Pflegenotstand: Wir brauchen „grausame Gewerkschaftsstreiks“

15.08.2018, Lesezeit 4 Min.
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Nachdem bereits an Unikliniken in Essen und Düsseldorf gestreikt wird, ist wahrscheinlich auch Homburg bald an der Reihe. Klinikleitungen mögen das grausam nennen. Doch die Streiks sind unverzichtbar – auch dort, wo es Volksbegehren gibt.

Im Bild: Streikende der Düsseldorfer Uni-Klinik.

Der Aufstand für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern breitet sich aus. In Essen und Düsseldorf sind die Beschäftigten der Universitätskliniken dafür schon im Streik. Seit Montag sind nun auch die Verdi-Mitglieder am Homburger Uniklinikum aufgerufen, in einer Urabstimmung über einen unbefristeten Streik abzustimmen. Damit soll endlich ein Entlastungs-Tarifvertrag durchgesetzt werden, den Verdi schon seit Ende 2016 fordert. Seither hatte die Klinikleitung nur winzige Zugeständnisse machen wollen. Zuletzt war sie zu einer Dienstvereinbarung mit dem Personalrat bereit, um eine Arbeitsniederlegung zu vermeiden. Ob und wann das aber zu einer wirklichen Verbesserung führen würde, ist völlig unklar. Bis zum 11. September läuft nun die Urabstimmung. Von einem positiven Ergebnis darf ausgegangen werden.

Worauf sich die Bosse in dem saarländischen Krankenhaus gefasst machen müssen, zeigen aktuell bereits die Beschäftigten in den Unikliniken Düsseldorf und Essen. Rund 500 Kolleg*innen sind dort insgesamt im Streik. Dass dieser Wirkung zeigt, lässt sich gut an den Verlautbarungen der Bosse ablesen. In einer Pressemitteilung erdreistete sich der Vorstand des Düsseldorfer Klinikums, von einem „grausamen Gewerkschaftsstreik“ zu sprechen. Wie in Homburg bietet die Klinikleitung weiterhin nur eine Dienstvereinbarung mit dem Personalrat an. Die Streikauswirkungen sind derweil tatsächlich sichtbar. Aktuell können in Düsseldorf nur etwas mehr als 700 Menschen stationär behandelt werden, während es in der Regel sonst rund 1.100 sind. In Essen herrscht ein ähnliches Bild. 2000 Operationen mussten bereits abgesagt werden. Seit rund zwei Monaten dauert der Streik bereits an.

„Grausam“ ist der Streik natürlich – aber eben nur für diejenigen, die mit Krankenhäusern Profite machen wollen und deshalb vom fehlenden Personal, den Ausgliederungen und den zu niedrigen Löhnen profitieren. Für alle anderen – die Beschäftigten wie die Patient*innen gleichermaßen – ist der Streik dringend notwendig. Denn sie sind es, die tagtäglich unter den miserablen Bedingungen zu leiden haben.

Es ist besonders schändlich, dass die staatlichen Unikliniken sich querstellen, wenn es darum geht, die Misere der Beschäftigten zu beenden und die Forderungen vollständig zu erfüllen. Gerade hier wird deutlich, dass ein staatlicher Träger noch keine Garantie für gute Arbeitsbedingungen ist. Die Klinikleitungen scheinen nicht an einer Lösung im Interesse der Arbeitenden und Patient*innen interessiert zu sein. Doch es handelt sich hier eben nicht nur um einen einfachen Interessenkonflikt. Vielmehr bedroht jeder weitere Tag des Pflegenotstands akut die Gesundheit der Beschäftigten und der Patient*innen gleichermaßen.

Um auch gegen den Willen der Vorstände eine Verbesserung zu erreichen, ist es umso dringender, dass die Streiks mit voller Kraft weitergeführt werden. Dass die Streikbeteiligung so stabil hoch ist, zeigt an, wie dringend die Situation ist, aber auch, wie groß das Potential. Um den Druck weiter zu steigern, braucht es eine Ausweitung der Streiks nach dem Vorbild von Essen und Düsseldorf.

Auf solche Streiks kann auch dort nicht verzichtet werden, wo Volksbegehren und -entscheide dem Pflegenotstand entgegenwirken sollen – wie in Hamburg und Berlin, wo die Phase der Unterschriftensammlung bereits zu Ende ist, oder wie in Bayern, wo sie noch einige Wochen läuft. Diese Kampagnen sind sehr gut geeignet, Aufmerksamkeit und Solidarität in der Bevölkerung für das Thema zu organisieren und gleichzeitig Strukturen von Beschäftigten in den Krankenhäuser zu schaffen oder zu stärken. Damit können die Volksbegehren dabei helfen, Streiks vorzubereiten und damit Forderungen zu erkämpfen, die über diejenigen der Volksbegehren noch hinausgehen. Es gibt noch viel zu gewinnen auf dem Weg zu einem Gesundheitssystem im Interesse der Beschäftigten und der Patient*innen. Ohne Streiks wird es nicht gehen. Egal, ob das die Bosse grausam finden.

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