Österreich: Gewerkschaften mobilisieren zu Sozialprotesten
Unter dem Motto „Preise runter“ fanden am Samstag in allen neun Bundesländern vom Österreichischem Gewerkschaftsbund (ÖGB) organisierte Proteste gegen die Inflation und Preissteigerungen statt, an denen laut ÖGB über dreißigtausend Menschen teilnahmen.
Während in Deutschland größere gewerkschaftliche Mobilisierungen gegen die Krise bisher noch ausstehen, fanden diese in Österreich nun statt. Zur Demonstration in Wien erschienen rund zwanzigtausend Teilnehmer:innen, an vielen anderen Orten fanden ebenso Proteste mit mehreren hundert oder tausend Menschen statt, wobei einige Beobachter:innen von niedrigeren Zahlen ausgehen. So oder so sind diese Zahlen aber im Vergleich zur materiellen Lage der Bevölkerung und zu vorherigen Mobilisierungen viel zu gering. Im Gegensatz zu Deutschland befindet sich die Sozialdemokratische Partei Österreichs, welche einen erheblichen Einfluss in der Gewerkschaftsbürokratie hat, nicht in der Regierung. In Deutschland, wo die SPD Teil der Regierung ist, verhalten sich die Gewerkschaften noch passiver, die DGB-Vorsitzende Fahimi (SPD-Mitglied) ging sogar so weit, das Entlastungspaket der Regierung zu loben, obwohl dieses arme Menschen benachteiligt und absolut unzureichend ist.
In Österreich hingegen geht der Gewerkschaftsbund offensiver gegen die Regierung vor. Bei der Abschlusskundgebung in Wien sagt der ÖGB Präsident Wolfgang Katzian: „Wenn alles teurer wird, helfen Einmalzahlungen auch nicht. Es braucht mehr. Das, was von der Regierung gemacht wurde, ist zu wenig. Der Markt hat kein Herz, kein soziales Gewissen!“ Richard Tiefenbacher als Vorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend sagte im Zuge der Proteste: „Die Jugend ist in der Pandemie im Stich gelassen worden, die Teuerung betrifft auch die Jugendlichen.“ Des Weiteren betonte die ÖGB Vizepräsidenten Korinna Schuhmann, dass insbesondere Frauen stärker unter den Auswirkungen der steigenden Preise leiden.
An den Demonstrationen nahmen viele bekannte Vertreter:innen der SPÖ teil, obwohl wir hier in Deutschland ganz genau sehen können, wie eine sozialdemokratisch geführte Regierung ähnlich wie die ÖVP-Regierung in Österreich die Interessen des Kapitals vertritt, waren diese Politiker:innen teils erfolgreich darin, sich als die soziale Alternative zu präsentieren. Die Offensive des Gewerkschaftsbundes soll, wenn es nach der Bürokratie geht, die Perspektive haben, bei den nächsten Wahlen die SPÖ zu stärken. Diese falsche Perspektive und unzureichende Mobilisierung von Beschäftigten dürften wohl Gründe gewesen seien, dass die Proteste hinter den Erwartungen zurück blieben.
Trotz dieser Schwächen zeigt sich die Regierung derweilen besorgt über die Proteste. So sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) im Vorfeld über die Proteste: „Mir als Präsident des Nationalrates bereitet das große Sorgen. Man demonstriert, obwohl die Lohnverhandlungen noch gar nicht begonnen haben. Was für ein Ziel hat man da?“
Das Ziel der Protestierenden dürfte klar seien: Über die Tarifrunden, die in Österreich ebenso im Herbst stattfinden, hinaus braucht es einen politischen Kampf gegen die Abwälzung der Krisenkosten auf die ärmeren Teile der Bevölkerung. Dafür sind diese Proteste eine erste Grundlage.