Paris: Polizei erschießt Familien­vater Shaoyo Liu, Proteste erschüttern die Stadt

01.04.2017, Lesezeit 3 Min.
Gastbeitrag

Am vergangenen Sonntag wird aufgrund eines vermeintlichen Familienstreits ein Mann in seiner Pariser Wohnung vor den Augen seiner Familie erschossen. Erneut erlebt Frankreich wütende Proteste gegen Polizeigewalt.

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Am Sonntagabend, den 26. März, wurde die Pariser Polizei wegen eines vermeintlichen Familienstreits zu einer Wohnung im Nordosten der Innenstadt gerufen. Ein Nachbar habe einen Mann gesehen, der mit einem Messer durch das Haus liefe und Menschen bedrohen würde. Laut Darstellung der Polizei wurden aus dem Inneren der Wohnung Schreie vernommen. Shaoyo Liu wurde in seiner Wohnung vorgefunden und er habe versucht, einen der Beamten der Spezialeinheit BAC (Brigade Anti-Criminalité) mit einer Schere anzugreifen. Aus Notwehr habe die Polizei ihn erschossen.

Die Familie des Opfers widerspricht der offiziellen Darstellung. Es habe keinen Familienstreit gegeben. Auch hätten die Polizist*innen laut gegen die Tür gehämmert und sie anschließend aufgebrochen. Die Schere nutzte Shaoyo Liu, um Fische für das Abendessen zu entschuppen. Direkt nach Aufbrechen der Tür habe die Polizei zweimal auf Shaoyu Liu geschossen – vor den Augen seiner Kinder. Er verstarb an gleicher Stelle.

”Police Assassins!”

Bereits am Montagabend versammelten sich ungefähr 200 Menschen vor dem Polizeirevier im 19. Arrondissement, viele aus der chinesischen Community. Die Kundgebung verlief zunächst friedlich. Später reifen einige „police assassins!“ – „Die Polizei mordet!“ Die Scheibe eines parkenden Polizeiautos wurde zertrümmert. Die Polizei setzte Tränengas ein. 35 Personen wurden verhaftet.

Die Proteste wegen des Mords an Shaoyo Liu halten seit dem weiterhin an und und weiteten sich bereits auf weitere Städte aus, wie zum Beispiel Toulouse. Die Mobilisierungen wurden ihrerseits immer wieder mit Polizeirepression beantwortet. Eine Petition fordert Aufklärung und Gerechtigkeit für das Opfer und erreicht bereits knapp 50.000 Stimmen.

Frankreich wird regelmäßig von Fällen rassistischer Polizeibrutalität erschüttert. Betroffen sind besonders Migrant*innen und nicht-weiße Französ*innen. Nach einer Festnahme Anfang Februar in dem Banlieu Aulnay-sous-Bois, einem der proletarischen und migrantisch geprägten Kieze um Paris herum, wurde Théo L. von Polizisten mit einem Schlagstock vergewaltigt. Dies löste dort und in anderen Pariser Banlieues massive Proteste und Krawalle aus, bei denen 245 Menschen festgenommen wurden, während sich der Fall zu einem Politikum im französischen Wahlkampf entwickelte. Letzten Sommer verstarb Adama Traoré in Polizeigewahrsam und eine Massenbewegunggegen Polizeigewalt formierte sich.

Doch die von Francois Hollande versprochenen Maßnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit und die verpflichtenden Berichte nach verdachtsunabhängigen Kontrollen seitens der Polizei wurden niemals verabschiedet. Im Gegenteil stimmte das Parlament kürzlich für eine Maßnahme, die es der Polizei leichter ermöglicht, im „Verteidigungsfall“ Gebrauch von der Schusswaffe zu machen. Wie auch der Anwalt der Familie Liu verkündete, verkörpert der Fall das erste bluttriefende Ergebnis dieser Politik der Strärkung des Unterdrückungsapparates des Staates.

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