Notstandsgesetze gegen Streiks? Nicht mit uns!
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger schlägt vor, das Streikrecht durch einen "nationalen Notstand" anzugreifen. Er und die seinen wollen verhindern, dass wir auch nur für das mindeste kämpfen: einen Lohnausgleich.
Der Anlass für den Vertreter der Kapitalist:innen, unser Recht auf Streik angreifen zu wollen, ist der Warnstreiks an den Häfen für einen Inflationsausgleich. Dulger meint, die „fetten Jahre sind vorbei“, und wir könnten nun nicht mehr in einer „Wohlstandsoase“ leben. Daher fordert er, dass die Kapitalist:innen weniger durch Sozialabgaben, Steuern oder den minimalen Menschenrechts- und Umweltstandards des Lieferkettengesetzes belastet werden sollen. Industriepräsident Russwurm forderte neulich auch, die Wochenstundenzahl zu erhöhen. Manche diskutieren gar eine Erhöhung des Rentenalters.
Die Vertreter der Reichen leben anscheinend in einem anderen Deutschland als wir. Eine „Wohlstandsoase“ kennen viele Arbeiter:innen nicht in dem Land mit dem höchsten Niedriglohnsektor in Europa. Uns wird gesagt, es sein nicht genug Geld da für bessere Pflege, Bildung und Umweltschutz. Und nun wollen die Reichen Entlastungen in Steuern und Sozialabgaben, während die Armutsquote steigt?
Dulger will nicht nur, dass wir für die Krise zahlen. Er will uns auch durch Notstandsgesetze kampfunfähig machen. Das ist eine politische Kampfansage an allen Arbeiter:innen und Gewerkschaften in Deutschland, ein absoluter Skandal! Ver.di-Chef Frank Werneke sagte, der Vorschlag Dulgers sei ein „Ausdruck einer antidemokratischen Geisteshaltung“ und er träume offenbar davon, „dass es einen autoritären Staat gibt, der Arbeitnehmerrechte niederknüppelt.“
Die Notstandsgesetze entstanden als eine Antwort der deutschen Kapitalist:innen auf die 68er Proteste, um zu verhindern, dass es hierzulande zu Generalstreiks wie in Frankreich käme. Sie wurden damals lediglich nicht angewendet, weil die Gewerkschaftsführungen keine Generalstreiks organisierten und die Welle wilder Streiks von 1969 bis 73 isoliert voneinander blieb. Auch im Rahmen des Kalten Krieges wurden die Notstandsgesetze öfters diskutiert, mit dem Ziel die „Heimatfront“ in einer Kriegssituation zu sichern.
Das Streikrecht ist in Deutschland auch ohne Notstandsgesetze sehr eingeschränkt und undemokratisch. Ein Erbe aus dem Faschismus. Politische Streiks sind angeblich verboten, nach einem Urteil eines Nazirichters in der jungen BRD. Ökonomische Streiks auch noch zu verbieten wäre ein krasser Angriff. Dulger will wohl die Militarisierung und Aufrüstung mit einem restriktiveren Regime im Inneren ergänzen. Schon beim Tarifeinheitsgesetz von 2015 – das vom DGB unterstützt wurde – wurde das Streikrecht für kleinere Gewerkschaften eingeschränkt. Häufig kommt es auch zu Klagen von Kapitalist:innen, die Streiks gerichtlich verbieten möchten.
Zuletzt hatte Olaf Scholz einen runden Tisch von Arbeitgeberverbänden, Regierung und Gewerkschaften ins Spiel gebracht, um die Gewerkschaften zum Verzicht auf Streiks und Lohnzurückhaltung zu bewegen. Auch Finanzminister Christian Lindner forderte Zurückhaltung bei Tarifabschlüssen, wie bei der kommenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst (TVöD).
Wir können diese Angriffe nicht hinnehmen! Wenn die Kapitalist:innen offen diskutieren, unsere Arbeits- und Lebensbedingungen anzugreifen, brauchen wir Gegenwehr. Die streikenden Kolleg:innen in den Häfen und in den Krankenhäusern NRWs sind hierbei ein großes Vorbild für uns alle. Und sie müssen etliche Angriffe und Klagen über sich ergehen lassen. Um Angriffe auf unsere Rechte zu verhindern, müssen wir aus der Basis der Gewerkschaften aktiv werden.
Es braucht Solidaritätsstreiks, um diese Kämpfe wie in NRW oder den Häfen zu gewinnen und den möglichen Angriff auf das Streikrecht abzuwehren. Es steht nicht weniger auf dem Spiel als die Existenzgrundlage der Gewerkschaften. Was sollten wir unter einem Streikverbot machen, wenn unser Lohn nicht mehr zum Leben reicht?
Man muss sowohl diese runden Tische, als auch solche Drohungen, die Erpressungsmaßnahmen sind, seitens als Gewerkschaft ablehnen. Und man darf keineswegs das eigene Handlungsfeld und das Recht zu Streiken einschränken lassen. Weder durch Sozialpartnerschaft, noch Notstandsgesetze.
Bringen wir diese Diskussion in unseren Betriebsgruppen und Gewerkschaften ein, positionieren wir uns öffentlich dagegen. Und falls der Angriff auf unsere Rechte konkreter wird, müssen wir bereit sein und dagegen als Gewerkschaften auf die Straße gehen!