Ob Chemnitz oder Paris – wir brauchen eine starke Arbeiter*innenbewegung!
Vor fünf Jahren wurde der junge Antifaschist Clément Méric in Paris von Neonazis ermordet. Erst letzte Woche begann der Prozess gegen die Täter.
Nach den Ereignissen 2013 haben die etablierten Parteien versucht, die Empörung über den Vorfall zu instrumentalisieren. Wie so oft wurde von einem Problem des „Extremismus“ gesprochen – als seien „beide Seiten“ gleichermaßen Schuld am Tod von Clément.
Es gab Statements „gegen jede Gewalt“, und in Verbindung mit der Forderung nach einem Verbot rechtsradikaler Kameradschaften wurde auch nach einer Auflösung radikaler linker Organisationen gerufen.
Doch die bürgerliche Politik war und ist nicht in der Lage, die gesellschaftliche Polarisierung aufzuhalten. Im Gegenteil, mit Rentenkürzungen, neoliberalen Bildungsreformen und Angriffen auf die Arbeitsbedingungen und Löhne in Frankreich, hat sie die Situation in den vergangenen fünf Jahren weiter verschärft. Das geschah ebenso unter dem Sozialdemokraten Hollande, wie auch jetzt – in noch schärferer Form – unter Macron.
Auch die Behauptung, der Staat könne seine Bürger*innen mittels seines Gewaltmonopols vor „Extremismus“ und Terror schützen, erweist sich immer wieder als Farce. Seit den Anschlägen in Paris 2015 wird der allgemeine Ausnahmezustand genutzt, um demokratische Rechte und besonders die Demonstrationen der radikalen Linken einzuschränken. Faschistische Banden dagegen sind heute in Frankreich nicht schwächer, sondern stärker aufgestellt als vor einigen Jahren. Als Studierende im Frühjahr ihre Unis besetzten, kam es an mehreren Orten zu Angriffen von rechten Gruppen. Letztendlich zerschlagen wurden die größten Besetzungen allerdings vom Staat selbst, in Form der Knüppel- und Tränengas-bewehrten Bereitschaftspolizei.
Auch als am vergangenen Montag die inhaltlich kämpferische, aber vergleichsweise ruhige Gedenkkundgebung für Clément Méric zu Ende ging und sich etwa 200 Leute zu einer Spontandemo zum Gerichtssaal aufmachten, war die Staatsmacht bestens vorbereitet. Etwa zwanzig (!) Einsatzwagen waren in kürzester Zeit zur Stelle, um die Demonstration einzukesseln und aufzulösen. Wie absurd das Verhältnis von Demo und Polizeiaufgebot war, ist auf den Fotos ganz gut zu sehen.
Das ist allerdings keine besondere französische Spezialität. Auch in Deutschland wird bei linken Demos besonders gern nach einem Vorwand für Repression gesucht, während man rechte Aufmärsche eher mal gewähren lässt oder ihnen noch den Weg freiprügelt.
Als nun in Chemnitz mehrere Tausend unter faschistischer Führung demonstrierten und anschließend Jagd auf Migrant*innen machten, war die Polizei davon „überfordert“. Wenig später leugnet Sachsens Ministerpräsident, dass überhaupt irgendetwas Nennenswertes vorgefallen sei. Und die AfD reibt sich die Hände. Einerseits hat sie es in den letzten zwölf Monaten geschafft, ihre Präsenz im Parlament und den Medien zu normalisieren und alle anderen Parteien nach rechts zu ziehen. Andererseits kann sie sich nun auch endlich als Führung faschistischer Gruppen auf der Straße etablieren.
Angesichts des Rechtsrucks in ganz Europa müssen wir davon ausgehen, dass wir nur am Anfang einer noch viel schärferen Entwicklung stehen. Die voranschreitende wirtschaftliche Krise wird immer weniger Spielraum für Zugeständnisse lassen. Stattdessen stehen uns Angriffe auf Löhne, Arbeitszeit (wie in Österreich) und gewerkschaftliche Rechte bevor. Und wenn es dagegen Widerstand gibt, wird die aufkommende faschistische Bewegung ihren Zweck in der Einschüchterung bis hin zur Zerschlagung von Gewerkschaften und anderen Arbeiter*innnen-Organisationen finden.
Dass es nichts bringt, angesichts dieser Gefahr auf den Staat oder die bürgerlichen Parteien zu hoffen, wird immer mehr Menschen klar. Die Frage, die sich dann stellt: Wie gehen wir gemeinsam gegen diesen Rechtsruck vor? Ja, Demonstrationen sind wichtig, ebenso wie die Bereitschaft, sich und andere zu schützen. Doch echten Schutz kann es nur mit starken Massenorganisationen der Arbeiter*innen geben, die den Nazis sowohl physisch als auch politisch den Boden entziehen. Das bedeutet nicht nur, mit aller Kraft gegen faschistische Umtriebe vorzugehen. Es bedeutet auch, gegen die neoliberalen Angriffe zu kämpfen, die uns von den bürgerlichen Parteien als alternativlos verkauft werden. Und es bedeutet, uns nicht spalten zu lassen, sondern gemeinsam gegen jede Form von Rassismus, Sexismus und Homophobie vorzugehen!