Palästina-Solidarität: Was sind die Aufgaben der Bewegung in Deutschland?

15.05.2021, Lesezeit 15 Min.
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shutterstock.com / Von Ringo Chiu

Die Solidaritätsbewegung für den palästinensischen Befreiungskampf steht in Deutschland vor großen Hürden: rassistische Schikanen, Polizeirepression und zusätzlich noch Vereinnahmungsversuche durch reaktionäre Kräfte. Die Arbeiter:innenklasse und internationalistische Kräfte müssen gemeinsam gegen die Besatzung und die Interessen des deutschen Imperialismus mobilisieren.

Nachdem es der israelischen Regierung gelang, den COVID-19-Virus unter Kontrolle zu bekommen, kehrte sie energisch zu ihrem Siedlungsprojekt als Hauptaufgabe zurück. Die aktuelle erneute Offensive findet im Kontext der Krise der israelischen Regierung statt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat seit 2018 Schwierigkeiten, eine Regierung zu bilden. Er musste vor einer Woche das Mandat an den oppositionellen Politiker Yair Lapid übergeben, der eine breite Koalition einzurichten vorhatte. Doch die jüngsten Ereignisse haben die Möglichkeiten enorm geschwächt. Netanjahu stützt sich auf die Sektoren der extremen israelischen Rechten, die einen vollständigen militärischen Krieg gegen die Palästinenser:innen befürworten, um an der Macht zu bleiben.

Die aktuellen Angriffe in Gaza finden im Anschluss der Vertreibung einheimischer Familien aus dem palästinensischen Viertel Sheikh Jarrah in Ost-Jerusalem statt. Es handelt sich von einem siedlerkolonialistischen Projekt. Dieses Vorgehen ist die klassische zionistische Methode des Bevölkerungsaustauschs: Die einheimische Bevölkerung wird vertrieben und Siedler:innen nehmen den Platz der Vertriebenen ein. Genau das findet gerade in Sheikh Jarrah, einem der wenigen verbliebenen palästinensischen Viertel Jerusalems, statt.

Wir haben es hier mit einem neuen Höhepunkt der siedlerkolonialistischen Praxis zu tun, die auf den Widerstand der palästinensischen Bevölkerung stößt. Bisher (Redaktionsschluss, 15. Mai) sind 119 Palästinenser:innen, darunter 27 Kinder und acht israelische Staatsbürger:innen ums Leben gekommen. Es gibt hunderte Verletzte. In Haifa und anderen Städten Israels ziehen aktuell rechtsextreme Zionist:innen durch die Straßen, brechen in Wohnungen ein, zerstören und plündern palästinensische Läden, lynchen Palästinenser:innen in einer pogromartigen Stimmung.

Der Widerstand gegen die rassistischen Zwangsräumungen in Sheikh Jarrah hat sich inzwischen in eine Massenerhebung umgewandelt. Mitten in der internationalen Konjunktur der Rückkehr der Klassenkämpfe und Revolte, entwickelt sich die Tendenz einer dritten Intifada. Wir sehen eine breite Mobilisierung des palästinensischen Volkes, das sich nicht mit faulen Kompromissen zufriedengibt. Denn die bisherigen Kompromisse brachten den Palästinenser:innen nur Isolation, Vertreibung und Armut, während sich der israelische Staat militärisch, ökonomisch und infrastrukturell ausbauen konnte. Außerdem schufen sie nach den Erfahrungen der beiden Intifadas den Boden für die reaktionär-korrupten Führungen wie die Fatah oder Hamas, die ohne Legitimität, sondern hauptsächlich durch Zwang entscheidende politischen Stellungen besetzt halten und sich als Führung des palästinensischen Widerstands profilieren. Die Palästinenser:innen sind also ein doppelt, wenn nicht sogar dreifach, unterdrücktes Volk.

Doch die aktuelle Situation hat einen entscheidenden Unterschied zu den vorherigen Situationen: Eine neue Generation anti-zionistischer jüdischer Aktivist:innen demonstriert weltweit geschwisterlich mit den Palästinenser:innen und lässt sich nicht vom israelischen Kolonialstaat kooptieren. Diese progressive Entwicklung eröffnet die Perspektive für einen fortschrittlichen Ausweg. Denn für die wahre Befreiung aus der nationalen Unterdrückung brauchen die Palästinenser:innen mehr als Kampfeswillen. Es stellt sich in Palästina und international die Frage, wie der Aufstand gegen die israelische Besatzung organisiert werden und was für eine Rolle die internationale Arbeiter:innenklasse dabei spielen kann.

Die Bedeutung der Palästina-Solidarität in Deutschland

Erneut diskutiert in Deutschland die gesamte Parteienlandschaft über die neue Welle der Erhebung der palästinensischen Bevölkerung. Es gibt eine starke Polarisierung, wobei die Unterstützung für den palästinensischen Widerstand größtenteils auf Unverständnis stößt. Das tiefe chauvinistische Klima, das bis weit in die deutsche Linke und Arbeiter:innenorganisationen hinein reicht, ist sicherlich eine große Hürde, um den Unterdrückten die Hand zu reichen. Obwohl in Israel von zionistischen Rechten pogromartige Mobilisierungen gegen die einheimischen Palästinenser:innen organisiert werden, konzentriert sich die Mehrheit in Deutschland darauf, die Solidaritätsbewegung zu diskreditieren.

Gerne wird behauptet, diese Haltung hätte etwas mit der besonderen historischen Verantwortung der Deutschen gegenüber der jüdischen Bevölkerung zu tun. Das ist in mehrfacher Hinsicht eine Farce: Die Unterstützung eines Kolonialstaates wie Israel hat wenig mit Solidarität mit der jüdischen Bevölkerung in Israel zu tun, sondern steht im Gegenteil der vollständigen Befreiung der Bevölkerung, auch von der Ausbeutung der israelischen Bourgeoisie, im Wege.

Andererseits gibt es in Deutschland bis heute keine Abrechnung mit dem Faschismus und den kapitalistischen Gewinner:innen des Genozids:

Die größten Profiteur:innen des Krieges und Unterstützer:innen Hitlers, die Großkapitalist:innen, kamen im Westen ungeschoren davon. Die Wirtschaftsbosse hatten an den Enteignungen der Jüdinnen:Juden, am Krieg und an der Zwangsarbeit sehr viel verdient. Konzerne wie VW basierten auf der staatlich geförderten Kriegswirtschaft und es gab kaum ein Großunternehmen, das nicht von Zwangsarbeit profitierte. Ihre Raubgewinne durften sie nach dem Krieg behalten.

Im Gegenteil: Die Passivität bis hin zur Feindlichkeit gegenüber dem palästinensischen Widerstand und Solidarität mit dem israelischen Kolonialismus liegt vor allem an einer Anpassung an den deutschen Chauvinismus und den imperialistischen Interessen der deutschen Bourgeoisie in der Region und der Tradition eben dieser ungebrochenen Kontinuität. Der deutsche Staat fördert den israelischen Staat mit Waffenexporten, diplomatischer Rückendeckung und der Kriminalisierung der Palästina-Solidarität. Dafür verwenden die deutschen Großkonzerne den israelischen Staat und Ressourcen in der Region als einen Stützpunkt für den Zugang an diesen Ressourcen sowie Auslandseinsätze. Dabei handelt es sich um eine verbrecherische Unterstützung des Kolonialismus, die wir auch in Beziehungen zwischen des deutschen Imperialismus und den türkischen Kolonialismus beobachten.

Auch daran ist keine Lehre aus dem Faschismus zu erkennen. Wie Die Freiheitsliebe schreibt:

Die militärischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel als Grundlage für die diplomatischen Kontakte wurden u.a. von ehemaligen Nazis und Wehrmachtssoldaten im BND, der als “Organisation Gehlen” gegründet worden war, geknüpft. Davon profitierten vor allem die, die auch von den beiden Weltkriegen am meisten gehabt haben: Deutsche Rüstungskonzerne von Thyssen-Krupp bis Rheinmetall.

Sowohl ökonomisch als auch politisch hat der deutsche Staat Interesse daran, den Apartheidstaat zu fördern. Doch die ökonomische Partnerschaft benötigt nicht nur Zwang, sondern auch eine Ideologie. Um hierzulande die oppositionellen Stimmen zum Schweigen zu bringen, wurde die 3D-Definition (Dämonisierung, Doppelstandards und Delegitimierung) aus zionistischen Think-Tanks importiert. Die Definition kommt von Natan Scharanski, einem rechten israelischen Politiker. Mithilfe dieser Definition werden immer wieder die Demonstrationen der Palästinenser:innen hierzulande schikaniert und kriminalisiert, da sie berechtigterweise dem unterdrückerischen Apartheidstaat seine Legitimität entziehen. Neulich wurde die 1.-Mai-Demonstration in Berlin unter dem Vorwand von Antisemitismus aufgelöst, obwohl jüdische linke Gruppen zu den Mitveranstalter:innen gehörten. Die jüdische Bevölkerung in Deutschland soll sich entweder an der Seite von Netanjahu und dem israelischen Staat positionieren oder ihnen wird unterstellt, in einer “Komfortzone” zu leben und den Antisemitismus zu reproduzieren. Es geht dabei also nicht um die Rechte der Juden und Jüdinnen, sondern um die Verteidigung eines bürgerlichen Staats.

Statt Gleichsetzung muss DIE LINKE die Verteidigung Palästinas effektiv unterstützen

Wie oben ausgeführt, gibt es eine wechselseitige Beziehung zwischen dem deutschen Imperialismus und dem zionistischen Apartheidstaat. Um die Palästina-Solidarität zu verstärken, müssen wir den deutschen Staat zurückdrängen. Auf dem Wege dahin gibt es mehrere Hürden zu überwinden.

Das Statement von Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler von DIE LINKE steht exemplarisch für eine Kampfvermeidungsstrategie.

Die Existenz und die Gründungsgeschichte Israels bleibt für uns als Linke in Deutschland eine unwiderrufliche Konsequenz aus der Schoah und der Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden. Für uns als Linke aus Deutschland, dem Land der Täter, bleibt dieses besondere Verhältnis ein unverzichtbarer Auftrag aus der Geschichte.

Sie betreiben einen Geschichtsrevisionismus und verharmlosen den Siedlungskolonialismus, wenn sie behaupten, die Gründungsgeschichte von Israel sei als Lehre aus dem Holocaust hervorgegangen. Wie wir im Artikel “Nakba-Tag: 73 Jahre Besatzung und Ethnische Säuberung durch Israel” dargestellt haben, war der Genozid an Juden und Jüdinnen in Deutschland ein Grund der neuen Einwanderungswellen nach Palästina, aber nicht der Grund für die Konzeption des Siedlungsprojekts der bürgerlich-zionistischen Kräften in Palästina mit Unterstützung des britischen Imperialismus oder die Staatsgründung auf zionistischer Basis. Der zionistische Stratege David Ben Gurion war schon 1935 – 13 Jahre vor der Nakba oder der israelischen Staatsgründung der Ansicht, dass “nur eine kleine Minderheit von Palästinenser*innen bleiben könne, um die Entwicklung eines jüdischen Staates zu garantieren, und der Rest in andere arabische Länder ‚überführt‘ werden müsse.”

Darüber hinaus werden die Verteidigungsmaßnahmen von der Widerstandsbewegung mit den israelischen militärischen Angriffen gleichgesetzt. Das Narrativ, Israel müsse einen Überlebenskampf führen, wird wortwörtlich aufgenommen und verbreitet. Dabei handelt es sich hierbei um den militärisch stärksten Staat in der Region, ausgerüstet mit einem hoch modernisierten Raketenabwehrsystem, der Palästinenser:innen in einem Freiluftgefängnis einsperrt und jegliche Unterstützung unterbindet. Wer aber den Krieg einer hochgerüsteten Besatzungsmacht mit der Verteidigung gleichsetzt, will keinen Frieden, sondern die Fortsetzung der Besatzung unter “humanitären” Bedingungen.

Es sei inakzeptabel, dass dem palästinensischen Volk die Selbstbestimmung verwehrt bleibt, schreiben Janine Wissler und Susanne Henning-Wellsow weiter. Wann hat sich DIE LINKE aber für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser:innen eingesetzt? Was gibt es dafür für Kampagnen oder Mobilisierungen? Fehlanzeige. Es ist auch unmöglich, dass die Palästinenser:innen im Rahmen der Zwei-Staaten-Lösung das Selbstbestimmungsrecht ausüben können. Spätestens die Erfahrungen des Osloer Friedensprozesses nach der ersten Intifada sollten das bestätigt haben.

Die andauernde Kolonialisierung, die militärische Expansion Israels, die ungelöste Frage der Flucht, Vertreibung und Ausplünderung von Häusern und Dörfern der Palästinenser:innen verunmöglichen die Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung. Deswegen bleibt das gesamte Statement nichts anderes als Phrasendrescherei und Verharmlosung der Verbrechen des Kolonialismus. Wenn die Linkspartei sich hinter dem Widerstand der palästinensichen Bevölkerung und gegen die israelische Besatzung stellen will, sollte sie Mobilisierungen für einen Rüstungsstopp nach Israel und für einen Abbruch der politischen und finanziellen Unterstützung Israels durch Deutschland organisieren.

Der Hauptfeind steht im eigenen Land: Was sind die Aufgaben der Arbeiter:innenbewegung?

Als Schritt auf dem Weg zu einer Föderation Sozialistischer Republiken des Westasiens, vertreten wir als revolutionäre Marxist:innen die Perspektive eines sozialistischen, laizistischen und multiethnischen Palästina auf dem gesamten historischen Gebiet Palästinas, indem die jüdische und arabische Bevölkerung sowie weitere Religionen und Ethnizitäten geschwisterlich zusammenleben. Dafür muss der Imperialismus aus der Region durch einen gemeinsamen Kampf der Arbeiter:innenklasse in imperialistischen Zentren und in Westastien rausgeworfen werden.

Die Aufgaben der Arbeiter:innenklasse und der internationalistischen Kräfte in Deutschland beginnen notwendigerweise auf einem defensiven Boden, da die reformistischen Arbeiter:innenparteien (SPD und DIE LINKE) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) es versäumt haben, sowohl gegen den Rassismus, als auch gegen die nationale Unterdrückung ein konsequentes Kampfprogramm aufzustellen. Die Gewerkschaftsbürokratie hat kein Interesse daran, die Palästina-Solidarität in die Agenda aufzunehmen. Sie kollaboriert eher mit dem chauvinistischen Gewerkschaftsverband Histadrut in Israel, deren historische Aufgabe darin bestand, die palästinensischen Arbeiter:innen aus dem Arbeitsmarkt zurückzudrängen. Die bürokratische Kaste innerhalb der Gewerkschaften ist mit den Interessen des deutschen Staates verschmolzen, weshalb sie die deutsche Staatsideologie problemlos aufnimmt. Die politische Vertretung der Bürokratie ist der Reformismus, der in Deutschland von SPD und der Linkspartei verkörpert wird.

Die Gewerkschaften können im Zeitalter des Imperialismus nicht frei sein. Sie stehen unter der Knute der Bürokratie, die in ihrer Vermittlung ein politisches Programm der Bourgeoisie vertritt, das die Beschränkung von Streiks, die Aussetzung des Asylrechts in den 1990ern, den Standortnationalismus, Hartz IV, das Inländer:innenprimat, das sogenannte Integrationsgesetz, die Spaltung von Belegschaften, Verhinderung der Aktionen gegen imperialistische Kriege und letztlich das Privateigentum an Produktionsmitteln umfasst.

Die Arbeiter:innenklasse als einzigartiges Subjekt, das universelle Emanzipation gewährleisten kann, macht zwar die Mehrheit der Gesellschaft aus, aber gleichzeitig ist sie gespalten und auf ihr rein ökonomisches Subjekt reduziert wie noch nie. Wenn die Arbeiter:innen den ökonomistischen Rahmen nicht überschreiten und sich zu politischen Angelegenheiten nicht äußern, bleiben sie nichts anderes als Kräfte für eine effektive Ausbeutung. So sind sie dazu verdammt, nur für Lohnerhöhungen von einer Tarifrunde zur nächsten mobilisiert zu werden. Ihnen wird jegliche Grundlage entzogen, um sich selbst und die Gesellschaft zu emanzipieren.

Neben den großen Massenmobilisierungen in Solidarität mit dem Widerstand in Palästina braucht es Aktionen, Streiks, Besetzungen der Arbeiter:innenklasse gegen die finanzielle und militärische Unterstützung des deutschen Staates an die israelische Besatzung. Um solche internationalistische Aktionen in Gewerkschaften durchzusetzen, braucht es eine Organisierung, die gegen die chauvinistische Gewerkschaftsbürokratie kämpft. Versammlungen in Betrieben, Universitäten und öffentlichen Plätzen, auf der über die Lage in der Region und die Rolle des deutschen Imperialismus diskutiert wird, können Stützpunkte für die Organisierung solcher Aktionen in Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung sein.

Um ein Beispiel zu nennen, was die Arbeiter:innen hierzulande für Aktionen organisieren können: Die italienischen Hafenarbeiter:innen in Livorno haben in Solidarität mit Palästina verweigert, ein Schiff zu entladen, das für Israel Waffen transportieren sollte. So blockierten sie die Waffenlieferung. Die Hafenarbeiter*innen in Deutschland können von diesen Erfahrungen nur lernen. Das Waffengeschäft zwischen Deutschland und Israel ist essentiell für die Unterdrückung des palästinensischen Volkes. Auch die kurdische Bevölkerung leidet unter dem Waffenexport an den türkischen Staat – wie im Falle der Besatzung von Afrin durch deutsche Panzer. Die Waffenlieferungen an den israelischen und türkischen Staat zu verhindern, die Palästina und Kurdistan besetzt halten, wäre daher ein großer Schritt. Sämtliche diplomatischen Verträge und der Inhalt von Frachtlieferung müssen vor den Arbeiter*innen offengelegt werden. Sie sollen die Exporte kontrollieren und Waffenlieferungen stoppen können.

Internationalismus der Arbeiter:innenklasse gegen die Vereinnahmung durch reaktionäre Kräfte

Wenn die internationalistischen Kräfte und die Arbeiter:innenklasse in Deutschland es nicht schaffen, ein Kampfprogramm gegen die israelische Besatzung aufzustellen, gewinnen reaktionäre Kräfte an Einfluss. Heute diskutiert die politische Landschaft erneut über antisemitische Vorfällen in mehreren Städten wie Bonn, Gelsenkirchen, Münster und Dortmund, zu denen es während Demonstrationen gegen die israelischen Angriff kam. Die Demonstrationen dürfen nicht vor Synagogen stattfinden, weil sie keine Einrichtungen des zionistischen Staates sind, sondern Teil des jüdischen Lebens in Deutschland. Solche Aktionen schüren nur Hass auf die jüdische Bevölkerung und verunmöglichen die Herstellung einer internationalistischen Kampffront.

Für die israelsolidarischen Akteur:innen waren die Vorfälle ein optimaler Anlass, um erneut allen Aktivist:innen Antisemitismus zu unterstellen. Doch die Täter:innen sind Graue Wölfe, türkische Faschist:innen. Sie sind alles andere als Palästinasolidarisch und es haben sich bereits Palästinenser:innen von ihrer Teilnahme distanziert.

Umso wichtiger ist die Bedeutung der Teilnahme von internationalistischen Kräften, Arbeiter:innenorganisationen, der jüdischen, kurdischen, armenischen Aktivist:innen an den Solidaritätsdemonstrationen, um die Kooptierung der Palästina-Solidarität durch die antisemitischen und chauvinistischen Kräfte zu verhindern. Es braucht Massenmobilisierungen dieser gegen die israelische Besatzung und die Rolle des deutschen Imperialismus, zu der unter anderem auch die Gewerkschaften aufrufen müssen. Wir brauchen Aktionen an Orten wie vor der israelischen Botschaften, dem Auswärtigen Amt, deutschen Waffenfabriken, dem deutschen Verteidigungsministerium sowie vor EU-Institutionen.

Eine politische Strömung der Arbeiter:innenklasse kann an Kraft gewinnen, wenn sie sich mit den vom Kapitalismus ausgebeuteten Kolleg:innen und unterdrückten Sektoren im Kampf zusammenschließt, um weitergehende Forderungen der multiethnischen Arbeiter:innenklasse, die aus deutschen, palästinensischen, jüdischen Arbeiter:innen in Deutschland besteht, zu erreichen. Volle Staatsbürger:innen- und Arbeitsrechte für hier lebende Menschen, die Anerkennung aller Asylanträge und die Gewährung von vollem Recht auf Asyl, der Stopp der Waffenexporte und aller Auslandseinsätze, der Stopp der inneren Militarisierung und die Rücknahme der restriktiven Polizeigesetze, die Rücknahme der sogenannten Integrationsgesetze, der Stopp sämtlicher Diskriminierung in der Arbeit wie durch Prekarisierung und Outsourcing, können nicht durch Dienstleistung, sondern nur im politischen Kampf erreicht werden.

Früher stand auf dem Banner der internationalen Arbeiter:innenbewegung, dass sie kein Vaterland hat und sich nur gemeinsam mit ihren Klassengeschwistern international emanzipieren kann. Heute müssen wir diese Tradition wieder aufbauen. Es braucht eine Einheit der palästinensischen, jüdischen sowie der internationalen Arbeiter:innenklasse, um den Rauswurf aller imperialistischen Kräfte aus der Region und einer sozialistischen Föderation Westasiens als Perspektive aufzustellen. Die Befreiung ist nur möglich, wenn die Arbeiter:innen in imperialistischen Zentren sich mit dem Kampf der unterdrückten Völkern zusammenschließen. Es braucht eine internationale revolutionäre Organisation, die das Programm der Befreiung von Ausbeutung und nationaler Unterdrückung vorantreibt.

Zeigen wir uns mit dem Widerstand der palästinensischen Bevölkerung gegen die Besatzung solidarisch. Kämpfen wir in Deutschland gegen die deutsche Bundesregierung und die Großkonzerne, die dem israelischen Apartheidsregime den Rücken deckt – und zwar mit den Mitteln der Arbeiter:innenklasse – Massendemonstrationen, Streiks und Besetzungen.

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