvertrag wurde entgegen ihrer Interessen verändert, und sie mussten massive Gehaltskürzungen erdulden. Doch das alles war dennoch nicht genug, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Die Willkür der KapitalistInnen im Bunde mit der Gewerkschaftsbürokratie spielte eine schändliche Rolle.

Dass fast ausschließlich Frauen von den schlechten Arbeitsbedingungen, wie sie bei Schlecker herrschten, betroffen sind, ist kaum Zufall, da der Beruf der Verkäuferin im Drogeriegeschäft als „typischer“ Frauenberuf gilt. Die KapitalistInnen gehen auf diese gesellschaftlichen Erwartungen ein. Solche Berufe sind wie u.a. die der Friseurin und Erzieherin im Durchschnitt viel schlechter bezahlt als „Männerberufe“. Hier ist die Diskriminierung also strukturell.

Frauen werden in der Arbeitswelt also nicht nur von männlichen Kapitalisten oder Kollegen direkt sexuell unterdrückt, sondern leiden unter der geschlechtlichen Struktur des Arbeitsmarktes selbst. „Frauenberufe“ gelten zum einen als weniger wert. Zum anderen nehmen sie öfter die Form von Teilzeitarbeit an, weil Frauen öfter einer Doppelbelastung ausgesetzt sind: Sie müssen Familie und Beruf vereinen, was selbst im „aufgeklärten“ Deutschland überproportional Frauen statt Männer in einer Partnerschaft trifft. Gleichzeitig entscheiden sich Elternpaare oft dafür, dass der Vater, weil er bereits mehr verdient, nicht zu Hause bleibt, sondern weiter arbeiten geht.

Das vertieft dauerhafte Ungleichheiten, unter denen Frauen leiden, nicht nur bei der Arbeit. Denn die bessere Stellung der Männer in der Wirtschaft ist auch die Grundlage für den Sexismus in allen anderen Lebensbereichen. Aus diesem Grund müssen Strategien zur Überwindung von sexueller Diskriminierung an den kapitalistischen Verhältnissen ansetzen.

Daher reicht beispielsweise allein die Forderung nach einer durch die Regierung festgesetzten Frauenquote nicht aus, um die Situation aller Frauen zu ändern. Denn das größte Problem der Frauenunterdrückung besteht nicht darin, dass es zu wenige weibliche ManagerInnen gäbe, sondern in der strukturellen Unterdrückung der großen Mehrheit der Frauen im Niedriglohnbereich. Der Kampf für Gleichberechtigung muss über den Kampf gegen prekäre Arbeit, gegen ungleiche Löhne und für ausreichende Kinderbetreuung gehen.

Fußnote

[1]. „Ungenutzte Potenziale in der Teilzeit: Viele Frauen würden gerne länger arbeiten“. Susanne Wanger. IAB Kurzbericht 9/2011.

Für die Einheit der ArbeiterInnenklasse

Es sind die ArbeiterInnen, die den gesellschaftlichen Reichtum schaffen und die dieses System am Laufen halten. Höhere Lebensqualität ist kein Geschenk eines Staates, sondern das Ergebnis der großen Kämpfe der ArbeiterInnenklasse[8]. Wir haben hier versucht zu verdeutlichen, dass es dem Staat und der Regierung vor allem darum geht, die Interessen der Bourgeoisie sicherzustellen und zu gewährleisten. Die Herrschenden stellen ihr Interesse als ein allgemeines Interesse der Gesellschaft dar. Aber im Gegenteil: Sie bereichern sich nur auf unsere Kosten.

Zu dieser Situation der prekären Arbeit ist es nicht nur durch die konsequenten und entschlossenen Angriffe der Bourgeoisie und ihrer Regierungen gekommen, sondern auch durch die schockierende Komplizenschaft der Gewerkschaftsbürokratie, die gegenüber der offensichtlichen Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen der ArbeiterInnen nichts tut, außer verbal diese Situation anzuprangern, ohne einen Finger zu rühren, um für richtige Arbeit zu kämpfen, während sie immer wieder den Abbau von Arbeitsplätzen, Tarifverträgen und Löhnen unterzeichnet. So überlässt sie Millionen von Beschäftigten ihrem Schicksal. Die Gewerkschaften stehen unter der Führung einer Bürokratie, die nicht für die Rechte der ArbeiterInnen und gegen die KapitalistInnen kämpft.

Heute brauchen wir mehr denn je die Einheit aller ArbeiterInnen, mit Vollzeit- und prekärer Arbeit, mit und ohne Arbeit, mit und ohne deutschen Pass (nicht zu vergessen, dass die ArbeiterInnenklasse kein Vaterland hat, sondern eine internationale Klasse ist!), um die Prekarisierung zurückzuschlagen. Der Kampf für menschenwürdige Arbeit für alle kann nur gelingen als ein kombinierter Kampf, gegen Sexismus und Rassismus und für Rückeroberung unserer Organisationen von der Gewerkschaftsbürokratie.

Wir brauchen keine „faire“ Leiharbeit, sondern ihre Abschaffung (wie es zuletzt beim UFO-Streik gefordert wurde) durch gemeinsame Kämpfe von allen, die im Betrieb sind. Wir dürfen uns nicht nur auf Gewerkschaftsmitglieder beziehen. Diese Praxis ist letztlich Ausdruck der Vorstellung von Gewerkschaften als „mitgliederbasierten“ Organisationen. Dies lehnen wir ab und kämpfen für eine Demokratisierung der Gewerkschaften, damit sie im Kampf das Sprachrohr aller Beschäftigten werden. „Stammbelegschaft“ und prekäre ArbeiterInnen können nicht ohne einander ihre Interessen durchsetzen. Prekäre allein sind zu schwach, weil sie zu einem sehr geringem Grad organisiert sind, geringere Arbeitsschutzrechte haben und ihr Vertrag auch mal einfach nicht verlängert werden kann. Daher brauchen sie die Solidarität der Stammbelegschaft. Aber auch diese muss im eigenen Interesse auf die Abschaffung prekärer Arbeit drängen, weil prekäre Arbeit sonst immer weiter ausgeweitet wird, bis sie selbst in prekäre Arbeiter umgewandelt werden. Ihre „Privilegien“ sind also bedroht, denn die Kapitalisten wollen am Liebsten die totale Flexibilität aller ArbeiterInnen erreichen.

Um den Kampf gegen Leiharbeit und Prekarisierung effektiv zu führen, müssen wir, wie schon erwähnt, die Gewerkschaften wieder zu Kampforganen der ArbeiterInnenbewegung machen, indem wir basisdemokratische, klassenkämpferische, antibürokratische Strömungen in den Gewerkschaften aufbauen und die Führung der Bürokratie in Frage stellen. Die Schwäche der bürokratischen Kampagnen für „faire“ Leiharbeit und gegen die Verdichtung der Arbeitszeit liegt nicht in Planungsfehlern, sondern darin, dass die Gewerkschaftsbürokratie kein Interesse an einer wirklichen Mobilisierung ihrer Mitglieder hat. Stattdessen müssen wir von der Gewerkschaftsbasis aus Massenkampagnen für die Abschaffung der Leiharbeit und die Rücknahme der Hartz-Gesetze organisieren, als einen ersten Schritt der Beendigung der Prekarisierung in Deutschland.

Fußnoten

[1]. Ernest Mandel / Winfried Wolf: Ende der Krise oder Krise ohne Ende?, Bilanz der Weltwirtschaftsrezession und der Krise in der Bundesrepublik. Berlin 1977. S. 120-21

[2]. Das Ziel dieser Reformen war es, die Rolle des Staates in der Wirtschaft und das Staatsdefizit zu reduzieren, Steuern zu senken, staatliche Beschränkungen und Vorschriften zu beseitigen, und die Flexibilität und Leistungsfähigkeit des Arbeitsmarktes zu verbessern. Dazu gab es eine Reihe von Privatisierungen: Für rund 10 Milliarden Euro wurden staatliche Institutionen wie VEBA, VIAG, Volkswagen, Lufthansa und Salzgitter verkauft.

[3]. Der DGB hat mehr als drei Millionen von diesen ArbeiterInnen aufgenommen. Im Jahr 1990 waren 7.937.923 Mitglieder und für das Jahr 1991 11.300.412 Mitglieder organisiert. Aber acht Jahre später sank die Mitgliederzahl wieder auf das Niveau von 1990.

[4]. Eine weitere wichtige Neuregelung war die grundlegende Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Mit Beginn des Jahres 2004 wurden das besondere Befristungsverbot (eine Beschäftigung kann nicht wiederholt befristet werden, ohne dass ein sachlicher Grund in der Person des Leiharbeiters vorliegt), das Wiedereinstellungsverbot (Leiharbeitsfirmen dürfen gekündigte MitarbeiterInnen innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nicht erneut einstellen), das Synchronisationsverbot (MitarbeiterInnen dürfen von einer Zeitarbeitsfirma nicht nur für die Zeit der Leihtätigkeit eingestellt sein) sowie die Beschränkung der Überlassungsdauer auf 24 Monate ersatzlos aufgehoben. Zudem sind Ausnahmen vom Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in Betrieben des Baugewerbes durch Tarifverträge ermöglicht worden. Vgl. http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/55357/leiharbeit-zeitarbeit

[5]. Die Anzahl von Vollzeitarbeitsplätzen ist zwischen 2003 und 2008 von 22,6 auf 22,4 Millionen gefallen. Besonders betroffen waren die Bergbauindustrie (-16,3%), die Bauindustrie (-13,0%), Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (-2,3%), die öffentliche Verwaltung (-12,1%) und das Bildungssystem (-10,9%). Dem ist hinzuzufügen, dass Vollzeitarbeitsplätze nicht wieder besetzt, sondern von prekärer Arbeit, d.h. befristete Verträge und geringe Löhne, ersetzt werden.

[6]. Innerhalb der Prekarisierung der Arbeit ist der Minijob ein Modell der staatlich subventionierten Beschäftigung mit einem Gehalt von maximal 400€ und 40 Stunden monatlich.

[7]. Seit März 2012 wurde die Möglichkeit, als „EU-Bürger“ Sozialhilfe (Hartz IV) zu beantragen und zu erhalten, beseitigt. Im Gegenzug wurden Trainingsprogramme (Auswahlfilter für junge und qualifizierte Arbeitskräfte) zum schnellen Einfügen in den Arbeitsmarkt entwickelt.

[8]. Auf dem Genfer Kongress der Internationalen Arbeiter Assoziation (IAA) 1866 wurde unter Mitwirkung von Karl Marx und Friedrich Engels die internationale gesetzliche Einführung des Achtstundentages gefordert und somit zur allgemeinen Forderung der ArbeiterInnenklasse der gesamten Welt erhoben. Sie musste von der ArbeiterInnenbewegung erst erkämpft werden, und so war der 8-Stundentag in Deutschland das Ergebnis der Novemberrevolution.

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