Pfefferspray gegen Sitzblockaden – Ramelow muss zurücktreten!
Die Polizei greift eine friedliche Sitzblockade mit Tränengas an. Die Bilder aus dem thüringischen Sonneberg vom Wochenende erinnern sehr stark an die Bilder von der Universität Davis in Kalifornien. Dort musste die Uni-Präsidentin vor Kurzem zurücktreten. Wird der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow nun auch zurücktreten?
Die Bilder aus der Universität von Kalifornien in Davis gingen rund um die Welt. Aktivist*innen der Occupy-Bewegung hatten Ende 2011 eine legale Sitzblockade auf dem Campus gebildet. Ein Uni-Polizist namens John Pike forderte sie auf, ihre Kundgebung aufzulösen. Als sie sitzen blieben, sprühte er Tränengas in die Augen einer*s jeden Blockierers*in. Das einminütige Video der Repression wurde bereits 2,5 Millionen Mal angeschaut.
Der Skandal war riesig. Nach einer Zivilklage musste die Universität jeder betroffenen Person 30.000 Dollar Schmerzensgeld zahlen. Polizist Pike wurde nach einem zweijährigen Verfahren entlassen – während dieser zwei Jahren war er vom Dienst suspendiert, bekam jedoch rund 70.000 Dollar Gehalt. Zum Schluss kriegte er auch 38.000 Dollar von der staatlichen Arbeitsunfähigkeitsversicherung wegen der „psychischen Verletzungen“, die die Aufmerksamkeit für seine Gewalttaten verursacht hatte.
Die Kanzlerin (Präsidentin) der Universität, Linda Katehi, übernahm die „volle Verantwortung“. Und gleichzeitig beauftragte sie eine Marketing-Firma, damit Berichte von der Repression nicht bei Google oder Wikipedia auftauchen sollten. Die Universität gab 407.000 Dollar dafür aus, um das Online-Image ihrer Kanzlerin zu verbessern – was offensichtlich nicht funktionierte.
Nun, sechseinhalb Jahre später, ist Katehi zurückgetreten. Die teuren Versuche, die Repression zu vertuschen, wurden ihr mehr zu Last gelegt als die Repression selbst. Noch ein Jahr lang wird sie ihr Gehalt von 424.360 Dollar bekommen. Zum Vergleich: Professor*innen in der Universität Kalifornien verdienen rund 80.000 Dollar im Jahr. The Atlantic hat eine gute Übersicht dieses teuren Skandals – unter dem die öffentliche Bildung massiv leidet.
Von Kalifornien nach Thüringen
Ganz ähnliche Bilder gibt es jetzt aus Sonneberg in Thüringen. Hier haben 15 Antifaschist*innen versucht, rund 70 Nazis in einer „Thügida“-Demonstration zu blockieren. Ihre friedliche Sitzblockade hat die Polizei mit Tränengas attackiert. Die Bullen behaupten (natürlich), dass sie zuvor angegriffen worden seien. Aber wir haben nicht nur Augenzeug*innenberichte, sondern auch Bilder, die nicht deutlicher sein könnten – warum tragen die Bullen ihre Helme nicht, wenn sie zuvor angegriffen wurden? Wie könnten die Sitzenden sie überhaupt bedrohen?
Die Empörung ist groß. Doch Thüringens Ministerpräsident, Bodo Ramelow von der Linkspartei, reagierte betont gelassen:
Selbst das Parteiblatt der Linken, Neues Deutschland, fand seine Reaktion „etwas zurückhaltender“ als die von seinen Parteifreund*innen.
Wird Bodo Ramelow, ähnlich wie Linda Katehi von der Universität Berkeley, nun die politische Verantwortung übernehmen? In Deutschland laufen die Sachen bekanntlich etwas anders. Hier genießt die Polizei fast vollkommene Straffreiheit, weil sie ihre eigenen Verbrechen untersuchen soll – selbst die UNO und Amnesty International kritisieren das. Und Zivilklagen dagegen sind für den Staat viel weniger teuer, weshalb Politiker*innen seltener zur Verantwortung gezogen werden.
Auf meiner Facebookwand schrieb @TheRealBodoRamelow:
Also wird er zurücktreten, sobald ein Bericht die Bilder und die Augenzeug*innenberichte bestätigt? Wir dürfen gespannt sein.
Ramelow hat bereits Lob von der AfD und der Jungen Freiheit für seine Hetze gegen Antifaschist*innen erhalten. Denn er ist ein verantwortungsbewusster Staatsmann – er reagiert genauso wie Politiker*innen von CDU, SPD, FDP und Grüne. Konkret heißt das, dass jeden Tag Männer, Frauen und Kinder aus Thüringen abgeschoben werden. Das scheint den Christen Ramelow nicht zu stören. Genauso sorgt seine Regierung dafür, dass die Landesbeschäftigten stagnierende Löhne und steigende Arbeitsbelastung haben.
Die Frage ist: sollte ein linker Ministerpräsident politische Verantwortung dafür übernehmen, was seine Exekutive so alles macht? Entweder wird er sagen, dass solche Gewalt zum Schutz von Naziaufmärschen gut ist – oder er muss argumentieren, dass er keinerlei Kontrolle darüber hat, was die thüringische Polizei macht. So oder so müssen wir uns fragen: Was nützt dann ein linker Ministerpräsident?
Jeder Mensch, der von der Linkspartei eine linke Politik erwartet, sollte den sofortigen Rücktritt Ramelows verlangen. Aber wir denken auch, dass die Linke eine Partei braucht, die unabhängig von der Bourgeoisie und ihrem Staat ist. Wie wir geschrieben haben:
Die Linke braucht eine „fundamentaloppositionelle Bewegungspartei“, die auf der Straße der AfD entgegentritt. Denn die Demagogie der AfD können wir nur entlarven, in dem wir gegen die Merkels, Gabriels und auch Ramelows für Arbeit, Wohnraum und gleiche Rechte für alle kämpfen. Wir brauchen eine Partei, die ohne Abstriche die Interessen der Arbeiter*innen und Unterdrückten eintritt. Kurz, wir brauchen eine revolutionäre Partei.