Obdachlosigkeit in Berlin: Ein Augenzeugenbericht

24.02.2024, Lesezeit 3 Min.
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Foto: Shutterstock.com, Hanohiki

Im Kapitalismus werden Menschen in die Obdachlosigkeit gedrängt und dann noch wie Dreck behandelt. Ein Bericht aus der Berliner U-Bahn.

Ich habe heute Nacht gesehen, wie ein Obdachloser in der U-Bahn schlief. Er lag auf seiner Seite auf dem Sitz, ein Schuh war ihm vom Fuß gerutscht. Er trug keine Socke. Ich habe gesehen, wie zwei Männer, die durch ihre Dienstkleidung als BVG-Mitarbeiter erkennbar waren, die Bahn betraten. Sie riefen dem Mann laut und aggressiv zu, dass er aufstehen solle. Sie ließen ihm keine Zeit wach zu werden und packten ihn an den Armen, „Komm jetzt!“. Sie führten den Mann, der nicht wirkte, als sei er überhaupt bei Bewusstsein, aus dem Wagen.

Auf dem Weg sprachen sie einen anderen Mann an, von dem sie wohl ebenfalls vermuteten, dass er keine Fahrkarte besitzt. Nach einem Tipp auf die Schulter und einer weiteren Aufforderung stand der Mann auf und verließ die Bahn. Ich war geschockt von dem Verhalten der BVG-Mitarbeiter. Die Situation dauerte nur wenige Minuten. Als ich auf die Idee kam, mein Handy zu nehmen, um zu filmen, oder auf andere Weise einzuschreiten, war die Situation bereits vorbei, und das BVG-Rauswurfteam stieg aus dem Waggon. Der Schuh des ersten Obdachlosen blieb augenscheinlich zurück.

Eigentlich müsste in Deutschland niemand auf der Straße leben, wenn die Ressourcen gerecht verteilt wären. Es gibt viele leerstehende Wohnungen, die Spekulanten gehören. Es gibt viele riesige Wohnungen, in denen reiche Menschen wohnen. Man könnte diese verkleinern, um dort mehr Menschen unterzubringen. Statt Shoppingcenter oder futuristisch anmutende Bürogebäude könnte man bezahlbare Wohnungen bauen. Es passiert schneller, als man denkt, dass Menschen obdachlos werden. Die Wohnung kann wegen Eigenbedarfs gekündigt werden, oder man wird zwangsgeräumt, weil die Mieten nicht mehr bezahlbar sind. Ohne Meldeadresse gibt es keine Sozialhilfe, und ohne Geld gibt es keine neue Wohnung. Es gibt zwar Notübernachtungen für Obdachlose, jedoch gibt es nicht genug davon. Zumeist sind Hunde dort nicht erlaubt, und man muss einigermaßen nüchtern sein, und ab einer bestimmten Uhrzeit ist Aufnahmestopp. Diese Bedingungen sind nicht immer einfach zu erfüllen.

Wer zu krank oder schwach ist, um eine Unterkunft zu finden, oder wer vor den Türen einer voll belegten Unterkunft abgewiesen wird, kann auch nicht in der U-Bahn schlafen. Zumindest nicht ohne Angst, aufgeweckt und unsanft rausgeworfen zu werden. Obdachlose sollen diejenigen, die Wohnungen haben, daran erinnern, dass auch sie auf der Straße landen könnten, wenn sie nicht produktiv sind und ihren Arbeitsplatz verlieren. Es kann nicht sein, dass die BVG im Winter Obdachlose aus ihren Fahrzeugen wirft, und das auch noch mit Gewalt.

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