„Offensichtlich versucht man, die Leute aus dem Betrieb zu ekeln“

20.12.2018, Lesezeit 6 Min.
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Die Beschäftigten des wombat's-Hostels in Berlin-Mitte haben im Herbst die Unterschrift unter den Branchentarifvertrag des Hotel- und Gaststättengewerbes erstreikt. Doch die Geschäftsleitung setzt weiter Union Busting-Methoden ein. Über die aktuelle Situation im Betrieb sprachen wir mit Raphael, Betriebsratsmitglied im wombat's Hostel in Berlin-Mitte.

Im September habt ihr nach über einem Jahr einen Tarifvertrag erstreikt. Wie ist die Stimmung im Betrieb nach der Einigung?

Zwar gelten die Branchentarifverträge für uns seit dem 1. Juli rückwirkend, allerdings sind die Eingruppierungsverhandlungen bis heute noch nicht abgeschlossen. Die Geschäftsleitung verzögert. Anstatt die bestehenden Strukturen endlich zu akzeptieren, hat man ehemalige Streikbrecher*innen in die Hausleitung aufsteigen lassen, die nun mit Zuckerbrot und Peitsche Racheaktionen an den Beschäftigten verüben. Wie zu den Hochzeiten unseres Arbeitskampfs werden auch jetzt wieder Kolleg*innen wegen Lappalien gefeuert und rechtsmissbräuchliche Abmahnungen ausgegeben. Gespräche mit dem Betriebsrat sind fast vollständig eingestellt worden. Offensichtlich versucht man, die Leute aus dem Betrieb zu ekeln.

Unser Verhältnis zur Gewerkschaft ist gut, es gibt wohl niemanden im Betrieb, der*die nicht weiß, wem man die Gehaltsaufbesserungen zu verdanken hat. Da den Kolleg*innen zudem regelmäßig Rechtsansprüche, wie Urlaubstage oder Gehalt, vorenthalten werden, gibt es eine ganze Reihe von individualrechtlichen Klagen, in denen uns der DGB Rechtsschutz vertritt. Die Vorteile einer Mitgliedschaft in der NGG ist den Leuten also ziemlich deutlich.

Kannst du kurz zusammenfassen, was der Tarifvertrag jetzt beinhalten soll und welche Verbesserung für die Kolleg*innen anstehen?

Es gibt nun Jahressonderzahlungen, Zuschläge für Mehrarbeit und Urlaubsgeld. Kündigungsfristen und Urlaubsansprüche erhöhen sich mit Betriebszugehörigkeit und Alter. Es gibt auch eine betriebliche Altersvorsorge. Außerdem sollten sich die Gehälter der Kolleg*innen um mindestens 10 Prozent erhöhen. Leider geht der Flächentarifvertrag der Hotellerie davon aus, dass die eingruppierten Beschäftigten alle eine klassische Ausbildung in ihrem Fachbereich durchlaufen haben. Wir fordern natürlich, dass für gleiche Arbeit gleicher Lohn gezahlt werden sollte, allerdings legen uns die Formulierungen des Rahmentarifvertrags, wie gesagt, einige Hürden in den Weg.

Welche Bedeutung hatte für euch die Solidarität von Kolleg*innen anderer Betriebe?

Eine ungemein große: Dass unsere Auseinandersetzung nicht eingedämmt werden konnte, sondern nach außen getragen wurde, hat unsere Kolleg*innen zunächst einmal sehr gestärkt. Zu sehen, dass Menschen aus den unterschiedlichsten Branchen mit den selben Problemen konfrontiert sind und dass viele der Abscheulichkeiten unserer Geschäftsleitung einer Systematik folgen – eben der durch spezialisierte Anwaltskanzleien dirigierten Bekämpfung von Gewerkschafter*innen und Betriebsräten – hilft darüber hinaus, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, wie man am Besten dagegen vorgeht.

Schon länger droht die Geschäftsleitung mit dem Outsourcing der Reinigung. Was ist dort der aktuelle Stand? Wie ist euer Verhältnis zu den Reinigungskräften?

Die Spaltung kämpferischer Belegschaften ist ja leider kein Einzelfall. Was uns aktuell passiert, ist meines Erachtens Ausdruck einer gesellschaftlichen Schieflage. Dass es den Gewerkschaften nicht möglich ist, politische Streiks durchzuführen, Betriebsräte keine Mitbestimmungsrechte bei Betriebsübergängen haben, das schwächt die Position der abhängig Beschäftigten in den Betrieben immens.

Die Menschen, von denen wir hier reden, sind teils seit über zehn Jahren für das Unternehmen tätig. Das Team ist in seiner Zusammensetzung wesentlich konstanter als die anderen Abteilungen. Nicht zuletzt aufgrund ihres extrem arbeitgebernahen Vorarbeiters stehen sie in engem Austausch mit dem Betriebsrat, sie sind mit Ersatzmitgliedern im Gremium vertreten und haben teils großen Mut in den Tarifauseinandersetzungen gezeigt. Bezüglich der Ausgliederungspläne hat sich bis heute niemand von der Geschäftsleitung direkt mit ihnen auseinandergesetzt. Der Betriebsrat soll Gespräche zum Interessensausgleich mit einer Wirtschaftskanzlei aus München führen. Unser Arbeitgeber ist bei diesen Gesprächen zumeist nicht einmal mehr anwesend. Bei einem dieser Treffen wurde unlängst zugegeben, dass die Ausgliederung wirtschaftlich völlig unrentabel ist. Es drängt sich der Schluss auf, dass es hierbei in erster Linie um eine Strafaktion gegen die Belegschaft geht.

Zudem hat unser Arbeitgeber wegen eines Formfehlers erfolgreich unsere letzte Betriebsratswahl vom Mai angefochten. Zwar haben wir Berufung gegen das Urteil eingelegt, sollte sich das Landesarbeitsgericht allerdings dem bisherigen Urteil anschließen, werden wir wohl oder übel Neuwahlen einleiten müssen. Mit der Ausgliederung der Reinigung wird das Gremium dann nurmehr aus drei anstatt fünf Personen bestehen können. Unser Arbeitgeber hat uns bereits im Frühjahr darauf hingewiesen, dass er alles unternehmen will, um die Größe des Gremiums zu verringern.

Wir gehen auch davon aus, dass unser Arbeitgeber erneut mit eigenen Kandidat*innen zu der Wahl antreten wird und die Belegschaft gegeneinander aufzuhetzen versucht. Keine schönen Aussichten, leider.

Habt ihr schon weitere Aktionen gegen das Outsourcing geplant?

Aktuell sind wir dabei Kundgebungen und Flugblattaktionen vorzubereiten, für welche uns die aktion ./. arbeitsunrecht und die Critical Workers schon Unterstützung zugesagt haben. Wir werden hierfür rechtzeitig über die einschlägigen Kanäle mobilisieren.

Habt ihr auch Kontakt zu anderen Hostels von wombat’s in Europa?

Wombat’s Hostels sind ja eine Kette, insofern haben wir eingeschränkten Kontakt zu Mitarbeiter*innen anderer Häuser, wenn diese beispielsweise ihren Urlaub in Berlin verbringen oder halt als Streikbrecher*innen von der Holding beauftragt werden. Solidarität haben wir leider bislang so gut wie gar keine von denen erfahren. Was sicherlich auch damit zu tun hat, dass die Möglichkeiten des Austauschs – abgesehen von diesen kurzen Besuchen – sehr begrenzt sind und das Berliner Haus und seine Mitarbeiter*innen sicherlich stetig dämonisiert werden, um ja keine Nachahmer*innen zuzulassen.

Es gab vor einigen Jahren noch ein „Internes Forum“, über das die Beschäftigten aller wombat’s Hostels miteinander kommunizieren konnten. Als im Münchner Haus eine elektronische Zeiterfassung installiert wurde, gab es über besagtes Forum einige kritische Kommentare der Betroffenen. Wir hatten daraufhin angeboten, bei der Gründung eines Betriebsrats behilflich zu sein und sie über Mitbestimmungsrechte informiert. Noch in derselben Nacht wurde das „Interne Forum“ durch die Geschäftsleitung abgeschaltet, Demokratie ist im wombat’s eben nicht erwünscht.

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