Outsourcing an der FU Berlin: Weitreichende Pläne
Die Kanzlerin der Freien Universität Berlin Andrea Bör will flächendeckendes Outsourcing ermöglichen. Die Zustimmung des Senats steht noch aus.
Bisher hat noch niemand in den Printmedien über den Vorstoß berichtet, doch die Folgen könnten verheerend sein: Ein Beschluss des Kuratoriums der Freien Universität Berlin (FU) vom 13. Dezember könnte es der Unileitung ermöglichen, flächendeckend Tätigkeiten auszulagern. Abschließend wird der Berliner Senat in der Sache entscheiden.
Vorangetrieben hatte den Beschluss die umstrittene Kanzlerin der FU, Andrea Bör. In der Kuratoriumssitzung wies sie die im Beschluss konkret und rechtssicher ausformulierten Auslagerungspläne allerdings zurück. Es handele sich lediglich um eine Ermöglichungsstruktur, so Bör. Der angehängte Gesellschaftsvertrag, der jW vorliegt, ermöglicht es, wissenschaftliche und wissenschaftsnahe Dienstleistungen sowie die Bewirtschaftung technischer Infrastruktureinrichtungen von einer GmbH erledigen zu lassen.
Laut Beschlusstext soll die Einrichtung der sogenannten GWI Gesellschaft Wissenschaft und lnnovation Berlin mbH durch Änderung der Zweckbestimmung der bisher ruhenden Betriebsgesellschaft ZE Botanischer Garten und Botanisches Museum mbH ins Werk gesetzt werden. Die GmbH soll dann gemeinsam mit dem Technologie- und Gründungszentrum FUBIC in einem rund 50.000 Quadratmeter großen lnnovationspark auf dem Gelände eines ehemaligen US-Militärkrankenhauses in der Fabeckstraße angesiedelt werden. Beunruhigend ist dem Gesamtpersonalrat zufolge laut dessen Information vom 12. Januar im Internet, dass die geplante Gesellschaft berechtigt sein soll, „alle Geschäfte vorzunehmen, die dem vorgenannten Geschäftszweck förderlich sind“, und „Beteiligungen an anderen Gesellschaften einzugehen“ – inklusive der Berechtigung, „Dritte mit der Erledigung bestimmter Aufgaben zu beauftragen oder diesen die Erledigung zu überlassen“. Mit anderen Worten: die Beauftragung von Subsubunternehmen.
An die Mitglieder des Kuratoriums, die kurz vor Weihnachten diesem Antrag sicher in guter Absicht zugestimmt haben, appellieren wir, den Beschluss im Interesse der Beschäftigten der Freien Universität Berlin zu revidieren,
so der Gesamtpersonalrat in einer Bekanntmachung vom vergangenen Mittwoch. Die »weitreichenden Ausgliederungspläne« seien bei der Beschlussfassung »weitestgehend unbeachtet geblieben, weil sie unter dem unscheinbar klingenden Tagesordnungspunkt ›Standortentwicklung FUBIC/Transfer GmbH‹ subsummiert wurden. Gegen einen Innovationspark an sich spräche nichts, sofern die Arbeitsverhältnisse der FU-Beschäftigten nicht berührt würden.
Personalräte und Verwaltungsleitungen sind über die Pläne der Kanzlerin nicht in Kenntnis gesetzt worden, sondern erfuhren erst durch den Beschlusstext von dem Vorhaben«.
Unzählige Berufsgruppen an der FU werden durch den Beschluss in Frage gestellt, denn wissenschaftsnah sind nahezu alle Beschäftigungsverhältnisse an der FU, die Mitarbeiterin im Labor, der Bibliothek, aber auch Techniker, IT-Beschäftigte, Gärtner und Tierpfleger. Wir erleben derzeit Personalmangel in vielen Bereichen, Einstellungen werden zurückgehalten,
so Claudius Naumann, Sprecher der Verdi-Betriebsgruppe der Hochschule. Durch ihren Beschluss schaffe die FU
die Möglichkeit, die Tätigkeiten in die GmbH auszugliedern. Wir erwarten deshalb von den Verantwortlichen im Senat, dass sie auch im Sinne des Koalitionsvertrags dem GWI-Projekt in dieser Form die Zustimmung verweigern.
Der wissenschaftspolitische Sprecher der Linken schließlich, Tobias Schulze, teilte jW mit, dass es vorab keinen Austausch mit der Hochschulleitung gegeben habe. Er kenne privatrechtlich organisierte Transfergesellschaften von Technischer Universität und Humboldt-Universität (beide Berlin). Zwar unterstütze er den Ausbau des Gründungszentrums FUBIC an der FU, bisher sei für FUBIC jedoch keine zusätzliche privatwirtschaftliche Struktur notwendig gewesen. Der Unternehmenszweck sei zudem zu weit gefasst. Dem Auslagern von Hochschulaufgaben in eine privatwirtschaftliche Tochter werde er nicht zustimmen, so Schulze. Kanzlerin Bör sei zudem vom Akademischen Senat und weiteren Gremien das Misstrauen ausgesprochen worden. Der letzte Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) hatte sie abgeordnet. Dieses Verfahren nähme die neue Senatorin mit in ihre Amtszeit. Schulze erwartet, dass das Votum der Gremien berücksichtigt wird und zerstörtes Vertrauen an der FU wiederhergestellt werden kann.
Eine Anfrage an die zuständige Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Bündnis 90/Die Grünen), ob sie die Auslagerungspläne befürwortet, blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.
Dieser Artikel erschien zuerst am 17. Januar 2022 in der Jungen Welt.