Pandemie, Flucht und Wohnungsnot
Am 26. März ist Housing Action Day. In ganz Europa werden Demonstrationen für solidarische Städte und gegen den Mietenwahnsinn organisiert.
Die Mietenbewegung hatte in den vergangenen Jahren zehntausende auf die Straßen mobilisiert. Während der Pandemie kam es in vielen Ländern zu Demonstrationen, Mietstreiks, Besetzungen und Blockaden von Zwangsräumungen. Das erfolgreiche Volksbegehren für die Enteignung von Immobilienkonzernen in Berlin war der vorläufige Zenit der Mietenbewegung.
Während der Pandemie hat sich die Wohnungsnot zu einer drängenden politischen Frage entwickelt. Das Virus und die Maßnahmen der Regierung haben besonders Menschen getroffen, welche unter prekären Bedingungen Arbeiten und Wohnen. Sie sind nicht nur einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt, sondern auch von Mietschulden, Zwangsräumungen und Obdachlosigkeit bedroht.
Die Pandemie ist eine existenzielle Bedrohung für Mieter:innen. Mit dem Kriegsausbruch in der Ukraine verschärft sich die Wohnungsnot zunehmend. Der russische Angriff macht Millionen Menschen zu Geflüchteten ohne ein sicheres Zuhause. Während am Berliner Hauptbahnhof die ersten Personen aus den Kriegsgebieten ankommen, organisieren Freiwillige Mahlzeiten und Schlafplätze. Auch die Politik appelliert an die Bevölkerung, Geflüchtete in Privatwohnungen aufzunehmen. Der Hilferuf an die Solidarität der Zivilgesellschaft macht wieder einmal das Desaster der Sozial- und Mietenpolitik deutlich.
Für Geflüchtete war die Wohnungssuche in deutschen Großstädten auch schon vor dem Ukraine Krieg eine nahezu unmögliche Herausforderung. Viele Menschen, welche seit 2015 nach Deutschland gekommen sind suchen noch immer nach einer geeigneten Wohnung, um aus den prekären Massenunterkünften ausziehen zu können. Auch wenn Geflüchtete aus der Ukraine nicht vergleichbar vom allgegenwärtigen Rassismus auf dem Wohnungsmarkt betroffen sind, wird es für sie schwierig, einen der wenigen Plätze in einer Sozialwohnung zu erhalten. Das Forschungsinstitut Empirica rechnet damit, dass bis zu 500.000 neue Wohnungen benötigt werden, damit alle Geflüchteten aus der Ukraine untergebracht werden können.
Der Ausverkauf der kommunalen Wohnungsbestände und die Reduktion von Sozialwohnungen hat System. Alleine in Berlin gab es 2020 im Vergleich zum Vorjahr 26.339 weniger Sozialwohnungen. Damit fallen durchschnittlich 72 Wohnungen am Tag aus der Sozialbindung heraus und werden auf dem Markt gewinnbringend verkauft oder vermietet. Währenddessen steigen die Mieten weiter. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts haben sich die Mietkosten in den vergangenen sieben Jahren bundesweit um etwa 10 Prozent erhöht. In Berlin sind die Mieten sogar um 19 Prozent gestiegen.
Auch mit der sogenannten „Fortschrittskoalition” ist keine Abkehr von der bisherigen Politik zu erkennen. Die im Koalitionsvertrag beschriebene Mietpreisbremse ist nicht viel mehr als ein Lippenbekenntnis. Genauso die Landesregierung in Berlin, die unter Beteiligung der Linkspartei wenig gegen die Wohnungsnot in der Großstadt unternimmt. Die Koalition versucht, das erfolgreiche Volksbegehren durch langwierige Verfahren zu verschleppen und zu entschärfen. Dagegen zeigt das überwältigende Votum von mehr als 56 Prozent für die Enteignung von Deutsche Wohnen & Co, dass die Mieter:innen sich gegen eine Politik im Interesse der Immobilienwirtschaft entschieden haben. Um Wohnraum für alle zu gewährleisten muss das Volksbegehren umgesetzt, sowie die Spekulation mit Grund und Boden unterbunden werden. Der Leerstand von Wohnungen muss beendet und Besetzungen legalisiert werden.
Das Bundesweite Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn mobilisiert zum Housing Action Day 2022 zu Aktionen in sechzehn Städten. Das Bündnis ruft dazu auf, die sozialen Kämpfe in der Stadt zu verbinden. Für die Gestaltung einer antirassistischen, feministischen, klimagerechten und barrierefreien Stadt!