Post-Streik: Angebot ablehnen, Erzwingungsstreik umsetzen!
Die ver.di-Mitglieder bei der Deutschen Post haben mit knapp 86 Prozent für einen unbefristeten Erzwingungsstreik gestimmt. Trotzdem ging die ver.di Verhandlungsführung am Samstag in Verhandlungen und empfielt die Annahme des mäßigen Angebots, statt den Streik fortzusetzen.
Nach der dritten Verhandlungsrunde bei der Post ließ die ver.di-Tarifkommission und Bundesvorstand die Kolleg:innen in einer Urabstimmung über das Tarifangebot urteilen. Dabei sprachen sich 85,9 Prozent der bei der Post beschäftigten ver.di-Mitglieder gegen das Angebot und für einen unbefristeten Streik aus. Doch bereits einen Tag nach Ende der Urabstimmung kündigte die ver.di-Führung vergangenen Donnerstag an, in eine vierte Verhandlungsrunde zu gehen. Obwohl dort nur eine marginale Verbesserung gegenüber dem schwachen Angebot aus der dritten Verhandlungsrunde erreicht wurde, empfiehlt nun die Bundestarifkommission die Annahme des Angebots. Anstatt also in den mit über 85 Prozent beschlossenen Erzwingungsstreik zu treten, lässt die ver.di Tarifkommission die Post-Beschäftigten sofort erneut abstimmen. Für eine Annahme des Angebots würde es ausreichen, wenn sich nun ein kleiner Teil der ver.di-Mitglieder aufgrund der geänderten Empfehlung dafür ausspricht. Denn das Quorum liegt bei 75 Prozent und nicht bei einer einfachen Mehrheit, wie sie für demokratische Entscheidungen in einer Massenorganisation angemessen wäre.
Ergebnis weniger als die Hälfte der ursprünglichen Forderung
Das Angebot ist durch seine Aufteilung in verschiedene Sonderzahlungen und reguläre Lohnerhöhungen nicht leicht zu vergleichen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass es weit hinter den ursprünglichen Forderungen zurückbleibt. Ver.di war mit einer Forderung nach 15 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten in die Verhandlung gegangen. Das neue Angebot sieht für April eine steuerfreie Einmalzahlung von 1020 Euro vor. Von Mai 2023 bis April 2024 soll dann jeden Monat eine ebenfalls steuerfreie „Inflationsausgleichssonderzahlung“ von 180 Euro fließen. Erst ab Mai 2024 gibt es dann eine tabellenwirksame Erhöhung der Brutto-Tariflöhne um 340 Euro. Die ver.di Verhandlungsführung spricht zwar davon, dass es sich dabei um eine Erhöhung von 11 bis 16,1 Prozent für die unteren drei Entgeltgruppen handelt, die 90 Prozent der Belegschaft ausmachen. Durch die Streckung über zwei Jahre handelt es sich damit aber um weniger als die Hälfte der ursprünglichen Forderung – damit bleibt die tabellenwirksame Erhöhung unter der Inflationsrate. Dazu kommt, dass völlig ungewiss ist, wie sich die Inflation in den nächsten zwei Jahren entwickelt. Sollte sie weiter ansteigen, hätten die Post-Beschäftigten trotzdem erst 2025 wieder die Möglichkeit, für Lohnerhöhungen zu kämpfen.
Die ursprünglichen Forderungen von ver.di sind mehr als angemessen, gerade angesichts der Rekordgewinne der Post in den letzten Jahren. Die Beschäftigten verlangen zu Recht eine Lohnerhöhung, die nicht von der Inflation gefressen wird. Zusteller:innen verdienen bei der Post laut ver.di bei 2108 bis 3090 brutto im Monat, wofür ein Vorstand der Post nur zwei Tage braucht. Im vergangenen Jahr hat die Deutsche Post einen Rekordumsatz von 94,4 Mrd. Euro eingefahren und einen Gewinn von 8,4 Mrd. Euro erzielt. Außerdem hat die Konzernspitze angekündigt, die Dividende für die Aktionär:innen zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund ist das Tarifangebot der Post eine Frechheit gegenüber den Beschäftigten, die diese Rekordergebnisse erarbeitet haben. Gleichzeitig droht die Post offen weitere Ausgliederungen vorzunehmen, wenn ver.di nicht von der 15 Prozent Forderung abrückt. Das ist skandalös!
Die Post versucht seit Jahren, mit Hilfe von Subunternehmen die Tarifbindung zu umgehen. Gleichzeitig hält der deutsche Staat 21 Prozent der Aktien der Deutschen Post. Somit profitiert der in Form der gestiegenen Dividenden von den arbeiter:innenfeindlichen Maßnahmen des Unternehmens. Außerdem geht die Regierung mit dem Einfluss, den sie durch die Beteiligung hat, nicht gegen die schlechten Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhne vor. Die Ampel-Regierung hat scheinbar kein Problem, von der Aushöhlung des Tarifrechts und Lohndumping zu profitieren.
Branchenübergreifende Streiks vorbereiten!
Ein Abschluss bei der Post setzt auch ein Beispiel für die Kolleg:innen im Öffentlichen Dienst. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir als ver.di-Kolleg:innen uns bei einem Arbeitskampf mit so viel Ausstrahlung nicht auf halbgare Kompromisse einlassen. Schließlich haben die Post-Beschäftigten ihre Streikbereitschaft mehr als deutlich gemacht.
Bei Streikkundgebungen im öffentlichen Dienst gab es immer wieder Solidarisierungen mit den Kolleg:innen der Post. In Berlin hatten Tarifdelegierte in Versammlungen beschlossen, gemeinsame Streiks von TvÖD und Post abzhalten. Im Verkehrswesen zeigt ver.di, dass dies durchaus möglich ist: Für den 27. März ruft sie gemeinsam mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zu einem landesweiten Transportstreik auf: Nah- und Fernverkehr, Flughäfen und die Autobahngesellschaft des Bundes werden in den Ausstand treten.
Sollten Post und Logistik, das Verkehrswesen, der öffentliche Dienst sowie die ebenfalls im Arbeitskampf stehenden Lehrkräfte in Berlin gemeinsam in den Streik treten, könnten die vollen Forderungen über Inflationsausgleich für alle Branchen leichter erkämpft werden. Stattdessen setzt die ver.di-Führung darauf, die Streiks getrennt voneinander zu halten. Wenn der Post-Streik jetzt abgebrochen wird, wäre großes Potenzial verschenkt.
Statt einen voreiligen Kompromiss bei Verhandlungen vorzulegen, sollte die ver.di Tarifkommission und Bundesvorstand dem Votum ihrer Mitglieder folgen und in den Erzwingungsstreik gehen. Die geforderten 15 Prozent sollten so durchgesetzt werden, anstatt sich in Verhandlungen mit Angeboten abspeisen zu lassen, die einen Reallohnverlust beinhalten würden. Daher denken wir, dass das vorgelegte Angebot abgelehnt werden sollte, um anhand unbefristete Streiks das vollständige Potenzial der Streikbewegung auszuschöpfen.