Offener Brief Münchner Gewerkschafter:innen zur Solidarität mit Palästina

17.06.2024, Lesezeit 4 Min.
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Foto: @Workers4Pal/ Twitter

Offener Brief an die DGB-Gewerkschaftsvorstände in München

Seit sieben Monaten dauert der Krieg der israelischen Regierung in Gaza. Er hat über 40.000 Menschen das Leben gekostet, Hunderttausende in die Obdachlosigkeit vertrieben. Es droht Tausenden Palästinenser:innen der Tod durch Hunger oder Mangel an Medikamenten und Versorgung. Das ohnehin prekäre Gesundheitssystem ist zusammengebrochen. Entgegen der Aufrufe von Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen führt die israelische Regierung den Krieg in brutaler Form weiter. Vor unseren Augen vollzieht sich ein Genozid am palästinensischen Volk.

Dazu dürfen wir Lohnabhängigen und Gewerkschafter:innen nicht länger schweigen. Wir teilen die Ansicht von einer kriegstüchtigen Gesellschaft nicht. Wir sind für die Lieferung von Medikamenten statt Waffen.

Ausgehend von dem Aufruf palästinensischer Gewerkschafter:innen haben sich mehrere internationale Gewerkschaftsverbände, die Automobilgewerkschaft UAW und die Lehrkräftevereinigung AFT in den USA haben sich für einen Waffenstillstand ausgesprochen. Belgische Luftfahrtgewerkschaften haben ihre Mitglieder zur Verhinderung von Waffenlieferungen nach Israel aufgerufen. In Barcelona und Italien wollen die Hafenarbeiter:innen, keine militärischen Güter nach Israel verladen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) folgt diesen Resolutionen nicht. Die Untätigkeit der Gewerkschaften hat zur Folge, dass die Waffenlieferungen an Israel seit Oktober verzehnfacht wurden. Wir erleben gerade in Deutschland ein gigantisches Aufrüstungsprogramm und eine Militarisierung der Gesellschaft, mit denen die Bevölkerung auf größere militärische Auseinandersetzungen vorbereitet werden sollen. Aber die Subventionen von Waffenproduktion und Aufrüstung führen zu Kürzungen im sozialen Bereich und bei den Löhnen, wovon die Massen betroffen sind. Die Politik der Kürzungen, der Waffenlieferungen und der Abschiebungen haben dafür gesorgt, dass die AfD einen hohen Zulauf bekommen hat.

Wir fordern die DGB-Gewerkschaften dazu auf,

  • •den Resolutionen von internationalen Gewerkschaftsverbänden zu folgen und sich für Waffenstillstand und gegen Waffenlieferungen einzusetzen.
  • •Versammlungen gegen den Krieg in Betrieben und Gewerkschaften zu organisieren, auf denen die Kolleg:innen nicht nur beraten oder informiert werden, sondern das Recht haben, alle Schritte selbst zu entscheiden.
  • •dass sich die Forderungen in den Tarifrunden am Hafen, im Metallbereich, im öffentlichen Dienst etc. an einem realen Inflationsausgleich für alle, gegen jeden Reallohnverlust und gegen jede Unterordnung unter das Spar- und Aufrüstungsprogramm der Regierung orientieren und dass für deren volle Durchsetzung gekämpft wird.

Wir lehnen die Diffamierung von Palästinasolidarität als Antisemitismus ab. Insbesondere Palästinenser:innen stehen unter diesem Generalverdacht. Wir betonen die Unterscheidung von jüdischen Menschen und dem Staat Israel. Spaenle (CSU) und andere Akteure setzen diese Begriffe gleich und leisten damit tatsächlich einen Beitrag zum Antisemitismus. Das humanitäre Völkerrecht gilt auch für Israel: Wer mit der Ermordung von israelischen Zivilist:innen am 7. Oktober die Zerstörung und Ermordung von Zehntausenden in Gaza rechtfertigt, begräbt jeden Anspruch auf Menschlichkeit und ein freiheitliches und geschwisterliches Zusammenleben.

Deswegen wenden wir uns gegen die Exmatrikulationsandrohung an diejenigen Studierenden, die sich für Solidarität mit Palästina einsetzen. Wir verteidigen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit und

  • • teilen die Petition von Studierenden und fordern die DGB-Gewerkschaften dazu auf, diese zu unterstützen, die „gegen politisch motivierte Exmatrikulationen, für freie Versammlungen an und in der Universität, gegen Polizeieinsätze, die sich gegen Streikende und gewaltfreie Proteste auf dem Universitätsgelände richten, sowie gegen jegliche Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit“ ausgerichtet ist.

Da die Bundesregierung die israelische Militäroffensive als „Selbstverteidigungskampf gegen den Terror“ betrachtet, verbreitet sich der Rassismus rasant, der die in Deutschland lebenden muslimischen und arabischen Menschen stigmatisiert, ausgrenzt und unterdrückt.

  • • Wir fordern von den DGB-Gewerkschaften eine öffentliche Ablehnung der Hetzkampagnen, die legitime Kritik am Bruch des humanitären Völkerrechts durch Israel als antisemitisch darstellen. Insbesondere sollen sie sich für die Verteidigung aller Kolleg:innen, die durch solche Kampagnen von Sanktionen durch Geschäftsführungen oder Universität bedroht sind, einsetzen.

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