Österreich: Was erwarten wir von der neuen Regierung?

Nachdem die extreme Rechte in Österreich (FPÖ) die Wahlen letzten Herbst gewann, kommt nun eine Koalitionsregierung aus ÖVP, SPÖ und Neos an die Macht. Diese werden von der FPÖ von rechts unter Druck gesetzt werden, harte Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse, Migrant:innen und die Jugend sind zu erwarten.
Nach Monaten politischen Chaos hat Österreich doch noch eine neue Regierung bekommen: Die Rechtskonservativen von der ÖVP koalieren mit der österreichischen Sozialdemokratie (SPÖ) sowie mit den NEOS, einer Schwesterpartei der FDP. Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben: Auch wenn die FPÖ nicht Teil der neuen Regierung ist, wird ein Großteil ihres Programms in der neuen Regierung Realität werden. Der Unterschied liegt wohl darin, dass eine rechte Regierung aus ÖVP und FPÖ noch schneller die Lebensgrundlagen der Arbeiter:innenklasse sowie der Rentner:innen und der Jugend angegriffen hätte, mit einem noch direkteren rassistischen und sexistischen Kurs.
Schon vor der ersten Sondierungen nach dem Ergebnis der Wahl im Herbst stand fest, dass massive Kürzungen in den kommenden Jahren stattfinden müssen, um die hohen Staatsschulden, die durch Covid-Rettungspakete an die reichsten Unternehmen Österreichs verschenkt wurden, wieder abzubauen. Die Rede ist von 398,4 Milliarden Euro Schulden, mit einem Anstieg von rund 4 Milliarden Euro pro Jahr. Der Fiskalrat empfiehlt als „Konsolidierung ohne Tabus“ konkrete Einsparungen in Gesundheit, Bildung und Pflege sowie ein höheres Pensionsantrittsalter und Arbeitszeitverlängerung. Die hohen Ausgaben für militärische Aufrüstung und Polizei werden aktuell kommentarlos hingenommen und als notwendig empfunden. Hier gibt es starke Ähnlichkeiten zum Nachbarn in Deutschland, der in den letzten Jahren 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr durchsetzte sowie massiv die Polizei aufrüstet, um staatskritische Proteste wie die Palästinabewegung oder Geflüchtete härter zu unterdrücken. FPÖ, ÖVP, Neos, SPÖ und Grüne haben sich im Wahlkampf sogar für noch mehr Ausbau und Gelder für die Polizei ausgesprochen.
Die Neos und ÖVP haben durch den Abbruch der ersten Koalitionsverhandlungsrunde gezeigt, dass ihnen immense Kürzungen im Sozialbereich wichtiger sind als der eigene Machtanspruch oder ein rechtsextremer FPÖ-Kanzler Kickl. In der zweiten Verhandlungsrunde zwischen FPÖ und ÖVP war es dann umgekehrt: Die FPÖ konnte sich vor Machtgeilheit nicht halten und stritt mit der ÖVP bis zuletzt um das Innenministerium. Als Vertreterin der Reichen und Bosse war der ÖVP auch der russlandfreundliche Kurs der FPÖ ein Dorn im Auge.
Der neue Regierungsplan von ÖVP-SPÖ-Neos ist zutiefst rassistisch und menschenverachtend und könnte genauso von der FPÖ persönlich kommen. Schnellere und „konsequentere“ Abschiebungen, Stopp des Familiennachzugs, Kopftuchverbot für Mädchen, verpflichtende „Werte“- und Sprachkurse für Asylwerber:innen und der langfristige Plan, überhaupt keine Asylanträge mehr anzunehmen und bei „Verdachtsmomenten eine verpflichtende medizinische Altersfeststellung von Asylsuchenden“.
Auch Angriffe in Form von Einsparungen bei öffentlichen Medien wie dem ORF und den Kunst- und Kulturbereichen stehen an – während die FPÖ gleichzeitig ihre hohen Parteigelder in ihre rechtsextremen Propagandasender wie FPÖ-TV stecken können. Wie die Kürzungen im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich aussehen werden, wird sich noch zeigen, jedenfalls gibt es jetzt schon tausende fehlende Lehrer:innen und Pfleger:innen und die Arbeitsbedingungen in diesen Bereichen sind kaum auszuhalten. Auch die größten und kämpferischsten Arbeitskämpfe der letzten Jahre hat es unter Lehrer:innen, Elementarpädagog:innen und Pfleger:innen gegeben. Arbeitsbereiche, in denen vor allem Frauen und migrantisierte Menschen arbeiten. Um hier wirkliche Verbesserungen zu erzielen, müssen die Arbeitskämpfe in Form von größeren, branchenübergreifenden Streiks und neuen selbstorganisierten Strukturen von unten innerhalb der Arbeiter:innenbewegung größer werden.
Dabei haben wir bei den letzten Streiks von der GÖD und Younion im öffentlichen Dienst im letzten Herbst gesehen, dass die österreichischen Gewerkschaftsführungen den Streik von 30.000 Beschäftigten komplett bürokratisch von oben herab abgewürgt haben – zwei Stunden vor dem erwarteten Beginn abgeblasen. Die Gewerkschaftsführung hatte es in aller Kürze noch geschafft, einen miserablen Deal mit den Arbeitgeber:innen abzuschließen. Das zeigt wieder einmal auf, dass man sich auf die Gewerkschaftsführungen nicht verlassen kann und das wissen viele Arbeiter:innen und kritisieren zurecht auch die vielen schlechten Abschlüsse der letzten Zeit.
Insgesamt muss die kommende Regierung das Schuldenloch stopfen, sonst bekommt sie Probleme mit der EU. Das werden sie auf Kosten der Arbeitslosen, Jugend, Arbeiter:innen und Pensionist:innen tun und darunter werden feminisierte und migrantisierte Arbeitsbereiche am meisten betroffen sein. Die FPÖ in der Opposition hat in den kommenden Jahren jetzt die Möglichkeit, sich weiterhin als Partei „des kleinen Mannes“ zu inszenieren und dazuzugewinnen, während die SPÖ unter dem linken Hoffnungsschimmer Andreas Babler sich immer mehr dem Rechtsruck gebeugt hat, Abschiebungen gefordert hat und über den Genozid in Palästina geschwiegen hat. Die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) steht nach der Wahl mit leeren Geldbeuteln da und konnte auf Bundesebene mit reinem Fokus auf das Thema Wohnen nicht überzeugen, hat aber in den Bundesländern teilweise an Relevanz gewonnen.
Uns muss vielmehr klar sein, dass keine der etablierten Parteien auf unserer Seite steht und dass es nach den Wahlen jetzt viele Möglichkeiten gibt, für wirkliche Verbesserungen zu kämpfen, wie es die Beschäftigten in der Elementarpädagogik und die Lehrer:innen mit Streiks und Betriebsversammlungen in den letzten Jahren getan haben. Die österreichischen Arbeiter:innen und Studierenden müssen sich an den Orten, wo sie leben, lernen und arbeiten, zusammentun, und mit ihren Kolleg:innen, die von Rassismus oder Abschiebungen betroffen sind, solidarisieren und sich gemeinsam wehren. Nur auf so einer Grundlage kann es möglich sein, auch weitere Kämpfe wie Walk-Outs, Streiks oder Besetzungen zu organisieren. Denn die Angriffe von oben werden kommen – es ist nur eine Frage der Zeit.