Polizeigewalt in Paris: „Wir werden dich vergewaltigen, wir werden dich und deine Kolleg*innen auslöschen“
"Gestern bin ich von der Polizei kontrolliert worden." Dieser anonyme Erfahrungsbericht über selbst erlebte Polizeigewalt wurde seit seiner Erstveröffentlichung auf RevolutionPermanente.fr Zehntausende Male gelesen.
Am Abend verließ ich einen Vorortbahnhof mit einer Freundin. Am Drehkreuz hört man Geschrei. Kein gewöhnliches Schreien, sondern ein intensives Schreien vor Schmerz und man versteht sofort, dass da was passiert. Wie alle anderen Umstehenden, ist auch mein Blick von dem gefesselt, was sich da zu unserer Linken abspielt. Einer schwarzen Frau, um die 50 Jahre alt, werden Handschellen angelegt. Es ist sie, die schreit, dass die Handschellen ihr die Hände zerquetschen und dass sie nicht mehr kann. Zwischen ihr und der kleinen Menschenansammlung, die sich gebildet hat, sind um die 30 Polizist*innen, die noch dazu einen Polizeihund haben.
Die Leute sind besorgt, die Stimmung ist sehr angespannt. Alle fragen sich, was passiert: Warum foltern sie diese Frau mitten auf der Straße? Die Szene ist wirklich prägend, sie ähnelt der nach dem Mord an Adama Troaré oder den Bildern aus den Vereinigten Staaten: Eine Reihe Polizist*innen steht einer anderen Reihe aus Anwohner*innen gegenüber. Letztere, das ist klar, haben überhaupt kein Vertrauen. Ein Mann erzählt, dass sein Bruder grundlos festgenommen wurde, er in Gewahrsam genommen und dann verletzt wurde. Die Polizist*innen sagen uns, dass sie uns „brechen“ wollen.
Ich hatte Angst um das Opfer dieser Festnahme, Angst vor dieser rassistischen Szene, ich dachte, die Polizei würde völlig außer Kontrolle geraten. Ich nahm mein Handy heraus, um zu filmen, ich sagte mir, ich könnte die Dinge einfangen und das Niveau der Straflosigkeit senken. Aber das hat nicht länger als eine Minute gedauert. Einer der Bullen fasst mich an der linken Schulter und dreht mich um: „Du da, mit dir machen wir eine Identitätskontrolle.“ Ich frage warum, er entreißt mir mein Handy. Ich sage ihm, dass er ohne Durchsuchungsanordnung nicht das Recht habe, mein Handy zu untersuchen.
Aber dann geht alles sehr schnell: Nachdem sie es geschafft haben, mich auf ihre Seite hinter die Polizeikette zu ziehen, setzten sie sich zu zweit auf mich und machen mir eine Schelle an jede Hand. Ein wahnsinniger Schmerz durchzieht meine Gelenke. Meine beiden Arme sind am Rücken festgebunden, die zwei Typen, in diesen Positionen, die sie gelernt haben, nehmen ihre ganze Kraft, um mich gegen dem Boden zu drücken. Mehrmals ziehen sie mich ein bisschen zurück, dann werfen sie mich wieder auf den Boden, damit ich mich stoße. Zuerst dachte ich, dass es darum ginge, mich einzuschüchtern und auf Abstand zu halten. Aber sie geben nicht nach. Mein Atem stockt und ich protestiere nicht mehr, ich denke, dass sie mich mitnehmen wollen wegen „Beleidigung“ oder „Widerstand“ und dass sie dabei sind, Beweise zu schaffen.
Das Schlimmste war in Wirklichkeit nicht der Schmerz. Die beiden Bullen auf mir sind überaufgeregt. Und sie lassen sich gehen. Glatze und blitzende Augen, ich kann mir kaum vorstellen, dass die Szene reell ist. „Wir werden dich töten, du bist tot, wir machen dich fertig, ich töte dich in zehn Minuten auf dem Platz.“ Nach und nach weiten sich die Knorpel unter dem Druck aus, sie drücken meine Handgelenke wieder in den Rücken und erhöhen den Druck nochmal. Der linke legt seine Hand auf meinen Po. „Hast du geglaubt, dass du mit der Polizei spielen könntest? Schau, wie wir mit dir spielen werden.“ Er gibt mir einen ersten Knietritt. „Wir werden dich vergewaltigen, gefällt dir das? Ich werde dich vergewaltigen und danach werden wir sehen, ob du die Polizei nochmal filmst!“
Es geht weiter. „Du unterstützt den IS, stimmt’s?“ „Wenn sie kommen, was machst du dann?“ „Bläst du ihnen einen?“ „Man sollte nicht weinen und glauben, dass wir dich beschützen.“ Mir wurde erst später klar, dass sie über den IS sprachen, um ihr Vorgehen gegenüber einer rassistisch diskriminierten Frau, die ihre Monatskarte vergessen hatte, zu rechtfertigen.
Sie öffnen meine Tasche und meine Brieftasche und leeren sie auf meinem Rücken aus. Sie nehmen mir meine Kippen und sagen mir, ich solle mich darauf setzen. Sie finden meinen Ausweis als prekäre Lehrkraft an der Uni. „Du bist Lehrer? Wenn der Islamische Staat an die Sorbonne kommt, wirst du sie anschauen und dir einen runter holen?“ Der linke sagt: „Schau mich an, dreckiger Schwuler. Dreckige Schlampe. Du wohnst dort, oder (er deutet auf das Gebäude, in dem ich wohne)? Ich werde zu dir kommen, eine Maske aufsetzen und dich vergewaltigen.“ Ich bin wirklich völlig sprachlos, ich glaube, er hat dieselben Bedrohungen an die zwanzig Mal wiederholt. Ich habe mit politisierten Bullen zu tun, mit Bullen des dauerhaften Notstandes, die sich wie in einem Krieg gegen den IS benehmen, einen IS, den sie in jeder rassistisch diskriminierten Person erkennen und mit denen ich paktiert habe, indem ich mich solidarisch gezeigt habe.
Jetzt wird es noch eine Stufe schlimmer. „Jetzt werden wir dir ein paar Schläge mit dem Taser verpassen, du wirst sehen, wie sehr das sticht.“ Und, immer noch der linke, jagt mir eine Ladung in den Arm. Ich zucke zusammen und zittere. Ich versuche es nicht zu zeigen, ich sage nichts, ich denke daran, dass die Situation jetzt völlig eskalieren könnte. Dass sie mir noch eine Schelle anlegen oder dass sie mich mit ihrem Schlagstock verdreschen werden und dann mitnehmen. „Du wirst sterben.“ „Ich werde dich in den Arsch ficken.“ Immer noch mit Berührungen. Und immer noch der Schmerz im Arm, in den Schultern, im Rücken, ich denke, dass ich mich darauf einstellen muss, dass meine Gelenke nachgeben.
Hinten höre ich die Freundin, mit der ich gekommen bin, die schreit, dass sie mich loslassen sollen. Ich würde ihr gerne sagen, dass sie es bleiben lassen soll. Ich habe ein mulmiges Gefühl im Bauch: Was machen diese Schwachsinnigen, wenn sie mich erst festgenommen haben? Aber in der Zwischenzeit hat sich vielleicht die Menschenansammlung vergrößert und die Gruppe von Polizist*innen müsste wissen, dass diese Situation nicht unendlich andauern kann. Der, der mir den rechten Arm verdreht, sagt mir: „Wir müssen die Frau mitnehmen und sie wegen Widerstandes anzeigen.“
Ich höre, dass sie untereinander diskutieren. Einer der beiden lässt meinen Arm los und sagt mir: „Du schaust den Boden an, du bewegst dich nicht, wenn doch, dann machen wir dir den Schädel auf.“ Ich bewege mich nicht. „Wir werden zur Sorbonne kommen und euch vernichten, dich und deine Kolleg*innen, dreckige Linke.“ Dann drehen sie mich um und ich befinde mich vor den hervorstechenden Augen des Polizisten, der meinen linken Arm hielt. „Du bist im öffentlichen Dienst, dreckiger Bastard? Du wirst einen gesalzenen Bericht bekommen, deinen Titel kannst du vergessen.“ Ich sage nichts. Sie stützen sich auf meine Brust. „Jetzt entschlüsselst du dein Handy und löschst das Video.“ Ich leiste dem Folge und sage mir, dass es in meinem Kopf ist, was gerade passiert ist und nicht auf den Bildern der statischen Menschenansammlung. Er nimmt mir das Handy weg, öffnet das Fotodossier und schaut sich alles an.
Dann plötzlich, kümmert sich der Rest ihrer Gruppe um die Anwohner*innen, die sich angesammelt haben. Es geht schnell und äußerst gewalttätig. Ich sehe ihren Hund, wie er sich in die Leute wirft und ihre Pfefferspraydosen und ihre Schlagstöcke. Alle fliehen in Panik, darunter auch die älteren Leute. Die beiden Polizist*innen, die mich angegriffen haben, werfen mir meine Brieftasche und deren Inhalt hin und rennen weg. Ich habe Angst um meine Freundin, ich sehe sie nicht. Aber ich sehe sie schließlich, sie kommt zurück und hatte es geschafft zu entkommen. Jetzt nichts wie nach Hause, den Bauch voll Wut und den Oberkörper voller Schmerz und steif. Ich sage mir, dass diese rassistische Polizei noch viel weiter gegangen wäre, wenn ich selbst rassistisch diskriminiert würde. Ein Mann erzählt uns, dass das so seit dem Morgen in der ganzen Stadt sei. „Ihr seht, wir machen nichts, aber sie verdreschen die Leute zufällig, um Probleme zu verursachen.“ Wir bestärken uns gegenseitig, sprechen uns Mut zu. Das braucht es auch, aber daran fehlte es auch nicht.
Auf dem Heimweg denke ich an ein Lied von D’ de Kabal, das genau dieselbe Geschichte erzählt: