Peru: Tausende protestieren gegen die Putschregierung von Dina Boluarte 

24.01.2023, Lesezeit 8 Min.
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Quelle: Joseph Moreno M / Shutterstock.com

Tausende von Bauern, Bäuerinnen und Dorfbewohner:innen aus verschiedenen Regionen des Landesinneren mobilisieren seit Donnerstag, dem 19. Januar, in die peruanische Hauptstadt Lima und zu landesweiten Streiks zur Absetzung von Dina Boluarte als Präsidentin der Republik.

Am Donnerstag, dem 19. Januar, gingen rund 30.000 Menschen in der peruanischen Hauptstadt Lima auf die Straße. Sie läuteten damit den ersten Tag eines landesweiten Streiks ein, mit dem der Rücktritt von Dina Boluarte als Präsidentin der Republik gefordert wird. Unter den Demonstrant:innen befanden sich Tausende von Bauern und Bäuerinnen sowie Dorfbewohner:innen, die aus verschiedenen Regionen des so genannten „tiefen Perus“ in die Hauptstadt gereist waren für den Protest, der als „die Einnahme Limas“ oder „der zweite Marsch der Vier Länder“ (Anspielung auf einen Aufstand gegen die Diktatur Fujimoris im Jahre 2000, Anm. d. Übersetzers) bezeichnet wurde. Es sei darauf hingewiesen, dass viele dieser Sektoren dank der Bemühungen der Studierenden an den Universitäten San Marcos und der Universidad de Ingeniería untergebracht wurden, wo ihnen von der Bevölkerung Limas massive Solidaritätsbekundungen zuteil wurden. Diesen Schulterschluss versucht die Polizei zu brechen, indem etwa am Samstag 200 Personen aus allen Teilen des Landes gewaltsam aus der Universidad Nacional Mayor de San Marcos (UNMSM) vertrieben und teilweise festgenommen wurden.

Die Massendemonstrationen in der Stadt Lima begannen am Donnerstagnachmittag und konzentrierten sich zunächst auf die Plaza San Martin im historischen Zentrum Limas, zu der die CGTP (Allgemeiner Arbeiter:innenbund Perus, größter Gewerkschaftsbund des Landes, Anm. d. Übersetzers) die Demonstrant:innen aufgerufen hatte. Aufgrund der mangelnden Führung und Vertretung der CGTP kam es schnell zu einer Aufspaltung und Verlagerung des Protests: Einige Teile versuchten, den Kongress der Republik (auf dem Bolivar-Platz) zu erreichen und wurden von der Polizei zurückgeschlagen. Später versammelte sich ein anderer Teil der Demonstrant:innen vor dem Justizpalast, wo es ebenfalls zu Zusammenstößen mit der Polizei kam, während andere Gruppen durch das Stadtzentrum zogen, wo am Abend ein Gebäude (auf dem San-Martin-Platz) in Brand gesteckt wurde, was nach den Erklärungen der Eigentümer durch die Aktion der Nationalpolizei provoziert worden war.

Am Abend bewegte sich eine große Gruppe von Demonstrant:innen, hauptsächlich Teile der Jugend, in Richtung des Stadtteils Miraflores, in dem sich die Hauptsitze verschiedener Finanz- und Wirtschaftsinstitutionen und Sektoren der Mittel- und Oberschicht Limas befinden. Die Polizei hat von Anfang an versucht, die Demonstrant:innen am Betreten des Viertels zu hindern, aber der Druck der Demonstrant:innen und ihre wachsende Zahl haben es ihnen schließlich ermöglicht, das Viertel zu betreten. Die Mobilisierungen und Protestaktionen dauerten bis spät in die Nacht und forderten den Rücktritt von Dina Boluarte.

Die Hauptforderungen der Demonstrant:innen an diesem ersten Protesttag lauteten: Weg mit Dina und ihrer mörderischen Regierung! Schließung des putschistischen Kongresses! Vorgezogene Neuwahlen! Die Ablehnung gegenüber der Regierung Boluarte wächst von Tag zu Tag und ist vor allem auf die von der Exekutive angeordnete gewaltsame polizeilich-militärische Repression zurückzuführen, die bereits mehr als 60 zivile Todesopfer im Landesinneren gefordert hat. Die Ablehnung der Regierung wurde in letzter Zeit auch durch die öffentlichen Äußerungen der Präsidentin und ihres Premierministers verstärkt, die stets versuchten, die Demonstrationen zu verharmlosen und die Proteste mit den Aktionen terroristischer Gruppen in Verbindung zu bringen.

Auch am vergangenen Donnerstag gab Dina Boluarte in den Abendstunden in Begleitung ihres Ministerpräsidenten und einer Gruppe von Ministern eine Pressekonferenz, auf der die Präsidentin in einem drohenden und aggressiven Ton gegenüber den Demonstrant:innen erneut eine Gruppe von Aufrührer:innen für die massiven Proteste verantwortlich machte, gegen die sie „die ganze Härte des Gesetzes“ einsetzen werde, was darauf schließen lässt, dass sie an ihrer Politik der Kriminalisierung sozialer Proteste festhalten wird. Obwohl Boluarte in den letzten Tagen von rechten Gruppen und Journalist:innen ernsthaft in Frage gestellt wurde – teilweise forderten sogar diese ihren Rücktritt und vorgezogene Wahlen, um die sozialen Unruhen zu entschärfen –, sagte sie in ihrer letzten Rede, dass ihre Regierung solide sei und weiter vorankommen werde, was das Feuer der sozialen Mobilisierung nur weiter anfacht.

Im Landesinneren waren die Proteste ebenfalls heftig. In allen Regionen Südperus (Ica, Arequipa, Moquegua, Tacna, Madre de Dios, Cusco, Ayacucho, Huancavelica) kam es zu einer totalen Arbeitsniederlegung und im Laufe des Tages kam es auch zu massiven Mobilisierungen, die den sofortigen Rücktritt der Präsidentin und die Bestrafung derjenigen forderten, die für die Ermordung von mehr als 60 Zivilist:innen bei den bisherigen Protestaktionen verantwortlich sind.

Die Mobilisierungen waren am stärksten in den Regionen Puno und Arequipa. In Puno, von wo aus Tausende von Menschen nach Lima reisten, gab es bereits einen Tag vor dem Streik starke Proteste und in der Stadt Macusani tötete die Polizei eine Frau, die zu den Demonstrant:innen gehörte. Als Reaktion darauf brannten die Demonstrant:innen schließlich das Gebäude der nationalen Polizei in dieser Stadt nieder. In der Stadt Arequipa zogen am Tag des landesweiten Streiks Tausende von Demonstrant:innen zum Flughafen und versuchten, ihn zu besetzen, wurden aber von der Nationalpolizei brutal angegriffen, was zum Tod eines Demonstranten und zu Dutzenden von Verletzten führte.

Auch in der Region Moquegua kam es zu massiven Demonstrationen und die Einwohner:innen schlossen schließlich die Montalvo-Brücke, die diese Stadt mit den übrigen Städten im Süden Perus verbindet. In der Handelsstadt Tacna wurden Märkte, Messen und andere Dienstleistungen lahmgelegt, und ihre Beschäftigten gingen den ganzen Tag über in massiven Demonstrationen auf die Straße. Dazu gesellten sich Menschen aus Stadtteilen wie Ciudad Nueva und Gregorio Albarracín, wo die Mehrheit der Bevölkerung aus den Regionen Puno und Aimara stammt. In manchen Regionen halten Straßenblockaden schon seit zwei Wochen an, laut den Transportbehörden Perus (Sutran) sind momentan landesweit 74 Straßen blockiert, darunter 18 Nationalstraßen. Dass diese Blockaden wirkmächtig sind, zeigt sich daran, dass etwa in der Amazonasregion Madre de Dios erste Engpässe bei Treibstoff, Gas, Obst und Gemüse auftreten.

Generell kann man sagen, dass eines der Hauptprobleme an diesem ersten Tag des Streiks darin bestand, dass es kein Organ der landesweiten Zentralisierung des Kampfes gab. Die CGTP und die anderen Gewerkschaftsdachverbände, sowie die Nationalversammlung der Völker ANP selbst (eine von der Gewerkschaftsbürokratie kontrollierte Organisation), die zu dem landesweiten Streik aufgerufen hat und sie öffentlich verbal gegen die Präsidentin verteidigt, sind in der Praxis nicht in der Lage, die Kraft und die Initiativen der Demonstrant:innen zu bündeln. Aus diesem Grund erscheint es uns sehr wichtig, auf der Notwendigkeit zu bestehen, von der Basis aus und unter voller Beteiligung der direkten Akteur:innen des Kampfes Maßnahmen-, Streik- und Koordinationskomitees zu bilden, die unter der Form der Einheitskampfkommandos (Comandos Unitarios de Lucha) agieren, um ein Nationales Einheitskampfkommando (Comando Unitario Nacional de Lucha) ins Leben zu rufen. Dieses Kommando sollte die Aktionen bis zum Sturz der Boluarte-Regierung zentral bündeln. Nur so können wir verhindern, dass die kraftvollen Initiativen derer, die sich heute mobilisieren, geschwächt, verwässert oder umgelenkt werden.

Eine weitere Grenze, die wir erkennen konnten, war die mangelnde Beteiligung der Arbeiter:innenklasse als solche an diesem Kampfprozess. Zwar haben sich Sektoren von prekär Beschäftigten im Kleinbergbau und handwerklichen Bergbau sowie Hafenarbeiter:innen an den Aktionen beteiligt, vor allem in den Regionen im Landesinneren, aber das ist nicht ausreichend. In diesem Sinne ist es dringend notwendig, dass die Arbeiter:innenklasse in den strategischen Sektoren wie dem großen Bergbau oder den Häfen wie Callao so schnell wie möglich auf den Plan tritt.

Aus diesem Grund erscheint es uns von grundlegender Bedeutung, von der Nationalen Föderation der Bergbau- und Metallarbeiter zu verlangen, dass sie den unbefristeten Streik in ihrem Sektor, der angesichts des Bergbauproblems bereits von der Basis gefordert wird, nicht länger hinauszögert und aufschiebt. Diese Kampfmaßnahme sollte so schnell wie möglich ausgerufen werden, um den Sturz der mörderischen Regierung von Dina Boluarte zu beschleunigen. Das gleiche müssen die Genoss:innen, die die Hafenarbeitergewerkschaft anführen, tun, da über die Häfen die wichtigsten Handelsaktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene abgewickelt werden.

Nur die Einheit der Arbeiter:innenklasse, der Bauern und Bäuerinnen und der anderen Sektoren des Volkes ist eine Garantie für den Sieg über die mörderische Regierung von Dina Boluarte. Nur die Einheit der Arbeiter:innen, Bauern und Bäuerinnen und des Volkes wird es uns ermöglichen, beginnend mit der Einsetzung einer provisorischen Regierung der Kämpfenden, die Forderung nach einer freien und souveränen verfassungsgebenden Versammlung zu verwirklichen, die uns den Weg ebnen wird, damit zu beginnen, alles zu verändern.

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