Pamplona: Die Frauen kommen unter die Hufe
// Spanische Frauen protestieren gegen die Akzeptanz von sexuellen Übergriffen, nachdem beim alljährlichen San Fermin-Stierkampffestival eine britische Jugendliche Berichten zufolge vergewaltigt wurde. Ihrer Meinung nach ist es an der Zeit, dass die Welt die Wahrheit über Pamplona erfährt. //
Während der sieben Tage des alljährlichen San Fermin Stierkampffestivals – welches Anfang Juli im Spanischen Staat stattfand – wurde von mehreren hundert sexuellen Übergriffen berichtet. Die Berichte reichten von Frauen, die begrapscht wurden, über sexuelle Nötigung bis hin zu Vergewaltigung. Wenige Statistiken zeigen die enorme Verbreitung von sexuellen Übergriffen– vor allem weil viele Frauen die Vorfälle nicht anzeigen – aber feministische Gruppen in Navarra (die Region, in der das Festival stattfindet) sagen, dass sie hunderte Beschwerden von Frauen bekommen, die das Pamplona Festival besuchen.
Es ist unmöglich zu leugnen, dass es passiert.
Die meisten Menschen wissen, dass der „Chupinazo“ – so der Name des Beginns des Festivals – die gefährlichste Zeit für Frauen ist. Wenn sich ihre Oberteile lüften oder ihre Kleidung durch die vorbeistürmenden Stiere zerrissen wird, werden sie häufig gegen ihren Willen angefasst. In der Vergangenheit tauchten auch Fotos davon auf und verbreiteten sich im Internet. Zu Beginn des diesjährigen Festival gab es Berichte von einer 19-jährigen Britin, die auf einer Toilette von sechs Männern sexuell belästigt wurde, bevor zwei FreundInnen sie retten konnten.
Dieser Vorfall entfachte Proteste von mehreren hundert Frauen, welche sich vor dem Rathaus von Pamplona versammelten und Schilder hochhielten mit der Aufschrift „genug“. Es wurde ein neuer Höhepunkt erreicht, dabei sind sexuelle Übergriffe in San Fermin nichts Neues. Seit mehr als 15 Jahren kämpfen feministische und soziale Bewegungen gegen diese Kultur der sexuellen Belästigung, welche unter dem Vorwand „auf Festivals geht alles“ stattfindet.
In den letzten vier Jahren fand diese Diskussion auch immer stärker in den Medien statt. Aber meistens verfehlte sie den Punkt. Der Großteil der Diskussionen, die sich um sexuelle Übergriffe auf dem Festivals drehten, vermied es das Patriarchat und die vielen Arten, auf die es Frauen angreift, zu kritisieren. Stattdessen neigten sie eher zum Gegenteil. Man muss sich nur die Werbung rund um das Festival ansehen. Sie könnte definitiv den vorhandenen Sexismus verurteilen, doch stattdessen fördert sie ihn. Das Werbeplakat eines andalusischen Reiseveranstalters aus diesem Jahr ist ein gutes Beispiel dafür. Das Poster zeigt die Silhouette eines Stiers, an dessen Horn ein BH hängt.
Dieses Plakat ist keine Ausnahme. Viel von dem Festival-Merchandise bedient sich sexualisierter Bilder vom „Chupinazo“. Diese Kampagnen wurden von der Obrigkeit Pamplonas kritisiert, so wie vom Verband der Clubs von Pamplona. Sie sagen, dass Werbung wie diese nur zur Legitimierung von sexuellen Übergriffen führe. Sogar die Marke „Kukuxumusu“, welche Merchandise und Werbekampagnen plant, stand aufgrund von Sexismus in der Kritik. Sie musste sich von einer Kampagne distanzieren, die Menschen in traditioneller Kleidung zeigt, wobei die einzige Frau dargestellt war, während sie ihr Top hochhob, um ihre Brüste zu zeigen. Diese Art der Werbung ignoriert – und steigert möglicherweise – die Realität der sexuellen Übergriffe in Pamplona.
Und auch wenn du als Journalistin bei San Fermin bist, gehst du das Risiko ein, sexuelle Nötigung zu erleben. Viele Medien berichten über das Festival und die meisten der ReporterInnen vor Ort sind Frauen. Am meisten wurde der Fall der Reporterin eines öffentlichen spanischen Fernsehsenders beachtet. Sie war während einer Sendung mit Wein bespritzt und ohne ihre Zustimmung geküsst worden. Der Moderator der Sendung sagte ihr daraufhin im Scherz, sie solle aufhören, den jungen Mann zu provozieren, der sie gerade belästigt hatte.
Dieses Jahr kamen nun 25 JournalistInnen von 14 Zeitungen aus Navarra zusammen, um die Kampagne „Für Festivals ohne sexuelle Belästigung“ zu unterstützen. Sie wurde vom Stadtrat von Pamplona gestartet, welcher seit einigen Jahren Kampagnen ins Leben ruft, die Gewalt aufgrund des Geschlechts vorbeugen und das Bewusstsein für die Thematik steigern sollen. Das Logo der diesjährigen Kampagne ist eine rote Hand, als Symbol der Ablehnung von Gewalt.
Aber ist das genug?
Örtliche feministische Gruppe begrüßen zwar die Bemühungen des Stadtrats, kritisieren jedoch die Tatsache, dass sie bei diesem Kampf jahrelang alleine waren. Ihrer Meinung nach kommt die Motivation des Stadtrates mehr vom Wunsch nach guter Publicity als vom echten Verlagen, die sexuellen Übergriffe zu beenden. Sie beschweren sich, dass sogar schwerwiegende Situationen unter den Teppich gekehrt werden, zum Beispiel im Fall von Nagore Laffage, einer jungen Frau, die 2008 in San Fermin von einem Mann ermordet wurde, dem sie Sex verweigert hatte.
Meiner Meinung nach sind die Bemühungen nicht genug. Im Gegenteil, sie verstärken sogar die sexistische und patriarchale Idee, dass es die Aufgabe von Frauen sei, sexuelle Übergriffe vorzubeugen oder zu wissen, wie man mit ihnen umzugehen hat, anstatt die Schuld dem Täter zu geben.
Kampagnen wie die des Stadtrates, die sich auf ein bestimmtes Ereignis im Jahr beschränken, reichen nicht aus, um den Kreislauf von patriarchaler Herrschaft zu durchbrechen, der verantwortlich ist für die Unterdrückung und Ausbeutung von Millionen von Frauen.
Sie sagen nichts, weder in Navarra noch im Rest von Spanien, über die sexistischen Werbeanzeigen, die das ganze Jahr über in den Medien auftauchen. Bis all der Sexismus, der Objektifizierung und Belästigung von Frauen legitimiert, aus unserer Gesellschaft verschwunden ist, wird es kein Ende der sexuellen Übergriffe in San Fermin geben.
Übersetzt von Anne Bonny von der revolutionären linken Jugendorganisation RedBrain