Oranienplatz: Geflüchtete besetzen Baum für Bleiberecht und Offene Grenzen

29.08.2021, Lesezeit 6 Min.
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Seit Freitag besetzen Napuli Langa von der Geflüchtetenbewegung und ein Afghanischer Aktivist einen Baum am Oranienplatz. Sie fordern das Bleiberecht für alle Geflüchtete, sowie ein Landesaufnahmeprogramm für afghanische Geflüchtete. Hier ist ihre Rede und Pressemitteilung von heute.

Hier sind die Reden der Aktivist:innen aus der heutigen Aktion:

Wir spiegeln die Pressemitteilung der Aktivist:innen:

Napuli Langa protestiert erneut auf dem Baum am 0-Platz

„Zusammen mit einem afghanischen Aktivisten protestiert Napuli Langa seit Freitag, dem 27. August 2021, erneut auf dem Baum am O-Platz. Was muss passieren, damit Napuli und der afghanische Aktivist den Baum verlassen?

Napuli wird den Baum erst verlassen, wenn der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg eine verbindliche, schriftliche Zusage macht, dass Geflüchtete auf dem symbolträchtigen Oranienplatz einen dauerhaften Ort des Protests einrichten können.

Derweil kämpft der afghanische Aktivist um die Rettung seiner Familie: Auf politischer Ebene muss eine Möglichkeit geschaffen werden, seine Verwandten in Kabul und im Iran in Sicherheit zu bringen, denn seit einem Jahr versucht er erfolglos, seine Familie nach Deutschland zu holen. Insbesondere fordert er den Berliner Senat auf, die geforderte Luftbrücke und das Landesaufnahmeprogramm umzusetzen.

Gebrochene Versprechen der Politik gegenüber Geflüchteten und Aktivist* innen

Im Jahr 2013 hatte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg den Geflüchteten auf dem Oranienplatz versprochen, dass sie den Platz für Protestaktionen nutzen dürfen. Im Gegenzug räumten die damaligen Besetzer*innen des Platzes ihr Lager. Dieses Versprechen wurde wiederholt gebrochen.

Am Freitag, den 27. August 2021, wollte eine Gruppe von Aktivist* innen und Geflüchteten mit einer Performance auf dem Oranienplatz protestieren. Dieser Protest wurde abgelehnt und die Veranstaltung wurde verboten. Die meisten Teilnehmenden der geplanten Veranstaltung waren Schwarz und wurden von der Polizei von Anfang an angefeindet. Im Jahr 2013 war zwischen dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und der Geflüchtetenbewegung eine Vereinbarung getroffen worden, den O-Platz als Informationszentrum und für Veranstaltungen und Demonstrationen zu nutzen. In dem offiziellen Schreiben des Bezirksamtes heißt es, dass eine „unbefristete Genehmigung für einen Informationspunkt für den politischen Flüchtlingsprotest auf dem Oranienplatz“ vorliege. Der Platz wird benötigt, um politische Aktionen ohne bürokratische Hürden durchführen zu können.

Das Verbot der Aufführung am 27.08. brach erneut die Vereinbarung und provozierte Napulis Besetzung des Baumes und ihren Protest seit Freitag. Bereits 2014 hatte sie den Baum besetzt und gegen die Nichteinhaltung der Vereinbarungen durch den Bezirk protestiert, die seither mehrfach gebrochen wurden. Die Residenzpflicht und das Gutscheinsystem, die unter anderem den Refugee Protest March on Berlin und die Besetzung des O-Platzes 2012 auslösten, werden langsam wieder eingeführt. Der Kreislauf beginnt von Neuem. Darüber hinaus werden weitere Gesetze und Verordnungen wieder eingeführt (z. B. die Dublin-Verordnung), die maßlose Abschiebungen von Geflüchteten ermöglichen. Die Rechte, für die Geflüchtetenbewegung seit fast 10 Jahren kämpft, werden ausgehebelt.

Wir werden nicht zulassen, dass die Geschichte der Geflüchtetenbewegung in Deutschland ausradiert wird.

Das Infozelt, das nach dem Camp auf dem O-Platz stand, wurde durch Brandstiftung zerstört, ebenso wie das Haus der 28 Türen, das das Zelt ersetzen sollte. Danach wurde ein kleiner Container als Infopoint aufgestellt. In den Infopoint wurde eingebrochen, und da alles zerstört war, wurde er entfernt. Der Antrag, an dieser Stelle ein festes Gebäude in Form eines Bootes zu errichten, wurde 2016 vom Bezirk abgelehnt. Ein solches Gebäude hätte Sicherheit und Schutz geboten.

Auch wenn das Camp und die Schule von den Behörden geräumt wurden, ist der Oranienplatz nicht verschwunden. Die Bewegung hat sich verlagert und dezentralisiert. Aktivistinnen von International Women* Space, Schlafplatz Orga, We’ll come United, Women In Exile, Wearebornfree Radio, Neighborhood Initiative etc. setzen ihr Engagement in gleicher Weise an verschiedenen Orten fort.

Die Rettung der Familie des afghanischen Aktivisten // Luftbrücke und das Landesaufnahmeprogramm

Die Familie des afghanischen Aktivisten ist in Kabul, seine Frau und seine Schwiegermutter dürfen unter den Taliban das Haus nicht mehr ohne männliche Begleitung verlassen, auch seine Neffen sind dort. Seine beiden Schwager haben 10 bzw. 13 Jahre lang für eine westliche Armee gearbeitet und sind inzwischen in den Iran geflüchtet, aber auch dort ist es nicht sicher für sie. Außerdem haben sie seit vier Monaten keinen Lohn mehr von ihren Arbeitgebern erhalten.

Es sollte keine Rolle spielen, für welchen Staat die Menschen gearbeitet haben, da der Einsatz in Afghanistan international koordiniert wurde. Zudem sind unter den Taliban noch viel mehr Menschen gefährdet; Abschiebungen nach Afghanistan wurden erst kürzlich ausgesetzt. Lange Zeit hat die Bundesregierung behauptet, Afghanistan sei sicher genug, um Abschiebungen dorthin durchzuführen. Die Warnungen der afghanischen Community und vor allem von Geflüchteten und Migrant* innen vor der Situation wurden nicht ernst genommen, obwohl es immer wieder Terroranschläge in afghanischen Städten und Berichte über getötete Abgeschobene gab. Das Mitleid der deutschen Politiker* innen in der aktuellen Situation ist daher reine Heuchelei, da sie jahrelange Warnungen ignoriert haben.

Wir fordern eine Luftbrücke und die Umsetzung eines Landesaufnahmeprogramms für afghanische Geflüchtete. Ohne die Organisation der Rettung von afghanischen Geflüchteten bringt ein Aufnahmeprogramm nicht viel. Die O-Platz-Bewegung hat deutlich gemacht, dass es nicht reicht, die Menschen einfach hierher zu bringen, sondern dass es darum geht, sie nicht allein zu lassen und sie einfach dem deutschen Asylsystem auszusetzen, welches immer wieder Menschen in die Gefahr oder den Tod abschiebt.

Wir fordern die Bundesregierung auf, den subsidiären (Jahres-)Schutz abzuschaffen, da dieser ein Mittel ist, um Geflüchteten ihre vollen Rechte zu verweigern. Eine jährliche Asylgenehmigung verwehrt Kriegsgeflüchteten letztlich den Zugang zu Wohnraum, Ausbildung und Arbeit. Nächstes Jahr jährt sich die Besetzung des Oranienplatzes zum 10. Mal und wird mit einer Reihe von Veranstaltungen begangen. Wir fordern, dass:

1 Die Rechte von Geflüchteten, die durch die Proteste seit 2012 erreicht wurden, nicht zurückgenommen, abgebaut oder eingeschränkt werden!
2 Die Geschichte der Geflüchtetenbewegung in Deutschland darf nicht ge-silenced werden!
3 Die Gedenkveranstaltungen und Proteste sind zu respektieren und müssen ohne polizeiliche oder bürokratische Eingriffe und Manipulationen durchgeführt werden können.

Wir haben die Methoden der Behörden in der Vergangenheit gesehen und werden sie nicht länger akzeptieren.“

Mehr Infos findet ihr unter https://iwspace.de/.

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