Pop-Kultur 2017: Der kulturelle Boykott kommt nach Berlin

24.08.2017, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Die Partnerschaft mit der israelischen Botschaft verbreitet dem „Pop-Kultur“-Festival Kopfschmerzen: In der letzten Woche haben acht Acts aus Protest ihre Teilnahme abgesagt. Apartheids-Unterstützer*innen zeigen sich entsetzt.

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Zum dritten Mal jährt sich diese Woche das Pop-Kultur-Festival in Berlin. Und was für ein Fest! Finanziert von zahlreichen bürgerlichen Organen wie der Europäischen Union, der Bundesregierung sowie dem Berliner Senat, lockt das Festival mit Künstler*innen aus aller Welt – sogar der arabischen, weil multikulti.

Aber nicht nur staatliche Instanzen der BRD versuchen mit diesem Fest ein weltoffenes Image zu verkaufen, auch die Botschaft eines gewissen Kolonialstaates mischt mit – das Logo der israelischen Botschaft prangt auf der Homepage des Pop-Kultur. Der syrische Rapper Mohammed Abu-Hajar, der für das Festival gebucht wurde, bemerkte dies rechtzeitig und sagte seine Teilnahme mit einem kämpferischen Statement ab. Von mehreren Aktivist*innen, die im Programm des Festivals einige mit Palästina solidarische Künstler*innen bemerkt haben, wurde diese Stellungnahme aufgenommen. Sie starteten eine globale Kampagne, um die restlichen Künstler*innen darüber in Kenntnis zu setzen, dass ihr Name und Ruf für die Weißwaschung eines Apartheidsregimes missbraucht werden sollte. In den folgenden Tagen meldeten sich drei weitere Acts – die Sängerin Emel Mathlouthi, und die Bands Islam Chipsy und Hello Psychaleppo – zu Wort und sagten ihre Auftritte mit Verweis auf die Mitfinanzierung durch die Botschaft ab.

Absagen gegenüber von Israel mitfinanzierten Veranstaltungen sind in anderen Ländern mittlerweile gängig, aber in Deutschland herrschen andere Verhältnisse. Die Absagen der Künstler*innen trafen das Festival-Management sowie die deutsche Öffentlichkeit aus heiterem Himmel. Schnell erholten sie sich allerdings aus dieser anfänglichen Schockstarre und setzten prompt zum Angriff an. Glücklicherweise bestand bei allen zurückgetretenen Künstler*innen eine Gemeinsamkeit: Sie kamen aus arabischen Ländern. Die wachsame deutsche Presse schlug Alarm – der berühmt-berüchtigte arabische Antisemitismus wurde einmal wieder zum beliebten Strohmann der deutschen Bourgeoisie, mit dem sie der Argumentation auf inhaltlicher Ebene auszuweichen versuchte. Berliner Kultursenator Klaus Lederer zeigte sich entsetzt, die einst linke Tageszeitung TAZ fand ihr perfektes Titelblatt und die CDU propagierte erneut für einen Antisemitismusbeauftragten.

Was danach passierte, ließ sich mit dem Weltbild der Befürworter*innen des Dialogs mit kolonialen Besatzerstaaten nicht mehr in Einklang bringen: zwei Absagen aus Großbritannien ohne arabischen Hintergrund. Obendrein stammten diese von feministischen Frauen of Color. Ihren Absagen folgten zahlreiche Stellungnahmen von linken jüdischen Organisationen weltweit, die sich mit den Künstler*innen solidarisierten und das Festival dazu aufforderten, die Kollaboration mit dem israelischen Staat zu beenden. Diese jüngsten Absagen und Stellungnahmen, wie auch die siebte Absage der finnische Band Oranssi Pazuzu oder die achte der schottischen Hip-Hop-Gruppe Young Fathers fanden kaum Widerhall in der deutschen Presse. Damit lässt sich schließlich schwer rassistische Hetze gegen Araber*innen betreiben.

Jene Hetze ging auch nicht spurenlos an den Künstler*innen vorüber: Seit dem Start der Boykottkampagne wird der Rapper Abu Hajar online von Apartheidsbefürworter*innen drangsaliert. Darunter bedienen sich die Angreifer*innen auch eines rassistischen Vokabulars oder wünschen dem aus Syrien geflüchteten Rapper die Abschiebung.

Diese Rassismus fördernde Methodik macht einmal mehr deutlich, wie der Überbau der deutschen Gesellschaft, bestehend aus Presse, kulturellen Institutionen und Regierung, seine Kräfte bündelt, um die mit dem Kolonialregime Israel geteilten Interessen zu verteidigen. Auf diesem Schlachtfeld wird der Begriff der Kultur zu einer wichtigen Waffe. Die deutsche Staatsräson versucht auf den Multikulti-Zug aufzuspringen, gerät dabei aber anscheinend unter die Räder.

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