NSU 2.0: Polizist, du bist der Terrorist – Unabhängige Untersuchung jetzt!
Neue Erkenntnisse im Skandal um die Drohbriefe des „NSU 2.0“ machen immer deutlicher, das auch in diesem Fall gut vernetzte rechte Terrornetzwerke aus dem Inneren der Polizei agieren. Die Untersuchung dieser Fälle darf nicht den rassistischen Institutionen des Regimes überlassen werden. Nur eine unabhängige Untersuchung der Arbeiter*innenbewegung, der Linken und der Betroffenen kann Aufklärung und Sicherheit schaffen.
Bild: Fraktion DIE LINKE. im Bundestag / CC BY
2018 endete der Strafverfolgungsprozess gegen den NSU, der die Verbindungen zwischen der rechtsextremen Szene und dem Verfassungsschutz vor der Öffentlichkeit deutlich machte. Im selben Jahr begann ein rechtes Terrornetzwerk, unter dem Kürzel „NSU 2.0“ Drohschreiben an bekannte linke und antirassistische Künstler*innen, Journalist*innen, Politiker*innen und Aktivist*innen zu versenden.
Die Namensgebung stellt eine Provokation dar, indem sie an die brutalste rassistische Mordserie seit der Wiedervereinigung erinnert. Doch sie gibt darüber hinaus Aufschluss darüber, wie eng die rechtsextremen Strukturen mit den Repressionsorganen des deutschen Staates zusammenarbeiten. Neue Erkenntnisse machen immer deutlicher, dass der „NSU 2.0“ und die hessische Polizei eng verbunden sind oder in Personalunion zusammenarbeiten. In mehreren Fällen wurden Personendaten der Adressat*innen von Servern der hessischen Polizei abgerufen, kurz bevor die Drohschreiben versandt wurden.
Zu einer solchen Schlussfolgerung musste am Wochenende selbst der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) kommen, der nach zwei Jahren ohne ernsthafte Ergebnisse den Polizeipräsidenten Hessens entlassen und einen Sonderermittler einsetzen musste, der aus den eigenen Reihen der Polizeihierarchie stammt. Die hessische Landesregierung aus CDU und Grünen haben sich also bisher als die besten Beschützer*innen der rassistischen Strukturen in der Polizei erwiesen und auch die neuen Maßnahmen weisen nicht darauf hin, das eine andere Haltung von diesen Parteien zu erwarten ist, die beste Aussicht darauf haben, im kommenden Jahr gemeinsam die Bundesregierung zu bilden.
Die Liste der Betroffenen ist lang, mindestens 69 Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“ wurden bisher verschickt. Besonders im Visier der Rechtsterrorist*innen befinden sich linke Migrant*innen und Frauen wie die Rechtsanwältin im NSU-Prozess Seda Başay-Yıldız, die Journalist*innen Hengameh Yaghoobifarah und Deniz Yücel sowie Linkspartei-Politiker*innen wie Janine Wissler, Martina Renner, Jutta Ditfurth oder die SPD-Abgeordnete Sawsan Chebli. Zu den neuesten Adressat*innen der Drohbriefe gehört auch die Kabarettistin Idil Baydar.
Bundesweite Welle rechter Gewalt
Das Auftreten des „NSU 2.0“ findet im Kontext einer neuen Welle rassistischer und rechter Gewalt statt, die sich über das gesamte Bundesgebiet erstreckt. Hessen stellt dabei einen Hotspot und Verbindungspunkt zwischen der Neonazi-Szene in Ost- und Westdeutschland dar, die von Nordrhein-Westfalen bis nach Sachsen und von Bayern bis nach Berlin gut organisiert ist.
Das Spektrum der Aktivitäten reicht dabei von Anschlägen wie denen in Halle oder in Hanau, der Serie von rassistisch motivierten Brandanschlägen in Berlin-Neukölln oder den Drohschreiben der Nationalsozialistischen Offensive aus Berlin. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass all diese Aktivitäten miteinander vernetzt sind. Besonders tragisch: Auch der Berliner Senat aus SPD, Linkspartei und Grünen weigert sich seit Jahren, ernsthafte Schritte zum Schutz der Betroffenen und der Aufklärung der Straftaten zu gehen.
Dazu kommt, dass mit der Bundeswehr erst vor wenigen Wochen eine weitere Säule der Repression und Militarisierung in Deutschland von einem Skandal um rechtsextreme Machenschaften erschüttert wurde. Die Auflösung der zweiten Kompanie der Sondereinheit KSK durch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erfolgte, nachdem bekannt wurde, dass fast 50.000 Schuss Munition und mehr als 60 Kilogramm Sprengstoff in dieser Spezialeinheit verschwunden sind. Zusätzlich dazu fehlen in der gesamten Bundeswehr weitere 60.000 Schuss. Es handelt sich also um eine reale Bedrohung der Leben dieser antirassistischen und linken Aktivist*innen und Migrant*innen.
Kein Vertrauen in Polizei, Regierung und Generalbundesanwalt!
Es ist offensichtlich, dass weder die Betroffenen noch alle potentiellen Opfer dieser gefährlichen Verbindung aus Polizei, Bundeswehr und Rechtsterrorismus auf die Untersuchungen der hessischen oder der Berliner Polizei vertrauen können. Die Betroffene und Linkspartei-Abgeordnete Martina Renner kritisierte die Zusammenarbeit der verschiedenen Landeskriminalämter und forderte eine bundesweite Untersuchung, die vom Generalbundesanwalt angeführt werden müsste.
Doch die Hoffnungen auf den Generalbundesanwalt zu setzen, ist eine schlechte Option. Auch keine der bürgerlichen Parteien hat ein Interesse an einer grundlegenden Aufklärung der Verbindung von Staatsorganen und Rechtsextremismus: Weder die AfD, die selbst am Aufkommen des Rechtsterrorismus beteiligt ist; noch die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD, die täglich für Abschiebungen verantwortlich sind und keine Untersuchungen über strukturellen Rassismus in der Polizei durchführen wollen; noch die Grünen und die Linkspartei, die bei der ersten Infragestellung der Polizei an ihre Seite springen und in den Landesregierungen Racial Profiling und rassistische Polizeigewalt mitverantworten.
Für eine unabhängige Untersuchungskommission, durchgesetzt durch Mobilisierungen!
Daher kann nur eine von den Institutionen des bürgerlichen Staates und seiner Parteien unabhängige Untersuchung den rechten Umtrieben in der Polizei ein Ende setzen. Dafür braucht es eine unabhängige Kommission aus Betroffenen, antirassistischen und linken Gruppen, Journalist*innen und Anwält*innen und den Gewerkschaften, die sich mit ihren enormen Apparaten konsequent für die Aufklärung und Verfolgung der Täter*innen einsetzen müssten. Eine solche Kommission kann jedoch nicht in Verhandlungen mit den bürgerlichen Parteien ins Leben gerufen werden, sondern muss durch die unabhängige Mobilisierung der Arbeiter*innen und Jugendlichen erkämpft werden.
Die Mobilisierungen anlässlich der Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA, die den strukturellen Rassismus in Deutschland thematisieren, können ein erster Ansatzpunkt für eine solche Mobilisierung sein. Vorausgesetzt, sie können die Verbindung zur Arbeiter*innenbewegung herstellen können, die bisher noch durch die reformistische Bürokratie gelähmt ist, die sich schützend hinter die Polizei stellt und ihren Fortbestand in den Reihen der Gewerkschaften mitträgt. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung für eine solche Bewegung, innerhalb der Gewerkschaften für den Rausschmiss der sogenannten „Gewerkschaft der Polizei“ (GDP) aus dem DGB zu kämpfen.
In letzter Instanz würde eine solche Aufklärung nicht nur aufzeigen, wie zersetzt von rechten Strukturen die Staatsorgane sind. Sie müsste auch erkennbar machen, dass der Grund für diese Verbindung in der Rolle des bürgerlichen Staates liegt, die Interessen des deutschen Imperialismus in der Welt und der deutschen Kapitalist*innen im Inneren vor jeglicher Infragestellung von unten zu schützen und sich dabei der rassistischen Spaltung und Unterdrückung bedient. Deswegen kann der Kampf gegen rechte Netzwerke in Polizei und Staat nur mit einer konsequent antikapitalistischen Perspektive erfolgreich sein und muss deshalb von den Organisationen der Arbeiter*innenklasse aufgenommen werden. Denn sie ist die einzige Klasse, die das Interesse besitzt und aufgrund ihrer Stellung in der Wirtschaft dazu in der Lage ist, dieses verrottete System, das auf Rassismus und Ausbeutung basiert, zu zerschlagen.