One Piece: Luffy würde Palästina befreien

In One Piece geht es um viel mehr, als nur einen Piraten, der „der freieste Mensch der Welt“ sein möchte. Der Wano Kuni Arc zeigt, um was genau. Spoilerwarnung: Der nachfolgende Artikel enthält Details zum Wano Kuni Arc.
One Piece ist mehr als der erfolgreichste Anime aller Zeiten. Eiichiro Oda, der Mangaka von One Piece, macht keinen Hehl daraus, dass er in jüngeren Jahren ein großer Fan von Che Guevara, bewaffneten Widerständen und kommunistischen Ideen war. Auch wenn er sich womöglich stark deradikalisiert hat mittlerweile, ist ein nicht ungroßer Teil seiner Werte auch in den Manga geflossen.
One Piece ist einer der politischsten Animes weltweit. Nahezu jede Arc hat politische Ebenen, die sich in der realen Welt wiederfinden. Rassismus, Kolonialisierung, Imperialismus, Korruption, Institutionen wie die Polizei etc. Aber einer der politisch interessantesten ist mitunter der Wano Kuni Arc.
Wano Kuni – ein Dorn im Auge der Weltregierung
In diesem Arc müssen Luffy und seine Crew gegen zwei Tyrannen gleichzeitig kämpfen. Zum Einen ist da Shogun Orochi, der unrechtmäßige Herrscher über Wano Kuni. Zum Anderen müssen sie sich gegen Kaido, einen der Vier Kaiser der Meere, behaupten. Kaido ist die militärische Unterstützung Orochis – zumindest nutzt Kaido diesen aus, um sein eigenes Imperium aufzubauen. Beide zusammen unterwerfen das gesamte Reich Wano Kuni und all ihre Menschen. Kaidos Plan ist zudem, eine eigene Insel auf den Landmassen zu errichten und dafür die gesamte Bevölkerung Wano Kunis auszulöschen.
In Wano Kuni werden die Verhältnisse zwischen arm, reich und militärisch enorm verdeutlicht. In der Blumenhauptstadt leben die Wohlhabenden. die, die sich nicht der Tyrannei Orochis entgegenstellen, die noch einigermaßen zu essen und zu trinken bekommen und die sich dem Status quo der Diktatur Orochis anpassen. Direkt im ersten Randbezirk Ebisu jedoch wird sofort klar, auf wessen Kosten der Prunk der Blumenhauptstadt geht: Die ausgebeutete, unterdrückte Bevölkerung, die kaum mehr Nahrung findet.
Etwas weiter entfernt, in Okobare, findet sich ein weiterer Abgrund der Tyrannen-Allianz von Orochi und Kaido wieder: Eine nahezu ausgehungerte, komplett verarmte Bevölkerungsgruppe, die zu allem übel auch noch durch fehlerhafte, künstliche Teufelsfrüchte die Fähigkeit verloren haben, ihre tatsächlichen Emotionen auszulassen. Alles, was sie noch tun können, ist lachen – so bekamen die künstlichen Teufelsfrüchte auch ihre Namen, nämlich SMILES.
Sowohl in Ebisu, als auch in Okobare ist das Trinkwasser verschmutzt und vergiftet. Wer daraus trinkt, muss in der harmlosen Variante mit Bauchschmerzen kämpfen – in der härtesten Variante mit unheilbaren Krankheiten und dem Tod. Die Verschmutzung kommt durch Waffenfabriken in Wano Kuni, wo die Herstellung und Lieferung von Waffen in aller Welt seit Anbeginn der Orochi-Monarchie durchgeführt wird. In diesen Fabriken arbeiten ebenso ausgebeutete, unterdrückte Teile der Bevölkerung bis zu ihrem Tod.
Und Wano Kuni hat noch eine weitere dunkle Seite: Das Udon-Gefängnis. Nach Impel Down, dem Hochsicherheitsgefängnis der Weltregierung, ist das Udon-Gefängnis einer der schlimmsten und ausbeuterischsten Gefängnisse der Piratenwelt. Es ist ein Freiluftgefängnis, wo Inhaftierte bis zum Tod versklavt und zur Arbeit gezwungen werden. Zum Amusement des Militärs finden hier auch Kämpfe statt, bei denen sich die Inhaftierten Nahrungsmittel erkämpfen können – in den meisten Fällen aber den Soldaten mit Waffen und Teufelskräften haushoch unterlegen sind und getötet werden.
Wano Kuni ist zusätzlich abgeschnitten von der restlichen Welt – einerseits seit jeher zum Selbstschutz gegen fremde Kräfte, andererseits nutzt Orochi die Isolation des Landes für korrupte Geschäfte und Waffenhandel in die Außenwelt aus. Er dealt mit Waffen und mit den künstlichen SMILE-Früchten, von denen einige wenige Teufelskräfte auslösen, die meisten jedoch Fehlschläge sind und wie im Fall von Okobare den Menschen die Emotionen nehmen, so dass ihnen für den Rest ihres Lebens, in jeder emotionalen Lage, nur noch Lachen bleibt.
All das ist ein nahezu perfektes Bild davon, was heute in Palästina passiert
Orochi ist vergleichbar mit Netanyahu: Ein Tyrann, der eine gesamte Ethnie unterdrückt, ausbeutet und seinen Reichtum auf ihrem Elend erbaut. Israels Existenz basiert auf Plünderung, Vertreibung und ethnischer Säuberung: Dieselben Mittel, die Orochi für seine Macht in Wano Kuni nutzt. Und so wie Orochi von der „stärksten Bestie der Piratenwelt“ unterstützt wird, wird auch Netanyahu von den quasi einflussreichsten Präsident:innen der Welt unterstützt: Den US-Präsident:innen, jetzt aktuell Donald Trump. Wenngleich Trump, Biden, Obama, Harris, Bush, etc. alle nicht ansatzweise dieselbe Aura wie Kaido besaßen, so ist es doch unbestreitbar, dass die USA bislang alle Macht der Welt hatten, zu tun und zu lassen, was sie wollten. Entweder haben sie sich ihre Ziele durch wirtschaftliche Einflüsse in die ganze Welt geholt oder durch militärische Interventionen, Invasionen und Kriege. Und sowohl Kaido, als auch jede:r US-Präsident:in sind kaltblütige Killer und Mörder.
Die militärische Unterstützung der USA für Israel bzw. die Unterstützung Kaidos für Orochi sind nicht die einzigen Parallelen, die der Anime zu Palästina zieht. Die allgegenwärtige Hungersnot in Wano Kuni und in Palästina, die Ausbeutung und Unterdrückung der Ur-Bevölkerung Wano Kunis und Palästinas, die Propaganda gegen die historischen Bewohner:innen Wano Kunis und Palästinas – ja, selbst die Propaganda und Bekämpfung derjenigen, die für die Freiheit und nationale Selbstbestimmung Wano Kunis und Palästinas gekämpft haben, ist identisch. Ein Vergleich der PFLP mit den Neun Schwertscheiden des Kozuki-Clans mag vielleicht tatsächlich weit hergeholt sein, aber Ähnlichkeiten haben sie dennoch – sie kämpfen nicht, weil sie es möchten, sondern weil sie müssen.
Auch das Udon-Gefängnis stellt in vielerlei Hinsicht die tatsächlichen Bedingungen des Gefängnissystems in Israel dar. Folter, Misshandlung, inhumane Bedingungen – all das haben wir bereits zuhauf aus etlichen internationalen Medien gehört, teilweise von den israelischen Medien selbst. Dass sich IDF-Soldat:innen dabei amüsierten, wie sie palästinensische Gefangene folterten, haben wir auf Videos gesehen – genauso wie wir die Todeskämpfe von Soldat:innen mit Gefangenen im Anime anschauen konnten.
Luffy – ein Revolutionär, der nicht weiß, dass er ein Revolutionär ist
Es ist wahr: Luffy würde Palästina befreien, so wie er Wano Kuni befreit hat. Auch wenn seine Intention nicht immer dem Befreiungskampf gilt, sondern er oft aus Empathie und einem eigenen Gerechtigkeitskompass handelt: Die Umstände um ihn rum machen ihn zu einem Vorbild revolutionärer Praxis. Er verbündet sich mit den Unterdrückten, kämpft Seite an Seite mit ihnen gegen ihre Unterdrücker – ohne dabei die ganze Aufgabe alleine zu unternehmen, sondern genau im Gegenteil, sein Umfeld zu bewegen, gegen ihre eigenen Fesseln zu kämpfen.
Doch auch Luffy weiß, dass Wano Kuni nur dann frei sein kann, wenn der eigentliche Feind bekämpft ist: Die Weltaristokraten und die Weltregierung, die ein System am Laufen halten, das unterdrückt, ausbeutet und unschuldige Menschenleben vernichtet. Genauso und nicht anders können wir ein freies Palästina erreichen: Es reicht nicht, nur gegen Israel zu kämpfen, sondern das gesamte kapitalistische System muss aus ihren Angeln gehoben werden, um tatsächliche Befreiung für alle unterdrückten Völker der Welt erreichn zu können.
Luffy will, wie ich und meine Genoss:innen, Brot für alle zum Überleben und Rosen für ein schönes Leben – wobei er in seinem eigenen Fall lieber Fleisch als Brot will. Sein Gerechtigkeitssinn macht ihn zu einem der besonderen Charaktere der Anime-Welt. Denn sein Sinn für Gerechtigkeit, sein Verständnis von Freiheit geht weit über seinen Wunsch, Piratenkönig zu werden, hinaus. Er will der freieste Mensch der Welt sein – und das kann er nur, wenn er das System aus seinen Angeln hebt. Free Luffy, free Palestine!