Patentrechte schützen Profite – Enteignung schützt Leben
Während sich die EU mit privaten Konzernen über die Lieferungen von Impfdosen streitet, verschärft sich die Situation in Krankenhäuser drastisch. Doch es gibt Widerstand von Kolleg:innen.
Nachdem der Chef von Astra Zeneca Pascal Soriot zunächst behauptet hatte, dass der Liefervertrag mit der EU keine genauen Angaben über die Menge und das Datum des zu liefernden Impfstoffs enthält, rudert er nun zurück. Laut FAZ haben sich beide Seiten darauf geeinigt, dass der Liefervertrag am Freitag mit geschwärzten Passagen veröffentlicht werden soll. Der Vorwurf an Astra Zeneca war, dass sie andere Staaten außerhalb der EU zuerst beliefern würden, weil mit ihnen zuvor Verträge geschlossen wurden. Die zuständige EU-Kommissarin Stella Kyriakides äußerte sich dazu auf twitter, dass die EU ein sogenanntes Transparenzregister präsentieren will, um Klarheit über den Export der Impfdosen zu bekommen. Auch Microsoft-Gründer Bill Gates warnte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vor einem Impfstoffnationalismus: “Ich hatte immer Sorge vor Exportbehinderungen. Ein nationalistischer Blick hilft uns nicht weiter.”
Doch das Problem liegt tiefer: Denn die Auslieferung der Impfdosen ist abhängig von zahlreichen privaten Pharmakonzernen, die vor allem ihre vertraglichen Verpflichtungen im Blick haben und sich durch Patente das alleinige Recht gesichert haben, den Impfstoff zu produzieren. Auch Pfizer und Biontech kündigten an, nur weniger Impfstoff liefern zu können. Aufgrund der prekären Situation ist es nicht hinnehmbar, dass die Konzerne weiterhin auf ihren Patenten sitzen dürfen. Stattdessen müssen die Patentrechte freigegeben werden, damit überall der Impfstoff produziert werden kann, wo er gebraucht wird. Einmal mehr zeigt sich, dass der Pharma- und Gesundheitssektor nicht privat sein dürfen, sondern öffentlich von Arbeiter:innen verwaltet werden müssen.
Beschäftigte in Pendelquarantäne und warum wir einen feministischen Akt brauchen
Die aktuellen Ausbrüche der Mutation zeigen, wie dringlich so ein Schritt ist. In Bayreuth mussten zwei Krankenhäuser vorsorglich schließen, weil bei 13 Mitarbeiter:innen der Verdacht besteht, dass sie sich mit der hochansteckenden Mutation infiziert haben. Auch das Berliner Humboldt-Klinikum musste vorerst dicht gemacht werden. Die tausenden Beschäftigten befinden sich aktuell in Pendel-Quarantäne. Das heißt, sie dürfen nur für den Weg zur Arbeit ihre Wohnung verlassen. Doch natürlich hat nicht jede:r ein Auto zur Verfügung. So müssen die Kolleg:innen jeden Tag den öffentlichen Nahverkehr benutzen, wo sie auch viele weitere Beschäftigte treffen, die immer noch zur Arbeit müssen, obwohl es nicht notwendig ist. Im Berliner Fall dürfen die Beschäftigten zwar kostenlos den BerlKönig nutzen, eine Art Taxiservice der BVG. Von den insgesamt 1500 Beschäftigten hat das jedoch bisher nur ein Bruchteil in Anspruch genommen. Darüber hinaus wurden nicht einmal alle Beschäftigten darüber informiert. Eine Reinigungskraft berichtete gegenüber der BZ, dass ihnen das nicht mitgeteilt wurde. Überhaupt braucht es hier eine viel weitergehende Lösung. Der öffentliche Nahverkehr könnte vor allem dadurch entlastet werden, dass alle Beschäftigten, die nicht notwendigerweise in ihre Büros oder sonstige Betriebe fahren müssen, bei voller Lohnfortzahlung freigestellt werden. Neben der Ansteckungsgefahr im Nahverkehr würden so auch Infektionsrisiken in Betrieben wegfallen – womit wiederum weniger Personen in Krankenhäusern landen. Die aktuellen Home Office-Regelungen der Bundesregierungen reichen vorne und hinten nicht und bieten vor allem keine Lösung für Kolleg:innen, die eben nicht von zu Hause arbeiten können.
Die Pendelquarantäne erhöht die Belastung für die ohnehin schon überbelasteten Beschäftigten im Krankenhaus noch einmal. Denn Pendelquarantäne bedeutet, dass die Arbeiter:innen zu Hause bleiben müssen und bei Dingen wie Einkäufen auf die Hilfe aus dem privaten Umfeld angewiesen sind. Diese zusätzliche Belastung trifft vor allem Frauen, die die Mehrheit der Beschäftigten darstellt. Sie sind es auch, die durch prekäre Arbeitsbedingungen besonders von der Krise betroffen sind. Corona erhöhte den Druck auf die Arbeiter:innen im Gesundheitssektor zusätzlich zur Hausarbeit, die immer noch mehrheitlich von Frauen erledigt wird. Auch die zunehmende Gewalt gegen Frauen durch ihre Partner hat in der Pandemie zugenommen. Die Situation von Frauen hat sich demnach in der Krise verschlechtert. Das ist auch eine Folge dessen, dass der Staat Frauen bei angeordneter Quarantäne bei der Bewältigung der alltäglichen Aufgaben im Stich lässt. Dabei wäre es ein Leichtes, Einkäufe und tägliche Mahlzeiten für die Betroffenen staatlich zu organisieren, damit diese Belastung zumindest zu Hause wegfällt. Denn nicht jeder hat Leute im Umfeld, die solche Dinge für einen erledigen können.
Wer arbeiten muss, kann auch streiken
Im Helios-Klinikum in Pforzheim haben die Beschäftigten in den letzten beiden Wochen für bessere Arbeitsbedingungen gestreikt. Die Klinikleitung weigert sich, trotz der gestiegenen Belastung in der Krise die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Währenddessen rühmt sich Helios mit ihren Gewinnen und ihren guten Dienstleistungen. Allerdings ruft die ver.di-Führung nur zu einem “Stay-at-Home”-Streik auf. Unsere Autorin Leonie, selbst Beschäftigte im Krankenhaus, erklärte bereits an anderer Stelle bereits, warum das nicht ausreicht:
Diese Einschränkungen geben dem Streiken einen individualisierten Charakter, aber gerade im Streik und im Arbeitskampf gibt es die große Chance, Klassenbewusstsein zu schaffen und somit Veränderungen zu bewirken. Zumindest gab es vor dem Klinikum einen Streikposten als Anlaufstelle.
Klar ist, dass mit dem Streik keine Ansteckungs- und Verbreitungsgefahr des Coronavirus einhergehen darf. Doch seit Beginn der Pandemie arbeiten viele Beschäftigte im Krankenhaus unter extremer Belastung und sind einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt, weil sie sich teilweise nicht ausreichend schützen können. Auch der Weg zur Arbeit ist für viele ein Risiko. Natürlich müssen Gesundheitsarbeiter:innen weiter arbeiten, aber es gibt für alle ein höheres Risiko der Ansteckung, wenn der ÖPNV voll mit Menschen ist, die unnötigerweise zur Arbeit fahren.
Es ist absurd, dass wir all das leisten müssen, aber nicht draußen mit Abstand vor Corona gesichert mit unseren Kolleg:innen streiken können, sondern zuhause bleiben sollen.
Vielmehr muss der Streik ausgeweitet werden – politisch und räumlich. Denn aufgrund von Outsourcing sind nicht einmal alle Beschäftigten zum Streik aufgerufen. Andererseits reicht es auch nicht, nur für höhere Löhne zu streiken. Vielmehr braucht es politische Streiks gegen die Privatisierungen im Gesundheitssektor. Die prekäre Situation heute besteht nicht erst seit der Krise, sondern ist ein Produkt aus der Sparpolitik der letzten Jahrzehnte, in der private Profitinteressen von großen Kliniken über das Wohl von Patient:innen und Beschäftigten gestellt wurden. Dass die Konzerne und Regierungen jetzt nicht bereit sind, das Patentrecht für den Impfstoff freizugeben, ist nur ein weiterer Baustein dieser Reihe.
Die Gewerkschaften müssen in den nicht-essentiellen Betrieben zum Streik aufrufen und die vorübergehende Schließung bei voller Lohnfortzahlung fordern, um die Infektionszahlen zu senken und die Krankenhäuser zu entlasten. Wenn die Regierungen die Konzerne nicht zwingen wollen, ihr Patent freizugeben, müssen wir eben dafür streiken, dass das passiert und die Konzerne verstaatlicht werden. Wir brauchen Gewerkschaftsführungen, die uns darin unterstützen und zu Streiks aufrufen, anstatt uns klein zu halten und den Streik als “letzte mögliche Chance” in Betracht ziehen. Und wir brauchen mehr Streikdemokratie. Das bedeutet, dass alle wichtige Entscheidungen von den Arbeiter:innen selbst getroffen werden oder mit einem klar definierten Auftrag delegiert werden, das gilt gerade gegen/bezüglich der Gewerkschaftsbürokratie. Deshalb ist die Demokratisierung des Streiks eine unausweichliche Voraussetzung für den Erfolg der Beschäftigten.
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Die Profitinteressen im Gesundheitssystem sind sowohl für uns Beschäftigte, als auch für die öffentliche Gesundheit eine Gefahr. Wir organisieren uns als Arbeiter:innen branchen- und gewerkschaftsübergreifend im KGK-AKUT-Netzwerk für einen Kampfplan gegen die Krise. Wir brauchen branchenübergreifende Mobilisierungen, Aktionen und Massenstreiks der Arbeiter:innen und der Jugend, damit die Kapitalist:innen für die Krise bezahlen, die sie verursacht haben und die ihre Taschen voll haben.
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