Oury Jalloh – das war Mord!

07.01.2025, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Ayrin Giorgia (Klasse Gegen Klasse)

Vor 20 Jahren am 07.01.2005 verbrannte Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle. Bis heute wird die polizeiliche Darstellung des Geschehens angezweifelt. Hinterbliebene, Gutachten und Geflüchtetenorganisationen sprechen von Mord.

Von Anfang an nährten sich Zweifel aus dem Umfeld von Oury Jalloh, dass eine Selbstentzündung sehr unwahrscheinlich sei. Oury Jalloh war in der Dessauer Polizeizelle 5 an Armen und Füßen gefesselt und lag auf einer feuerfesten Matratze. Verschiedene später in Auftrag gegebene Gutachten durch Hinterbliebene bestätigten ihren Verdacht. Durch die Gutachten konnte bestätigt werden, dass Oury Jalloh bereits vor dem Feuer bewusstlos oder tot gewesen sein muss. Durch den Nachweis von kaum Adrenalin im Urin konnte bestätigt werden, dass er den Brand nicht bewusst wahrgenommen hat, weil ein bewusstes Erleben des Feuers zu einer massiven Ausschüttung von Stresshormonen, dem Adrenalin geführt hätte. Auch bei der Untersuchung der Luftröhre kamen massive Zweifel auf. In den rechtsmedizinischen Berichten wurde die Luftröhre mit der Speiseröhre verwechselt und Proben der Luftröhre waren später nicht mehr aufzufinden.

Wichtig sind diese Erkenntnisse für die spätere Untersuchung des Tathergangs. Hätte Oury Jalloh eine Atmung gehabt, hätte er bei seiner Verbrennung Rußpartikel in seiner Luftröhre haben müssen. Für den Fall, wo dies nicht gewesen wäre, hätte er zu dem Zeitpunkt des Feuers bereits bewusstlos oder tot sein müssen.

Die Initiative Oury Jalloh erfuhr im Laufe der Kampagne anlässlich des Todes Einschüchterungen und Kriminalisierungen. Das Internetcafe der Schwarzen Community in Dessau wurde durchsucht und nach Gedenkdemos gab es Prozesse gegen Angehörige.

Im Nachhinein wurde der Mord an Oury Jalloh auch als Komplex bezeichnet. Bei weiteren Recherchen kam heraus, dass bereits 1997 und 2002 Personen auf derselben Dessauer Wache zu Tode kamen. Teilweise waren an den beiden Tagen die selben Beamt:innen im Einsatz wie bei dem Mord an Oury Jalloh. 

Bundesweit sehen wir seit Jahrzehnten rassistisch motivierte Polizeigewalt. Nach einer Verkehrskontrolle Mitte 2023 in Herford wurde der 19-jährige Bileil G. ohne Führerschein festgestellt. Nach einer anschließenden Verfolgungsjagd wurde er mit insgesamt 34 Schüssen in einer Sackgasse im benachbarten Bad Salzuflen beschossen. 8 Kugeln trafen ihn und sorgten für eine Querschnittslähmung. Die getragenen Bodycams waren laut Aussage des Innenminister Herbert Reuls nicht aktiv und lieferten kein Videomaterial des Tathergangs.

Die sich regelmäßig wiederholenden Morde und Gewalt besonders gegen rassifizierte Menschen sprechen für eine strukturell rassistische Polizei als Teil eines gewalttätigen Systems. Es ist kein Zufall, dass der Charakter der Polizei als zentraler Gewaltapparat der herrschenden Klasse sich Gewalt und Einschüchterung bedient.

Polizei entwaffnen, Verfassungsschutz auflösen

Durch einen Leak Ende 2022 durch Böhmermann und FragdenStaat konnte belegt werden, dass der NSU systematisch vom Verfassungsschutz aufgebaut und finanziert wurde und in der Aufklärung dieser Taten versagte.

Zwar beinhaltet der Geheimbericht wenig über den NSU, aber gerade zwischen den Zeilen und in den Lücken steht schwarz auf weiß zum wiederholten Male geschrieben: Die Bundesrepublik, die auf den faschistischen Staat im Nationalsozialismus folgte, hat genau diesbezüglich in der Nachfolge versagt. Sie unterstützt den Aufbau der rechten Szene systematisch finanziell. Der Staat ist hier nicht nur auf dem rechten Auge blind, sondern arbeitet mittels der V-Leute mit Mitgliedern der rechten Szene aktiv zusammen. Dies gilt im Besonderen für das Bundesamt für Verfassungsschutz auf Bundesebene (BfV) und die Landesämter für Verfassungsschutz (LfV) in den einzelnen Bundesländern und hängt unweigerlich mit deren Gründungsgeschichte zusammen.

Wir sprechen uns für eine lückenlose Aufklärung allen rechten Terrors und der Rolle der Sicherheitskräfte aus. Die einzige Antwort auf diese strukturell rassistische Polizeigewalt kann die Forderung nach der Auflösung von Polizei und Verfassungsschutz sein – Polizei als Institution abschaffen und gewählte Sicherheitsstrukturen aus Nachbarschaften und Betrieben aufbauen!

Schau dir das Video unserer Bundestagskandidatin für München West/Mitte, die sozialistische Hebamme Leonie Lieb, an:

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