Pablo Iglesias verlässt die spanische Regierung – um eine Wahlniederlage in Madrid zu vermeiden
Der Anführer der spanischen Partei Podemos gab am Montag bekannt, dass er die Vizepräsidentschaft der von Pedro Sanchez geführten Regierungskoalition verlässt, um bei den Wahlen in der Region Madrid zu kandidieren. Auf diese Weise versucht er, die Krise in Podemos zu stoppen, sich von der Regierungsführung zu trennen und eine Einigung mit seinem alten Partner Íñigo Errejón zu erzwingen.
Der Generalsekretär von Podemos, Pablo Iglesias, kündigte am Montag seinen Rücktritt als Vizepräsident der spanischen Regierung an. Dort regiert Podemos in Koalition mit der sozialdemokratischen PSOE unter dem Ministerpräsidenten Pedro Sánchez. In einem an die Presse gerichteten Video begründete er diese Entscheidung mit seinem Ziel, als Kandidat von Unidas Podemos bei den Wahlen zur Region von Madrid am 4. Mai anzutreten.
„Ich werde bei den Wahlen am 4. Mai in der Region Madrid kandidieren“, die derzeit von der rechtskonservativen Volkspartei (PP) kontrolliert wird, sagte Iglesias in einem Video, das in den sozialen Netzwerken veröffentlicht wurde.
„Ich habe viel nachgedacht; ich habe beschlossen, dass ich, wenn die Mitglieder es wollen, mich bei den Vorwahlen als Kandidat für die Wahlen der Region von Madrid vorstellen werde“, sagte Iglesias, der argumentierte, dass „ein Aktivist dort sein muss, wo es am nützlichsten ist“.
Der 42-jährige Anführer von Podemos ist seit Januar 2020 Vizepräsident für soziale Rechte, als Podemos als Juniorpartnerin der PSOE in die Exekutive eintrat.
Iglesias sagte, er habe Sanchez seine „Entscheidung mitgeteilt, den Posten in der Regierung zu verlassen, wenn der Wahlkampf beginnt“. Außerdem kündigte er an, dass er als seine Nachfolgerin im Amt die derzeitige Arbeitsministerin Yolanda Diaz vorschlage. Díaz ist Mitglied der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) und Teil des Wahlbündnisses Unidas Podemos. Alle diese Änderungen müssen noch von Präsident Pedro Sánchez akzeptiert werden.
Auf diese Weise versucht der Podemos-Chef, seiner Partei neuen Atem zu verleihen, die eine Reihe von Wahlniederlagen hinter sich hat. Auf der anderen Seite versucht er, sich von der Führung der Zentralregierung und dem Koalitionspartner, der PSOE, zu trennen. Diese ist gerade in der Region Murcia in einen Skandal verwickelt, da sie versuchte, einen geheimen Misstrauensantrag gegen die lokale Regierung der PP zusammen mit den rechten Ciudadanos auszuhandeln. Ciudadanos, die als rechte Alternative zur konservativen PP entstanden ist, so wie Podemos den Raum links von der PSOE einnahm, befindet sich in einer tiefen Krise. Diese bedingt sich durch den Austritt vieler ihrer Mitglieder, die zur PP abwandern, und durch den Druck der rechtsextremen Partei VOX. Iglesias sieht Podemos im Spiegel von Ciudadanos und versucht, ihr durch seine Kandidatur in Madrid frischen Wind zu geben. Dabei setzt er auf eine Zusammenarbeit mit seinem ehemaligen Kollegen und Mitgründer von Podemos, Íñigo Errejon, der sich vor einigen Jahren abspaltete und seine eigene Organisation, Más Madrid, gründete.
Die Wahlniederlagen von Podemos und seinen Bündnispartnern in Galicien und im Baskenland sowie ihre Stagnation und Irrelevanz in Katalonien und die Prognosen der Umfragen für Madrid, wo sie sogar aus dem Landesparlament fliegen könnten, zeigen, dass der politische Raum des iberischen Neoreformismus von Podemos von der linken Säule des Zweiparteien-Regimes (der PSOE) zurückerobert wird. Denn Podemos hat der PSEO dabei geholfen haben, sich neu zu formieren.
Andererseits hat das Scheitern der sogenannten „Operation Murcia“ die PSOE und ihre aktuellen Partner – Unidas Podemos – und potenziellen Partner – Más Madrid – in eine sehr schlechte Situation gebracht.
Alejandro Bravo, Redakteur von Izquierda Diario im Spanischen Staat, kommentierte:
Madrid zu verlieren, würde für Podemos das tatsächliche Verschwinden auf Landesebene bedeuten, was der erste Schritt zur politischen Irrelevanz sein könnte. Die Entscheidung von Iglesias muss unter dem Gesichtspunkt verstanden werden, das Überleben des Projekts zu sichern. Kurzfristig versucht er, ein neues Debakel bei diesen Wahlen zu vermeiden. Langfristig könnte es ein neuer Versuch von Unidas Podemos sein, sich gegenüber der PSOE neu zu positionieren, die nach jeder neuen Umfrage auf Kosten ihres Minderheitspartners immer stärker werden.
Pablo Iglesias versucht, seine Kandidatur mit einem epischen Diskurs des Kampfes gegen die Rechte und die extreme Rechte zu präsentieren und ruft zur Einheit der Linken auf. Dieses Manöver zielt vor allem darauf ab, eine Einigung mit Más Madrid zu erzwingen, aber auch, um die gesamte soziale und politische Linke in Madrid hegemonial anzuführen. [Aktualisierung: Más Madrid hat offenbar das Angebot von Iglesias ausgeschlagen und wird separat für die Wahlen in Madrid antreten. A.d.Ü.]
Aber die Verhärtung des Diskurses seitens Iglesias und Podemos kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Rezept dasselbe ist wie all die Jahre zuvor: weiterhin auf das kleinere Übel zu setzen. Um eine zukünftige Regierung aus PP und VOX zu vermeiden, wären sie bereit, sich mit der PSOE zu einigen – und vielleicht sogar mit Ciudadanos.
Ihre Beteiligung an der aktuellen Regierung von Pedro Sanchez ist das beste Beispiel für die Ergebnisse der Methoden des Neo-Reformismus. „Die ‚fortschrittlichste Regierung der Geschichte’ – wie sich die PSOE-Podemos-Koalition gerne bezeichnet – hat nicht nur dabei versagt, die große Mehrheit der begrenzten Versprechen der Koalition zu erfüllen. Sondern sie hat die Kosten der Wirtschafts- und Gesundheitskrise auf den Schultern der Massen abgeladen, indem sie große Unternehmen rettete, die korrupte Monarchie aus einer ihrer größten Krisen rettete, die Geflüchtetenlager offen ließ, das reaktionäre Migrationsgesetz aufrechterhielt und die Jugend unterdrückte, die auf die Straße ging, um für Meinungsfreiheit zu protestieren“, so Bravo.
Santiago Lupe, Sprecher der Revolutionären Arbeiter:innenströmung (CRT), analysiert seinerseits:
Diese Entscheidung kann schief gehen und ein weiteres Wahldesaster hervorrufen. In diesem Fall könnte Podemos am Ende ein gemeinsames Todesdatum mit dem „Podemos der Rechten“, Ciudadanos, haben. Wenn die Wette jedoch aufgeht, eröffnen sich zwei Möglichkeiten. Wenn alles so bleibt, wird es ein hoher Preis gewesen sein, aber Iglesias könnte die Erhaltung seines politischen Projekts für eine Weile erreichen und gleichzeitig eine Geste der Stärke innerhalb des Ministerrats setzen. Ob er dies als Chef der Opposition zu einer PP-Vox-Regierung in Madrid tut oder als Teil einer neuen Regionalregierung einer breiten Koalition, die Ciudadanos einbeziehen könnte, wenn sie nicht aussterben, werden wir am Wahltag sehen.
Angesichts der Idee, erneut das „kleinere Übel“ zu unterstützen, erklärt Lupe:
Wir von der CRT unterbreiten einen Vorschlag, der dieses ewige ‚kleinere Übel‘ überwindet, das immer weiter nach rechts geht. Heute soll eine rechte PP-Vox-Koalition verhindert werden, wofür auch mit der neu-rechten Ciudadanos zusammengearbeitet werden könnte. Morgen kann es soweit sein, die PP zu unterstützen, um zu verhindern, dass sie mit VOX koalieren. Unser Vorschlag an Anticapitalistas, Izquierda Revolucionaria, und andere Gruppen wie Corriente Roja und Aktivist:innen, Gewerkschafter:innen, Studierende, die Frauenbewegung und die antirassistischen Kollektive ist es, eine antikapitalistische Front der Arbeiter:innen zu bilden. Diese muss für ein Programm kämpfen, damit die Kapitalist:innen für diese Krise bezahlen, die auf die soziale Mobilisierung setzt, um der neoliberalen Politik und dem Vormarsch der Rechten entgegenzutreten, und die völlige Unabhängigkeit vom ‚progressiven‘ Flügel des Establishments bewahrt, der die gleichen Angriffe auf uns anwenden will. Der Kampf für eine andere Linke wird mehr und mehr zu einer Frage von Leben und Tod. Dem Vormarsch der Rechten kann keine ‚Linke‘ etwas entgegensetzen, die die Demoralisierung und ausbleibende Lösungen für ernsthafte soziale Probleme schürt – der Nährboden, auf dem VOX versucht, voranzukommen. Aber darüber hinaus gibt es ohne eine solche Linke, die sich auf die Entwicklung der sozialen Mobilisierung und der Selbstorganisation konzentriert, um für ein antikapitalistisches Programm zu kämpfen, keinen möglichen Ausweg aus den großen Problemen der Arbeitslosigkeit, des Wohnungsbaus oder der Armut, und darüber hinaus, um ein von der Diktatur geerbtes monarchisches Regime zu beenden.
Dieser Artikel erschien zuerst am 15. März 2021 auf Spanisch bei La Izquierda Diario.