Podemos: Gefangen zwischen Monarchie und Republik
Im ganzen Spanischen Staat wird die Monarchie in Frage gestellt. Doch Unidos Podemos will auf zwei Hochzeiten tanzen: sich republikanisch geben und zugleich Stütze der PSOE-Regierung sein, die der Bourbonen-Monarchie treu ergeben ist. Von Ivan Vela und Federico Grom aus Barcelona.
Jene Zeiten, in denen das Königshaus beliebt war und die Seiten der Boulevardzeitschriften füllte, sind längst Vergangenheit. Das CIS (Zentrum für soziologische Untersuchungen) vermeidet deshalb seit 2015 sorgfältig, in seiner jährlichen Umfrage die Beurteilung des Staatsoberhauptes abzufragen.
Die Wirtschaftskrise, die schlimmsten Kürzungen seit Jahrzehnten und die Skandale, in die das Königshaus verwickelt ist, hatten Juan Carlos dazu veranlasst, die Krone an seinen Nachfolger Felipe abzugeben.
Das Königshaus wollte sein heruntergekommenes Image durch jüngere Gesichter wieder aufpeppen – als ob es bloß eine Generationenfrage wäre, die diese im Überfluss schwimmende Familie von der Mehrheit der Bevölkerung trennt, die nur Anstrengung, Schweiß und ganz andere materielle Existenzbedingungen kennt.
Aber es war doch nicht so einfach, auf die Titelblätter der Boulevardzeitschriften zurückzukehren, als ob nichts gewesen wäre. Das Regime von ’78 sah sich einer zu großen Hürde gegenüber.
Neben der beispiellosen Korruption der politischen Kaste im Dienste der Großbourgeoisie, die selbst an der Krone kratzte, ist und bleibt im Spanischen Staat das Selbstbestimmungsrecht Kataloniens und der Kampf von Millionen von Menschen dafür das große Problem des Regimes von ’78.
Es war die katalanische Frage, mit der Felipe VI. sein Schicksal und das des Königshauses gefährlich eng an die Zukunft des Blocks gegen die Unabhängigkeit Kataloniens verband: die neoliberale Partei Ciudadanos, die konservative Partido Popular (Nachfolge der faschistischen Falange Nacional) und die sozialdemokratische PSOE.
Das Auftreten des Königs in der katalanischen Frage war riskant. Nicht so sehr wegen der realen Gefahr des Aufruhrs und des Putsches der katalanischen Führung, die nach der Verkündung der Republik nach Hause eilte, um den Tadel abzuwarten. Sondern wegen der gewaltigen Bewegung, die das Referendum vom 1. Oktober 2017 viel weiter trieb, als ihre Führung selbst gewollt hätte.
Nachdem sich Felipe über Monate hinweg eher diskret gab (was jedoch nicht heißt, dass er weniger aktiv gewesen wäre), machte Felipe den Schritt in die Öffentlichkeit. Die Rede des Königs am 3. Oktober 2017 war eine politische Intervention, die in den Annalen der Beziehungen zwischen Katalonien und dem Spanischen Staat eingebrannt bleiben wird. An diesem Tag und nach der brutalen Repression vom 1. Oktober durch die staatlichen Repressivkräfte rechtfertigte der Monarch de facto die Anwendung der Gewalt.
Außerdem ebnete er den Weg für die übrigen antidemokratischen Offensiven, die sowohl von Seiten der Justiz als auch durch die Anwendung vom Artikel 155 durch die Exekutive von Rajoy folgten.
Dieser Verfassungsartikel sah in seiner strengsten Auslegung die Aufhebung eines oder mehrerer politischen Organe der Region und die Ernennung eines Generalgouverneurs mit außerordentlichen Befugnissen vor und verband sie mit der Verordnung von Neuwahlen. So geschah es in der Tat: Die katalanische Regierung wurde für abgesetzt erklärt, Soraya Sáenz de Santamaría wurde stattdessen an ihre Spitze gestellt und für den 21. Dezember wurden Neuwahlen ausgerufen.
Während die Anprangerung des Vorgehens der spanischen Regierung am 1. Oktober 2017 in der ganzen Welt gehört wurde, nahm Felipe VI. die verantwortliche Regierung in Schutz und unterstützte sie. Sie, die –nicht zu vergessen! – korrupteste Regierung in ganz Europa.
Es ist zu bezweifeln, ob dieser politische Wetteinsatz für ihn gewinnbringend sein wird. Möglicherweise nähert sich die Zeit, um die politischen Kosten zu bezahlen. Auf die demokratische Forderung nach Unabhängigkeit antwortete die Rajoy-Regierung sowohl vor als auch nach dem 1. Oktober nur mit Gerichtsprozessen und Repression. Gemeinsam mit PSOE, Ciudadanos, der Justiz und der Polizei bildete die Exekutive einen reaktionären Block, der alle Hüllen fallen ließ und den wahren repressiven Charakter des Regimes von ’78 und insbesondere seines Staatsoberhauptes zeigte, der in die Öffentlichkeit ging, um Millionen Menschen außerhalb des Gesetzes zu stellen.
Dieses Manöver stellte den Monarch endgültig an die Seite jenes Blockes, der keinerlei politische Veränderung im Spanischen Staat zulassen wird. Ein Block, der gegen Wahlen zur Repression greift, der Menschen für ihre abweichende Meinungsäußerungen einsperrt, ein Block im Dienste der spanischen Börse und derjenigen, die ihre Privilegien um jeden Preis und auf Kosten der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung erhalten wollen. Die Entscheidung des Königs entfernt ihn immer weiter von der Mehrheit der Bevölkerung, die seine Figur heute zunehmend in Frage stellt.
Die Stimmung hat sich gedreht: Inzwischen lehnen 39 Prozent der Bevölkerung das Handeln des Königs in der katalanischen Frage ab, laut einer von Podemos in Auftrag gegebenen Umfrage. Die gleiche Umfrage zeigt auch, dass 46 Prozent der Bevölkerung es vorziehen, in einer Republik zu leben, während nur 27 Prozent eine Monarchie bevorzugen.
Darüber hinaus zeigt die gleiche Umfrage, dass 69 Prozent der Interviewten glauben, dass die Figur von Juan Carlos I. von Korruptionsfällen befleckt ist. Ergebnis der Gleichung: Das Königshaus hat sein Image nicht reingewaschen und die öffentliche Einmischung des Königs in die katalanische Frage wird heute von einem sehr großen Teil der Bevölkerung abgelehnt.
Das Bündnis „Unidos Podemos“ hat die wachsende Unzufriedenheit zur Kenntnis genommen. Eines seiner Mitglieder, Izquierda Unida (Vereinigte Linke), hat bereits angekündigt, in allen Stadträten Missbilligungsanträge gegen die Monarchie vorlegen zu wollen – eine Maßnahme, die Podemos natürlich bereits angenommen hat. Tage zuvor hatte schon der Gemeinderat von Barcelona die Haltung des Königs in der katalanischen Frage zurückgewiesen und sich für das Ende der Monarchie ausgesprochen.
Diese institutionellen Handlungen summieren sich zu anderen Volksinitiativen, die im ganze Spanischem Staat durchgeführt werden, wie die Referenden in Vallecas, die in Vicálvaro, oder die kürzlich an der Autonomen Universität Madrid und der Universität von Zaragoza angekündigten Referenden.
Aber es drängt sich die Frage auf, in welcher Beziehung dieser neue republikanische Vorstoß (Wo war der Republikanismus während des Geldwäschevorwurfs gegen den ehemaligen König Juan Carlos I. – seine einstige Geliebte Corinna zu Sayn-Wittgenstein bezichtigte ihn der Geldwäsche – oder im Unabhängigkeitsbestreben Kataloniens?) von Izquierda Unida und Podemos mit der Unterstützung von Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE) und seiner Regierung steht.
Die PSOE ist Gründerin und Unterstützerin dieses Regimes als Teil des Zweiparteiensystems, das sie jahrzehntelang anführte. Während der letzten großen Wirtschaftskrise, aus der wir nach wie vor nicht herauskommen, setzte die PSOE Kürzungsmaßnahmen durch, rettete die Banken und bediente die Staatsschulden, anstatt in Gesundheit und Bildung zu investieren.
Die PSOE ist jene Partei, die einen Block mit der PP und das Königshaus gegen das Selbstbestimmungsrecht des katalanischen Volkes bildete, um die Anwendung des Verfassungsartikels 155 durchzusetzen und mehr als die Hälfte der Regierungsmitglieder sowie die Anführer*innen von Omnium und ANC zu verhaften.
Um tatsächlich Volksabstimmungen über die Monarchie in allen Gebieten durchzusetzen, die wirksam und verbindlich sind, kann man diesen Weg zweifellos nicht Hand in Hand mit einer der Gründerinnen des Regimes von ’78 gehen.
Beide Formationen, sowohl Podemos als auch IU, sollten die Volksinitiativen ausweiten und sie in ein wirklich verbindliches Referendum über die Monarchie verwandeln.
Die Missbilligung der Monarchie in den Rathäusern zu verlangen, liegt bereits hinter den Erfahrungen in Vallecas oder der UAM in Madrid, wo bereits selbstorganisierte Abstimmungsprozesse durchgeführt werden.
Das Regime ’78 hat bereits offenbart, dass es kein Freund demokratischer Forderungen ist, wie es kürzlich in Katalonien zeigte. Eine der Parteien dieses Regimes weiterhin zu unterstützen, bedeutet deshalb, eine bereits verlorene Schlacht zu schlagen.
Nur eine starke Mobilisierung der Massen, der Arbeiter*innenklasse in den Betrieben, der Jugend in Schulen und an den Universitäten, der Frauen wird eine Entscheidung darüber aufzwingen können, ob das Staatsoberhaupt gewählt oder per Blutsverwandschaft vererbt werden soll.
Es ist notwendig, eine Bewegung aufzubauen, die für die Entscheidung über Monarchie oder Republik kämpft, die aber zeitgleich den Weg dafür ebnet, um alles in wirklich freien und souveränen verfassungsgebenden Prozessen zu entscheiden. Konstituierende Prozesse, bei denen alles diskutiert wird, ohne auf das Erbe dieses Regimes oder seine Akteur*innen Acht nehmen zu müssen.
So könnte das Rätsel gelöst werden, statt die republikanische Flagge zu zeigen, während weiter mit Diener*innen des Königshaus verhandelt wird.
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei La Izquierda Diario.