PAG in Bayern: Wie die Polizei zum Geheimdienst wird

04.05.2018, Lesezeit 3 Min.
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Laut dem Entwurf zum neuen Polizeiaufgabengesetz des Landes Bayern soll die Polizei auch bei „drohenden Gefahren“ künftig mehr Eingriffsbefugnisse zum Schutz bestimmter Rechtsgüter erhalten. Die Einführung solcher Tatbestände würde die demokratischen Rechte der Bevölkerung weiter einschränken.

Kontaktverbote, Kommunikationsüberwachung oder Aufenthaltsverbote. All diese Eingriffe in die persönliche Freiheit sollen nach dem Willen von Söder, Seehofer und Co. der Polizei noch leichter gemacht werden.

Bisher verlangen diese Eingriffe in fast allen Bundesländern die konkrete Gefahr, dass die Verletzung für ein Rechtsgut mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unmittelbar bevorsteht. Im Berliner Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) heißt es dazu beispielsweise:

§ 17 Absatz 1 ASOG:
Die Ordnungsbehörden und die Polizei können die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren, […].

Da alle Polizei- und Ordnungsgesetze in Deutschland grundsätzlich auf einem Musterentwurf basieren, findet sich diese Formulierung in ähnlicher Form in allen Polizeigesetzen wieder.

In Bayern ist ein Eingriff hingegen seit dem letztem Jahr schon bei „drohender Gefahr“ zulässig. Im Artikel 11 Absatz 3 PAG heißt es da:

Die Polizei kann die notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr auch treffen, wenn im Einzelfall
1. das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, oder
2. Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen den Schluss auf ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen zulassen, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entsteht (drohende Gefahr), […]“

Eine „Vorbereitungshandlung“ wäre nach der offiziellen Gesetzesbegründung zum Beispiel die Teilnahme an sogenannten Terrorcamps. Doch der Entwurf geht weit darüber hinaus. Er erweitert die Möglichkeit von Eingriffen nur bei „drohender Gefahr“ auf zahlreiche weitere Standardmaßnahmen. Kommunikations- oder Aufenthaltsüberwachung, Beschlagnahme der Post oder Kontaktverbote sind alles Maßnahmen, die der Polizei erleichtert werden, indem die Gefahr vorverlagert wird. Doch wann genau die Schwelle zur drohenden Gefahr überschritten ist, ist unklar. Die Polizei würde damit quasi-geheimdienstliche Befugnisse in ihrer Hand haben.

Wichtige Rechtsgüter, die beispielsweise durch erkennungsdienstliche Maßnahmen nach Artikel 14 PAG-neu geschützt werden sollen, sind der Bestand des Bundes oder des Landes, die sexuelle Selbstbestimmung, Leben, Gesundheit und Freiheit, das Eigentum sowie Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhalt im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Auch hier geht die Unbestimmtheit weiter.

Welchen Wert muss Eigentum haben, um Personenkontrollen bei drohender Gefahr zu rechtfertigen? Soll der Bestand des Staates plötzlich mit dem Besprühen von Wänden gleichgesetzt werden?

Und was sind eigentlich „Sachen von bedeutendem Wert“? Sicher argumentieren Verteidiger*innen dieser Reform damit, dass weiterhin die Verhältnismäßigkeit bei allen Maßnahmen gewahrt bleiben muss. Doch auch die Maßstäbe der Verhältnismäßigkeit sind unbestimmt und unterliegen einer reinen Abwägung von Interessen. Welches Interesse überwiegt, entscheiden dann weiterhin Polizei und Gerichte.

Schon das Polizeirecht in der heutigen Form ist ein Einfallstor für willkürliche Maßnahmen. Die Einschränkung der Versammlungsfreiheit in Hamburg zum G20-Gipfel oder auch die massenweise Überwachung von Handydaten in Dresden 2011 sind nur zwei Beispiele dafür. Die Reform des PAG wäre ein weiterer Schritt zur Normalisierung solcher Maßnahmen.

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