Über zwei Jahre zu Unrecht verfolgt: Arash Dosthosseins Erklärung zu seinem Freispruch
Der Vorwurf lautete schwere Körperverletzung eines Polizisten im Rahmen der Demonstration gegen das sogenannte Bayerische Integrationsgesetz. Nach dem Freispruch erklärt Arash Dosthossein, was für ein Skandal das ganze Verfahren war. (Aktenzeichen: 836Ds11Js167502/17)
Am 22. November 2016 fand eine großen Demonstration gegen das rassistische Integrationsgesetz in München statt, bei der ich festgenommen wurde. Mir wurde vorgeworfen, Pyrotechnik auf der Demo gezündet zu haben. Am gleichen Tag wurde ich mit der Unterstützung meines Anwalts freigelassen und einige Wochen später habe ich einen Brief vom Münchner Amtsgericht erhalten, in dem dieser Vorwurf zurückgenommen wurde.
Einige Monate später, Anfang 2017, wurde ich festgenommen und beschuldigt, bei derselben Demonstration einen Polizisten mit einer Fahne geschlagen zu haben. Am 9. August 2018 fand mein erster Prozess statt. Nachdem der Polizeibeamte ausgesagt hatte, präsentierte die Staatsanwaltschaft dem Richter einen dreiminütigen Film, der aus allen Filmen des Demonstrationstages zusammengeschnitten war und forderte ein halbes Jahr Gefängnisstrafe.
Es war von Anfang an klar, dass dieser dreiminütige Film nichts mehr als ein gezieltes Szenario gegen mich war, in dem gezeigt wurde: An dieser und jener Minute war Arash da, Arash hat geschlagen und Arash ist abgehauen. Bei diesem Prozess gab es oft widersprüchliche Aussagen von Polizeibeamten wie zum Beispiel: Er habe per Funk seine Kollege*innen auf dieser Demonstration informiert, dass Arash Dosthossien ihn geschlagen habe und sie sollen ihn festnehmen usw. Bei diesem Prozess hatte ich noch keinen Anwalt und daher habe ich selbst die Frage an den Polizisten gestellt, woher er genau in diesem Moment meinen Namen wissen konnte? Er antwortete: „Nein, ich habe den Angeklagten nicht im Funk genannt, sondern habe seine Merkmalen meinen Kollegen beschrieben.“
Dann verteidigte ich mich mit der Aussage: „Abgesehen von der absichtlichen Zusammenstellung des Films ist es jedem Menschen, der ein bisschen die mathematischen und physikalischen Regeln und Verhältnisse erkennen kann, völlig klar, dass ich, angesichts der Perspektive der Kamera und der Distanz zwischen mir und der tatsächlichen Konfliktumgebung und der Größe der realen Menschen in der realen Welt, auf keinen Fall den Polizisten schlagen konnte, nur dann, wenn ich kein Mensch, sondern ein Tintenfisch gewesen wäre, der den Polizisten mit über zwei Meter langen Armen erreichen könnte. Sehr geehrter Herr Richter, sie sollten mich entweder als einen Tintenfisch bezeichnen oder die Falschheit dieses Szenarios akzeptieren, das von der Polizei erfunden wurde.“
Aber trotz der offensichtlichen Tatsache, dass es unmöglich ist, dass ich den Polizisten geschlagen habe, machte der Richter eine sehr klare Aussage: Er könne zwar nicht sicher sein, dass Herr Dosthossein der Täter gewesen sei, aber weil es sich um die Aussage eines Polizeibeamten handele und wir unserer Polizei vertrauen würden und der Angezeigte bereits in zwei anderen Fällen wegen ähnlicher Straftaten angeklagt sei, sei er schuldig und das Gericht verurteilt ihn zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten und einer Freiheitsstrafe von 100 Tagen Zwangsarbeit. Bei zwei weiteren Fällen wurde ich verurteilt, nur weil der Richter mit ähnlichem Verhalten und Aussagen die Aussagen der von mir vorgestellten Zeugen nicht akzeptierte und hingegen die Aussagen von Polizeibeamten als etwas Unzweifelhaftes und Heiliges wahrnahm.
Ich erhob gegen das Urteil am 9. August 2018 Einspruch und dieser Prozess dauerte bis heute den 03. Juni 2019 an. Mit den Bemühungen meines Anwalts gelang es uns, den ganzen Film der Demonstration zu bekommen. Ein Professor, Film- und Kameraspezialist, analysierte als Gutachter die ganze Szene und heute beim dritten Gerichtstermin (der zweiten Sitzung des Berufungsgerichts) konnte er wissenschaftlich mit ausführlichen Erklärungen und Fakten beweisen, dass ich nicht der sogenannte „Täter“ bin.
Dies war nur mein Bericht aus diesem Prozess.
Aber das Wichtigste ist, dass ich ankündigen werde:
Mir ist klar, dass es sich bei diesem Verfahren um einen Rechtsstreit gegen mich durch die Staatsanwaltschaft München und die Polizei München handelt, der gescheitert ist.
Zweitens hat der Polizist wissentlich und absichtlich gegen mich gelogen.
Drittens: Der Richter der ersten Instanz hat wissentlich und absichtlich ohne Beachtung des Grundsatzes der Unparteilichkeit des Richters mit Unterstützung der Polizei und trotz der Tatsache, dass es ihm nicht klar war, ob ich die Person bin, die den Polizisten geschlagen hat, meine Äußerungen nicht akzeptiert und mich verurteilt.
Viertens: Die Aussagen des Polizeibeamten in der ersten Instanz wurden vom Richter im vorliegenden Fall absichtlich nicht protokolliert. Aus diesem Grund konnte ich während des Berufungsverfahrens die widersprüchlichen Aussagen der Polizei beim ersten Gerichtstermin nicht gegen sie verwenden.
Fünftens: Der Richter des Berufungsgerichts hat das Urteil der ersten Instanz aufgehoben und mich nur freigesprochen, weil ein Professor und Filmspezialist hundertprozentig nachgewiesen hat, dass ich unschuldig bin. Dies geschah, während der Richter sich absichtlich weigerte, dem Polizeibeamten vor dem Gericht noch einmal Fragen zu stellen und ihn indirekt informiert hat (mit einer pädagogischen Begründung), dass er lügt, und der Richter selbst nicht unparteiisch war und sich voll und ganz für die Polizei aussprach und sich mir widersetzte.
Sechstens: Die Aussagen des Polizeibeamten wurden absichtlich und ganz bewusst bei allen drei Gerichtsterminen von beiden Richtern nicht vollständig protokolliert.
Diese Geschichte ist für mich jedoch nicht vorbei. Ich werde das Ganze mit dem ersten Richter, dem ersten Staatsanwalt, der Polizei und dem Regisseur, der den Film und das ganze Szenario gedreht hat, mit rechtlichen Maßnahmen aufarbeiten, denn sie sind verantwortlich dafür, dass ich die Stadt München nicht verlassen durfte, dass ich jede Woche am Mittwoch bei der Polizeiwache unterschreiben musste, dass mein Reisepass beschlagnahmt wurde und aufgrund meiner Vorstrafe keine Möglichkeit habe, eine Arbeit zu finden. Das bedeutet die Zerstörung meines dreijährigen privaten und politischen Lebens!
Mit freundlichen Grüßen
Arash Dosthossein