Politische Krise in den USA: Republikanischer Zank und demokratische Einheit unter reaktionären Vorzeichen

06.01.2023, Lesezeit 8 Min.
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Bild: Shirley Preston / shutterstock.com

Wenige Wochen nach den Midterms in den USA haben die Republikaner:innen Schwierigkeiten, einen Vorsitzenden im Repräsentantenhaus zu wählen. Der rechte Flügel der Fraktion blockiert die Wahl des Opportunisten McCarthy. Die Demokrat:innen demonstrieren derweil Geschlossenheit hinter einem stramm antisozialistischen Kandidaten. Die Arbeiter:innenklasse der USA braucht eine eigene Partei.

Die Wahl des Sprechers des US-Repräsentantenhauses in den USA war von erheblichen Erschütterungen geprägt. In drei aufeinanderfolgenden Wahlgängen wurde die Wahl des Kandidaten der Republikaner:innen, Kevin McCarthy am Dienstag von etwa 20 trumpistischen Abgeordneten verhindert. Aufgrund der Mehrheit der Partei in diesem Haus (222 von 435 Sitzen) und weil Trump selbst dazu aufgerufen hatte, für McCarthy zu stimmen, galt dessen Sieg als sicher. Statt der 218 Stimmen, die dieser dafür benötigte, erhielt er in den ersten beiden Wahlgängen nur 203 Stimmen. Im dritten Wahlgang verlor er die Unterstützung der 20 sogenannten Abtrünnigen. Bis diesen Freitag sind elf solche Anläufe, ihn zum Sprecher zu wählen, gescheitert.

Diese 20 Abgeordneten, die hauptsächlich dem sogenannten “Freedom Caucus” angehören, hatten sich zuvor gegen McCarthy ausgesprochen, mit der Begründung, von ihm keinen hinreichend harten Konfrontationskurs gegenüber den Demokrat:innen erwarten zu können. In den letzten zwei Tagen hatten sich drei weitere republikanische Kandidaten vorgestellt, von denen keiner mehr als 25 Stimmen erhielt. In Wirklichkeit geht es der kleinen Gruppe von radikal rechten Blockierern darum, zu zeigen, dass sie durch die äußerst knappe Mehrheit ihrer Partei im Repräsentantenhaus in der Lage sind, einen beträchtlichen Druck auf die Mehrheit ihrer Fraktion auszuüben.

Um ihre Gunst zu gewinnen, hatte McCarthy in mehreren Punkten Zugeständnisse gemacht: Die erleichterte Entlassung von Bundesangestellten, die erleichterte Abwahl des Sprechers des Repräsentantenhauses und eine vereinfachte Finanzierung von Bundesbehörden. Bei den internen Verhandlungen der Republikaner:innen sollen die trumpistsichen Abgeordneten gerade dabei sein, sich von McCarthy ein Vetorecht einräumen zu lassen, das es einem einzelnen Abgeordneten ermöglicht, die Absetzung des Sprechers zu fordern. Dadurch könnte die interne Oppositionsfraktion eine mächtige Kontrolle über ihn ausüben.

Eine solche Blockadesituation hatte es seit 100 Jahren nicht mehr gegeben. Vor dem Hintergrund, dass die Wahl des Sprechers des Repräsentantenhauses normalerweise eine Formalität darstellt, ist sie umso ungewöhnlicher. Jetzt wird die Funktionsfähigkeit des Repräsentantenhauses behindert und die Parlamentskammer kann nicht tagen. Es ist jedoch noch offen, ob der Kampf gegen McCarthy erfolgreich sein wird oder nicht. Es gibt eine breite Palette an möglichen Szenarien, die von einem Sieg McCarthys über einen neuen republikanischen Konsenskandidaten bis hin zu einer kleinen Zahl gemäßigter Republikaner reichen, die den demokratischen Kandidaten für das Amt des Sprechers unterstützen. Doch selbst wenn McCarthy einen Sieg erringen sollte, ist er angesichts dieses Präzedenzfalls erheblich geschwächt und wird es schwer haben, die Partei im Repräsentantenhaus zu führen.

Wenige Wochen nach den midterms (Zwischenwahlen) verdeutlicht die Situation die Krise, in der sich die Republikanische Partei befindet. Der extrem rechte Flügel der Partei mit Aushängeschildern wie Matt Gaetz und Lauren Boebert weigert sich, sich auf die Seite des republikanischen “Establishments” zu stellen, obwohl Trump sie dazu auffordert. Dieser Flügel nutzt momentan seine wenigen gewählten Vertreter:innen, um die knappe Mehrheit ihrer Partei in der Kammer als Druckmittel einzusetzen und sich einen Platz auf der politischen Bühne zu sichern.

Auf der anderen Seite bekräftigen die Demokrat:innen hingegen ihre Unterstützung für ihren neuen Anführer Hakeem Jeffries – und zwar einstimmig. Das bedeutet, dass jedes einzelne Mitglied des Gremiums, von denen viele DSA-Mitglieder und selbsternannte Sozialist:innen sind, für Jeffries stimmte. Dieser hatte in der Vergangenheit erklärt, dass es niemals einen Moment geben werde, in dem er vor dem demokratischen Sozialismus von Linksaußen in die Knie gehe. Es scheint, als sei der interne Krieg zwischen dem „demokratisch-sozialistischen“ Flügel der DSA und dem Flügel von Nancy Pelosi erloschen, da der linke Flügel vor dem rechten völlig kapituliert hat.

Während die US-amerikanischen Arbeiter:innen ihre Hoffnungen selbstverständlich nicht auf die Republikaner:innen noch auf den rechten Flügel der Demokrat:innen setzen darf, wird zusehends auch deutlich, dass auch der linke Demokrat:innen-Flügel mitsamt dem sogenannten Squad (sechs Repräsentant:innen of Color) nicht willens oder imstande ist, ihren Interessen politischen Ausdruck zu verleihen. Sie stimmten bisher für die Finanzierung des Militärs, für die militärische Unterstützung Israels, mehr Geld für die Polizei, den Abbruch von Streiks und nun auch für einen ausdrücklich antisozialistischen Sprecher des Repräsentantenhauses.

Das sind die Kandidat:innen, von denen man glauben soll, dass sie für den Sozialismus kämpfen werden. Das sind die Politiker:innen, von denen man sagt, sie seien der einzig pragmatische Weg, um Veränderungen zu erreichen. Das sind die Held:innen des US-amerikanischen Reformismus. Anstatt ihnen weiter zu vertrauen, müssen die Arbeiter:innen der USA diesen Moment der vertieften organischen Krise jedoch nutzen, um auf die Notwendigkeit hinzuweisen, dass die Arbeiter:innenklasse und die Unterdrückten die Kontrolle über ihre eigenen politischen Kräfte und Aktionen übernehmen und Institutionen der Selbstorganisation schaffen. Eine dieser Institutionen ist eine unabhängige Partei der Arbeiter:innenklasse und der Unterdrückten.

Eine Partei der Arbeiter:innenklasse, insbesondere eine mit einem sozialistischen Programm, muss in einem breiteren Sinne verstanden werden. Das heißt, dass bürgerliche Wahlen sie nicht begrenzen. Es ist eine Partei, die von der Prämisse ausgeht, dass die durch den Kapitalismus verursachten sozialen und wirtschaftlichen Missstände nur durch seine Abschaffung beseitigt werden können. Das bedeutet, dass die Aufstellung unabhängiger, sozialistischer Kandidat:innen aus der Arbeiter:innenklasse und der Unterdrückten eine Taktik einer solchen Partei ist. So können die tatsächlichen Bedürfnisse der Arbeiter:innenklasse und der Unterdrückten unmissverständlich und kompromisslos zur Sprache gebracht werden. So kann aufgezeigt werden, dass kapitalistische Institutionen wie der Kongress nicht die Waffen sein können, die zur Beendigung der kapitalistischen Ausbeutung und der Zerstörung des Planeten führen. Eine solche Partei würde Streiks und Massenmobilisierungen als Methoden hervorheben, die die Arbeiter:innenklasse und die Unterdrückten einsetzen müssen, um ihre Macht über und gegen die Kapitalist:innenklasse erfolgreich zum Ausdruck zu bringen. Diese Partei würde auch die Notwendigkeit einer sozialistischen Revolution zum Sturz des Kapitalismus als einzigen gangbaren Ausweg aus der Krise, die uns bevorsteht und sogar die Existenz des Planeten bedroht, deutlich machen.

Eine Partei der Arbeiter:innenklasse würde sich auch strategisch auf den Aufbau anderer Institutionen der Selbstorganisation der Arbeiter:innenklasse und der Unterdrückten konzentrieren, wie zum Beispiel Gewerkschaften, sozialistisch-feministische Organisationen wie Bread and Roses (Brot und Rosen) und Gruppierungen gegen Rassismus und Polizeigewalt wie Detroit Will Breathe. Im Gegensatz zu sozialdemokratischen Parteien, deren oberstes Ziel es ist, den Kapitalismus zu reformieren, also nicht zu beenden, würde eine Partei der Arbeiter:innenklasse für die politische Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse und der Unterdrückten kämpfen. Das bedeutet, sowohl mit der republikanischen als auch mit der demokratischen Partei zu brechen, ebenso wie mit der Bürokratie der Gewerkschaften und der sozialen Bewegungen, die Anordnungen dieser kapitalistischen Parteien befolgen. Natürlich bedeutet dies auch einen Bruch mit dem Chauvinismus der US-Kapitalist:innenen, sodass diese neue Partei ein starkes antiimperialistisches und internationalistisches Profil annehmen muss. Dies mag wie eine gewaltige Aufgabe erscheinen, aber die Linke war seit über 40 Jahren nicht mehr in einer besseren Position, um für eine solche Partei zu werben und für die politische Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse und der Unterdrückten zu kämpfen. Die sozialistische Onlinezeitung LeftVoice ist Teil unseres internationalen Zeitungsnetzwerks und wirbt in den USA für dieses Programm. Unsere Genoss:innen kämpfen somit darum, einen politischen Anziehungspunkt für die fortschrittlichsten Sektoren der US-amerikanischen Arbeiter:innenklasse und Unterdrückten darzustellen.

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