Politische Exmatrikulation auch in Bayern: Angriff auf linke und palästinasolidarische Studierende
Nach dem Berliner Senat versuchen nun auch CSU und Freie Wähler in Bayern, die Exmatrikulation aus politischen Gründen im Hochschulgesetz festzuschreiben.
Bereits im Februar dieses Jahres wurde das Vorhaben des Berliner Senats bekannt, eine Verschärfung des Berliner Hochschulgesetzes vorzunehmen. Ziel ist es, die Exmatrikulation als Ordnungsmaßnahme wieder einzuführen, welche erst 2021 durch die damalige rot-rot-grüne Landesregierung abgeschafft worden ist. Legitimiert wird das Vorhaben, das vom Senat bereits beschlossen wurde, unter dem Deckmantel des „Opferschutzes“. Im vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Berliner Hochschulgesetzes wird auf „gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Studierenden“ im Kontext des sogenannten Nahostkonflikts verwiesen.
Tatsächlich aber verbirgt sich dahinter primär ein Werkzeug zur gezielten Bestrafung und Einschüchterung von Studierenden aus politischen Gründen. Politischer Aktivismus von Studierenden an ihren Universitäten wäre damit recht einfach zu unterdrücken. Mit der studentischen Kampagne „Hands off Student Rights“, die bereits zwei Kundgebungen veranstaltete, formierte sich zügig Widerstand gegen den Gesetzentwurf. Auch Studierendenvertretungen, Gewerkschaften und sogar Universitätsleitungen sprachen sich gegen die Änderung aus. Anfang Mai verabschiedete das Studierendenparlament der FU Berlin eine Resolution gegen das geplante Exmatrikulationsgesetz.
Was in Berlin bereits auf den Weg gebracht ist, soll auch in Bayern – ginge es nach CSU und FW – Realität werden. Einen entsprechenden Antrag, der auf den ehemaligen bayerischen Justizminister Winfried Bausback (CSU) zurückgeht, wurde am Mittwoch vom Wissenschaftsausschuss des bayerischen Landtages einstimmig angenommen. Gefordert wird, „Anpassungen im Hochschulinnovationsgesetz vorzunehmen, um den Hochschulen in der Verfolgung antisemitischer, extremistischer und rassistischer Gewalt zusätzliche Möglichkeiten an die Hand zu geben.“ Als Begründung dient ein Vorfall aus Berlin, bei dem ein jüdischer Student angegriffen wurde, wobei sich die den Antrag unterstützenden Politiker:innen auf Presseberichte beziehen. Zwar müssen sie zugeben, dass es vergleichbare Fälle in Bayern bisher nicht gegeben hat. Dennoch nehme die gesellschaftliche Polarisierung zu: „Es ist mit der Freiheit von Wissenschaft und den Grundrechten der Mitglieder einer Hochschule nicht vereinbar, wenn für Einzelne Anlass zur Angst vor antisemitischer oder extremistischer Gewalt seitens Kommilitonen oder anderen Mitgliedern der Hochschule besteht.“ Der Einbezug von rassistischer Gewalt fällt demnach im gleichen Antrag nur wenige Zeilen später schon wieder weg, wodurch deutlich wird, worum es CSU und FW eigentlich geht. Insofern es als deutsche Staatsräson gilt, jegliche Kritik am Staat Israel als antisemitisch zu brandmarken, geht es auch bei diesem Gesetzentwurf letztlich um die Unterdrückung von studentischem Protest gegen den Genozid in Gaza.
Laut Bausback müsse die geplante Regelung über eine frühere aus den 1990er-Jahren hinausgehen, da diese eine rechtskräftige Verurteilung zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe als Voraussetzung für eine Exmatrikulation vorsah. Im Antrag wird weiterhin betont, dass viele bayerische Hochschulen die Exmatrikulation als letzte Ordnungsmaßnahme bereits vorsehen. Man wolle nun allerdings eine Regelung treffen, die sich nicht von Hochschule zu Hochschule unterscheide, sondern einheitlich gelte. Als nächstes muss nun im Landtag über den Antrag beraten werden.
Gegen Angriffe von rechts auf studentischen Aktivismus und die Freiheit von Lehre und Forschung
Das Vorhaben von CSU und FW, die im bayerischen Landtag die Mehrheit haben, kann nicht isoliert von derzeitigen Entwicklungen betrachtet werden, die ebenfalls auf die Einschränkung von studentischem Aktivismus an Universitäten und die Freiheit von Lehre und Forschung abzielen. So hat die bayerische Staatsregierung bereits im Januar einen Gesetzentwurf beschlossen, der ein Kooperationsgebot von Universitäten und Hochschulen mit der Bundeswehr vorsieht. Und auch an Schulen sollen die Arbeit von Jugendoffizieren sowie Veranstaltungen zu Ausbildungs-, Berufs- und Dienstmöglichkeiten intensiviert werden. Die Einführung von Zivilklauseln, die Forschung zu militärischen Zwecken verbieten, soll hingegen untersagt werden. Darüber hinaus trat im April das Genderverbot an staatlichen Einrichtungen in Bayern in Kraft. Gemeinsam haben die Gesetzentwürfe, Anträge und Verbote eine Disziplinierung sämtlicher Lebensbereiche, die in Zusammenhang mit den Bestrebungen von Regierung und Kapital stehen, die Gesellschaft „kriegstüchtig“ zu machen. Während in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales gespart wird, schreiten Aufrüstung, Militarisierung und Rechtsruck kontinuierlich voran.
Studierende und Beschäftigte müssen sich gemeinsam diesen Angriffen entgegenstellen. Weiterhin ist es Aufgabe der Gewerkschaften, gegen das Kooperationsgebot sowie die Exmatrikulation als Bestrafung zu mobilisieren und in den betrieblichen Strukturen dagegen vorzugehen. Es braucht selbstorganisierte Versammlungen, um gemeinsam zu diskutieren, wie wirkungsvoll Widerstand aufgebaut werden kann mit dem Ziel, die Universitäten unter Kontrolle der Studierenden und Beschäftigten zu stellen. Erste Möglichkeiten für den Austausch und zur Formierung eines gemeinsamen Kampfes bietet das Palästinaprotestcamp vor dem Hauptgebäude der LMU, zu dem alle Studierenden, Uni-Beschäftigten, Arbeiter:innen und die Jugend eingeladen sind.