PCR-Tests für alle! Testzentren verstaatlichen!
Während die Corona-Inzidenzen auf Rekordniveau steigen, wird es immer schwerer, an verlässliche Tests zu kommen. Um die neue Welle der Pandemie auch nur annähernd unter Kontrolle zu bringen, bräuchte es eine umfassende Verstaatlichung der Test-Infrastruktur und einen drastischen Ausbau der PCR-Testkapazitäten auf Kosten der großen Unternehmen.
Am Wochenende hat die deutschlandweite 7-Tage-Inzidenz erstmals den Wert von 500 überschritten. In nördlichen Großstädten wie Hamburg und Berlin nähert sich der Wert der Marke 1000 an und in Bremen liegt er sogar über 1300.
Der steigende Anteil der Omikron-Variante an Corona-Infektionen sorgt damit für die bisher größte Corona-Welle. Gleichzeitig wurde mit den vermeintlich kürzeren Krankheitsverläufen bei Omikron eine Verkürzung der Quarantänezeit für Infizierte und für Kontaktpersonen begründet – obwohl erste Studien eher auf eine Verkürzung der Infektiosität um durchschnittlich zwei Tage hindeuten und damit nicht die vorgesehene Verkürzung der Quarantäne um mindestens vier Tage rechtfertigen.
Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 7. Januar sieht vor, dass die Quarantäne nach zehn Tagen und ohne Test beendet werden kann und sich die meisten Infizierten und Kontaktpersonen nach sieben Tagen mit einem PCR-Test oder einem Schnelltest freitesten können. In der Praxis wird dies immer öfter über die deutlich weniger zuverlässigen Antigen-Schnelltests abgewickelt werden, da PCR-Tests aktuell zur Mangelware werden.
Ziemlich drastisch zeigt sich die Situation in Berlin: Wer als Kontaktperson eine rote Meldung in der Corona-Warnapp hat oder einen positiven Selbsttest vorweisen kann, hat eigentlich Anspruch auf eine kostenlose PCR-Nachtestung. Doch das funktioniert längst nicht an allen Testzentren. Während bei einem positiven Schnelltest vor Ort auch in privaten Stationen manchmal die Nachtestung möglich ist, werden viele Menschen, insbesondere diejenigen mit einer Warnung aus der Corona-App, an die landeseigenen Testzentren verwiesen. Von denen gibt es aber in ganz Berlin nur elf Stück. Und die Wartezeiten belaufen sich derzeit tagsüber auf mehrere Stunden. Am vergangenen Freitag berichtete der Sender rbb sogar von bis zu fünf Stunden Wartezeit in Berlin Wedding.
Da die Kosten für Schnelltests bei privaten Testzentren vom Staat übernommen werden, sind diese deutlich leichter zu bekommen. Dennoch gibt es durchaus Schwierigkeiten, zum Beispiel wenn Beschäftigte für die Arbeit mehrmals pro Woche einen Schnelltest benötigen und zu Stoßzeiten 20 oder 30 Minuten auf einen Test warten müssen – welche nicht als Arbeitszeit gewertet werden. Die bundesweite Regelung sieht zudem auch nur mindestens einen kostenlosen Schnelltest pro Person pro Woche vor. Wer also öfter zum selben Testzentrum geht, läuft Gefahr, abgewiesen zu werden.
Die Maxime, dass der Großteil der Testinfrastruktur privat organisiert werden soll, hat nicht zuletzt auch zu diversen Betrugsfällen geführt. So wurden Anfang 2021 mehrfach Fälle von nicht durchgeführten aber dennoch abgerechneten Tests bekannt. Und natürlich gibt es auch im legalen Rahmen starke Anreize für die Betreiber:innen, ihre Angestellten nicht zu hoch zu bezahlen und mit hoher Arbeitsbelastung möglichst hohe Profite zu erwirtschaften.
Auch die “landeseigenen” Testzentren in Berlin werden von einer privaten Firma betrieben. Die Münchner Firma 21DX bekam den Auftrag erstmals im Frühjahr des vergangenen Jahres. RBB und Tagesspiegel berichten von einigen Ungereimtheiten bei der Auftragsvergabe, einem unseriösen Umgang der Firma mit Kund:innendaten und verdächtig engen Beziehungen zwischen dem Berliner Gesundheitsamt und der Führungsetage von 21DX – aber das hat die Firma bisher nicht daran gehindert, mit der Pandemie ein äußerst lukratives Geschäft zu machen. Schließlich geht es um Millionen, die das Land Berlin allein für die elf Testzentren von 21DX zahlt.
Diese Testzentren sind es aber auch, die aktuell einen Großteil der kostenlosen PCR-Tests durchführen und die angesichts der Omikron-Welle völlig überlaufen sind. Was ist nun die Antwort der Berliner Regierung auf diesen Engpass? Vielleicht ein gezielter Ausbau von Laborkapazitäten und die Öffnung weiterer Testzentren mit Fokus auf PCR-Tests? Keinesfalls. Stattdessen will das Berliner Gesundheitsministerium den Zugang zu PCR-Tests weiter einschränken. Wer laut Corona-App Kontaktperson war oder sogar einen positiven Schnelltest hat aber keine Symptome, soll künftig keinen PCR-Test mehr machen. Der Vorschlag ist, diese Regelung bundesweit umzusetzen.
Es braucht dagegen einen Ausbau der Kapazitäten, sowohl Labore, wie auch Testzentren!
Statt Aufträge an private, profitorientierte Unternehmen zu vergeben, braucht es eine umfassende Test-Infrastruktur in staatlichem Besitz, die von den Beschäftigten selbst kontrolliert wird. Testzentren, die heute in privater Hand sind, müssen verstaatlicht werden. Allein dadurch könnten die Kapazitäten der Testzentren sofort drastisch vergrößert werden.
Dafür sollten nicht die Arbeiter:innen zahlen. Die großen Unternehmen sind es, die in der Pandemie ihr Vermögen weiter vergrößert haben und in deren Interesse die meisten Betriebe offen gehalten werden. Sie müssen für die PCR-Tests aufkommen. Sie sollten auch dafür zahlen, dass in Betrieben, aber auch Schulen und Universitäten, notwendige Hygienemaßnahmen ergriffen werden können, um Arbeiten und Unterricht vor Ort unter sicheren Bedingungen möglich zu machen. Was notwendig ist, sollte in den Betrieben von den Beschäftigten selbst in Versammlungen diskutiert werden; in Schulen und Universitäten entsprechend durch Beschäftigte und Schüler:innen bzw. Studierende. Dazu müssen vor allem die Gewerkschaftsführungen aus ihrer passiven Haltung herauszukommen und zur Durchsetzung der Hygienemaßnahmen zu Streiks aufrufen – ähnlich wie in Frankreich.
In jedem Betrieb sollte es die Möglichkeit geben, vor Ort in oder in direkter Nähe Antigen- bzw. Schnelltests, aber auch PCR-Tests durchzuführen, um einen möglichst sicheren Arbeitsablauf zu gewährleisten. Die Tests sollten von den Unternehmen finanziert werden (sei es per Steuer oder direkt), aber von Gremien der Beschäftigten wie den Betriebsräten kontrolliert und selbstverständlich von Fachpersonal durchgeführt werden.