Outsourcing als Prinzip
Die Arbeiter*innen des Botanischen Gartens der Freien Universität in Berlin kämpfen gegen Entlassungen. Die Universität weist die Verantwortung von sich.
„Ihr redet heute über mich und meine Zukunft.“ Das steht auf dem bananengelben T-Shirt von Lukas S., Arbeiter beim Botanischen Garten in Berlin. Der Betriebsratsvorsitzende ist mit mehreren Dutzend Kolleg*innen zu einer Sitzung des Kuratoriums der Freien Universität (FU) Berlin erschienen. Sie tragen Palmen und Protestschilder.
Der Botanische Garten gehört zur FU, aber ein großer Teil seiner Belegschaft nicht. Seit 2007 werden Reinigung, Technik und Besucherservice von einer Tochtergesellschaft ausgeführt, die zu 100 Prozent der FU gehört. Dadurch verdienen die Beschäftigten bis zu 72 Prozent weniger als ihre Kolleg*innen, die zur Universität gehören, für die gleiche Arbeit.
Und jetzt soll es noch eine zweite Stufe des Outsourcings geben: Die Aufgaben sollen an Fremdfirmen vergeben werden, was betriebsbedingte Kündigungen für 31 Arbeiter*innen bedeuten würde. Ob dadurch Kosten gespart werden können, ist nicht klar. So wurde im Bereich der Technik ein Leiharbeiter eingesetzt. Dieser verdiente aber 2,50 Euro die Stunde mehr als die Stammbelegschaft. Dazu bekam er noch Urlaub- und Weihnachtsgeld, was den meisten verwehrt wird. „Die Löhne bei uns sind dermaßen im Keller“, sagte S., „dass Leiharbeiter mehr verdienen als wir.“
Die Ausgliederung der Reinigung läuft schon. Doch auch hier ist es zweifelhaft, ob die Geschäftsführung nachweisen kann, dass eine Fremdfirma tatsächlich billiger wäre. Denn der allgemeinverbindliche Tarifvertrag in der Reinigungsbranche schreibt einen Mindestlohn von 9,23 Euro die Stunde vor. Aktuell verdienen die Beschäftigten im Botanischen Garten nur 8,77 Euro, weil sie nicht bei einer Reinigungsfirma angestellt sind.
Die Angestellten und die Gewerkschaft ver.di fordern eine Lohnerhöhung auf das Niveau des Tarifvertrags für Landesbeschäftigte, der für die FU gilt, bis zum Jahr 2017. Das Präsidium der Hochschule streitet die Verantwortung ab und verweist auf die Unterfinanzierung durch das Land Berlin. Die Lohnerhöhung würde mindestens eine Million Euro kosten, so FU-Präsident Peter-André Alt auf der Kuratoriumssitzung.
„Überall an der Universität sind diese Dienste outgesourct“, erläuterte FU-Kanzler Peter Lange. „Reinigung, Wachdienste, Schneebeseitigung“ – er rechnete vor, wie viele Millionen die Hochschule jedes Jahr an Fremdfirmen überweist. Das sei zu seiner Studienzeit anders gewesen. Damals sei die Frau an der Garderobe auch direkt bei der Hochschule angestellt gewesen. „Doch Outsourcing ist ein Prozess im öffentlichen Dienst.“ Er verwies auf ähnliche Projekte beim Berliner Vivantes-Klinikum.
Lange fragte, ob die Personalräte auch das Ende der Auslagerungen an der gesamten Universität fordern würden. „Dann müssten Sie auch sagen, welcher Fachbereich geschlossen werden soll!“, rief er in den Saal. Seinem Ruf als neoliberaler Scharfmacher wird er gerecht: Auch wenn er sich Ende der Woche in den Ruhestand verabschiedet, lässt sein Elan für Billiglöhne nicht nach.
Nach einer Stunde beschloss das Kuratorium lediglich, das Präsidium zu bitten, nach einer Lösung zu suchen und bei den nächsten Verhandlungen mit dem Land Berlin über die Hochschulverträge um mehr Geld zu bitten. Außerdem soll „mittelfristig“ das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ am Botanischen Garten etabliert werden. Der Antrag, betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen, wurde jedoch abgelehnt.
Währenddessen werden Mitarbeiter*innen im Botanischen Garten zu Personalgesprächen geladen und gewarnt, dass sie nach dem 31. März 2016 keinen gesicherten Job haben. Doch die Angestellten erfahren Solidarität, nicht nur von den Beschäftigten der Universität, sondern auch von den Studierenden. Rund ein Dutzend junge Menschen besuchte solidarisch die Sitzung und hielt im Anschluss eine Protestkundgebung im Foyer der FU ab. Auch aus München, Barcelona, Saragossa und Mexiko-Stadt sind Solidaritätsbotschaften eingetroffen.