Polizeigewalt gegen LGBTI*-Menschen

01.07.2016, Lesezeit 6 Min.
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LGBTI*-Menschen leiden in einer heterosexistischen Gesellschaft unter einer besonderen Form von Unterdrückung. Dass diese auch durch den Prügelapparat des Staates ausgeführt wird, ist eine nahe liegende Annahme, jedoch lassen sich zu Polizeigewalt gegen LGBTI* wenig offizielle Daten und Statistiken finden.

Doch warum leiden Frauen* und LGBTI* besonders unter Polizeigewalt? LGBTI* verstoßen gegen das bürgerliche Familienbild und sind durch ihre Existenz eine Kampfansage an die kostenlose Reproduktionsarbeit. Sexismus gegen LGBTI* nützt dem Kapital, um nicht für Reproduktion zahlen zu müssen. Polizeigewalt ist nur der Ausdruck dieser Ideologie.

Alle Menschen, die keine hetero cis-Männer sind, werden vom Patriarchat unterdrückt. Sie gelten als schwach oder falsch. Die Institution Polizei ist darauf ausgelegt den bürgerlichen, patriarchalischen Staat mit allen Mitteln zu schützen. Auch sexualisierte Gewalt bei Polizeikontrollen/Festnahmen etc. trifft vor allem Frauen* und LGBTI*. Doch es sind nicht nur einzelne Situationen, in denen Frauen* und LGBTI* unterdrückt werden. Die gesamte Gesellschaft funktioniert nach diesem patriarchalischen Prinzip. Zu erkennen ist das schon in der ökonomischen Stellung von Frauen* und LGBTI*.

Sie leiden immer noch unter Lohndiskriminierung – Frauen* in Deutschland verdienen im Schnitt immer noch 21 Prozent weniger Lohn als Männer – und rutschen so viel öfter in unsichere Lebens- und Arbeitsverhältnisse, die leider oft ihre Existenz bedrohen. Nach offiziellen Zahlen von 2011 befinden sich beispielsweise ein Viertel aller schwulen Jugendlichen in den USA in Obdachlosigkeit. Auch der Anteil an LGBTI*-Menschen, die aus osteuropäischen Staaten nach Deutschland fliehen und hier letztlich auf der Straße landen ist erschreckend hoch.

Geflüchtete LGBTI*-Menschen

Im Fall geflüchteter LGBTI*-Menschen, die in Lagern untergebracht sind, herrscht Ablehnung und Verachtung ihnen gegenüber. Das Wachpersonal und weitere Geflüchtete hetzen gegen sie. Es gibt keine eigenen Schutzräume, sie sind ausgeliefert an die Willkür des Wachpersonals und der Heimleiter*innen. Bisher wird nur vereinzelt anerkannt, dass geflüchtete LGBTI*-Menschen besonderen Schutz benötigen. So gibt es in Berlin bereits mehrere Unterkünfte, beispielsweise in Treptow, wo bis zu 130 Menschen Platz finden. Betrieben wird die Unterkunft durch die Schwulenberatung Berlin. Ähnliche Bestrebungen gibt es auch in Nürnberg. Doch diese Versuche sind angesichts von knapp 3.500 LGBTI*-Geflüchteten allein in Berlin nur Tropfen auf dem heißen Stein.

Inwiefern ist die Polizei für Gewalt gegen LGBTI* verantwortlich?

Die Polizei führt die staatliche Gewalt aus. In sehr vielen Ländern wird jegliche Form der Sexualität, die von der heterosexuellen Norm abweicht, kriminalisiert und illegalisiert. Oft sind Polizist*innen selbst homophob, was zu einer Marginalisierung von LGBTI*-Belangen führt. Erst dieses Jahr wurden Gegendemonstrant*innen gegen die homophobe „Demo für alle“ in Stuttgart von der Polizei attackiert, wobei es bis zu 100 Verletzte gab. Ein Plakat der Jungen Nationalen (JN, der Jugendorganisation der rassistischen AfD), auf dem groß „#NOHOMO“ prangte, interessierte die Polizei wenig. Auch der reaktionäre „Marsch für das Leben“ in Berlin wird jährlich von der Polizei durchgeprügelt.

Rolle der Polizei in einer heterosexistischen Gesellschaft

LGBTI* werden oft nicht gegen Gewalt geschützt. Die Institution Polizei ist zwar meist nicht direkt für diese Gewalt verantwortlich, da der Grund nicht nur bei ihr liegt; doch nimmt sie die Funktion, die ihr vom Staat zugewiesen wird, letztlich an und setzt die Gewalt durch.

Die Polizei führt die heterosexistische Norm aus, die unter anderem in Gesetzen verankert ist. Noch immer sind beispielsweise Beziehungen, die nicht der Heteronorm entsprechen, heterosexuellen nicht gleichgestellt. Sie dürfen nicht heiraten, Adoptionen sind massiv erschwert und im Alltag kommen dann zu allem Überfluss noch dumme Kommentare, wie: „Wer ist bei euch die Frau?“. Die Polizei verteidigt diese Verhältnisse, die das Patriarchat und die bürgerliche Familie stützen. Außerdem sorgt die Polizei dafür, dass LGBTI*-Menschen sich nicht sicher fühlen können, aus Angst vor Schikane seitens Polizist*innen etc., und schwächt so die Kampfkraft von LGBTI*.

Die Polizei trägt mindestens so viele Vorurteile wie der Durchschnitt der Gesellschaft in sich. Dazu kommt der Männlichkeitskult in Verbindung mit einer Machtposition.

Verfolgung von Gewalttaten gegen LGBTI*

Oft werden Gewalttaten gegen LGBTI* gar nicht als solche wahrgenommen, da nicht immer offenkundig ist, dass ein Angriff einen heterosexistischen Hintergrund hat. Selten verfolgt die Polizei ihre eigenen Gewalttaten. Es gibt keine unabhängige Verfolgung, wenn Gewalt gegen LGBTI* von Polizist*innen ausgeübt wurde. Eine Verfolgung von Gewalttaten gegen LGBTI* entspricht dem Zweck des Patriarchats nicht – und auch nicht dem Zweck des Staates. So soll die Polizei den Staat als Instrument der herrschenden Klasse doch schützen und nicht sich selbst zerfleischen. Der Wille der Staatsanwaltschaft solche Straftaten zu verfolgen hält sich demnach auch in Grenzen.

Ganz im Gegenteil: Schon bei offensichtlichen Gewalttaten gegen Frauen* offenbart sich immer wieder der Charakter bürgerlicher Justiz. Opfer von Vergewaltigungen landen am Ende sogar selbst noch vor Gericht, weil sie versuchen strafrechtlich gegen die Täter vorzugehen. Ganz aktuell zeigt das der Fall von Gina-Lisa Lohfink, die sich vor Gericht verantworten muss, weil sie sich gegen ihre Vergewaltiger wehren will. Dieser Zynismus ist aber kein Zufall. Er liegt im Interesse des Staates und das Strafgesetzbuch schweigt ebenfalls weitgehend dazu.

An Orten, wo LGBTI* illegalisiert werden, werden sie oft staatlich verfolgt und gefoltert. „Abweichende“ Sexualität wird nicht ernst genommen und die darauf basierende Diskriminierung nicht verfolgt. Auch sexualisierte Gewalt in Beziehungen wird oft nicht geahndet. LGBTI*-Menschen werden täglich diskriminiert. An tätlichen Angriffen wird ihnen die Schuld gegeben. Anstatt die Täter*innen zu verurteilen, wird gefragt „Warum mussten die sich denn auch in der Öffentlichkeit küssen?“ oder „Warum trägt er denn auch einen Rock?“ Den meisten Menschen fehlt scheinbar die Erkenntnis, dass sich Menschen lieben. Sowohl gegenseitig als auch sich selbst. Und dass es für viele von uns schwer ist, unser Leben so zu leben, wie wir das möchten. Wir können uns nicht auf den Staat verlassen – sein Prügeltrupp lässt uns das immer wieder spüren.

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