Norwegische Regierung verbietet Streik der Gasarbeiter:innen

06.07.2022, Lesezeit 4 Min.
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Oseberg Sør, eine der betroffenen Gasplattformen. Bild: Norsk Olje og Gass

Der Streik in der norwegischen Öl- und Gasindustrie hatte die europäische Energieversorgung bedroht. Nun ist er verboten worden. Doch die Streiks gegen die Inflation müssen weitergehen.

Nur wenige Stunden dauerte der Streik von Beschäftigten auf den norwegischen Gasplattformen in der Nordsee. Dann schon griff die Regierung Norwegens ein. Die sozialdemokratische Arbeitsministerin Marte Mjøs Persen erklärte: „Es ist unverantwortlich, die Gasproduktion in so großem Umfang einzustellen, wie es dieser Streik in den nächsten Tagen zur Folge haben könnte.“ Die angekündigte Eskalation sei in der aktuellen Situation kritisch, sowohl mit Blick auf die Energiekrise als auch auf die geopolitische Situation mit dem Krieg in Europa.

Die Arbeiter:innen, die in der Gewerkschaft Lederne organisiert sind, hatten angesichts der auch in Norwegen grassierenden Inflation Lohnerhöhungen gefordert. Am vergangenen Donnerstag hatte sie in einer Abstimmung einen von den Unternehmen und den Gewerkschaften ausgehandelten Tarifvertrag abgelehnt.

Lederne ist selbst nur eine kleine Gewerkschaft unter den Beschäftigten der Öl- und Gasindustrie. Aufgrund der strategischen Position ihrer Mitglieder genügte jedoch ein Streik von nur wenigen Kolleg:innen, um großen wirtschaftlichen Druck zu erzeugen. Die Produktion auf den Feldern Gudrun, Oseberg Sør und Oseberg Øst ruhte. Am Dienstag waren lediglich 74 Arbeiter:innen im Ausstand, heute sollten ihnen weitere 117 folgen.

Für Samstag war eine Ausweitung des Streiks angekündigt. Nach Angaben der Regierung Norwegens wäre damit die Hälfte der Gasexporte des Landes ausgefallen. Der Industrieverband Norsk Olje og Gass sprach von einem täglich drohenden Schaden von 50 Millionen Euro.

Gewichtiger als der finanzielle Schaden wäre jedoch der Druck auf die europäische Energiesicherheit gewesen. Deutschland hat in der Vergangenheit etwas ein Drittel seines Gases aus Norwegen importiert. Angesichts drohender Lieferengpässe aus Russland hatte das skandinavische Land angekündigt, seine Produktion steigern zu wollen. Auch andere EU-Staaten sind wegen des Kriegs in der Ukraine stärker auf norwegisches Gas angewiesen.

Mit einer repressiven Maßnahme ist dieses Szenario nun vorerst abgewendet. Der Tarifstreit kommt nun vor ein wenigstens formal unabhängiges Gremium, um eine Einigung in einer Art Zwangsschlichtung zu erzwingen.

Auch in Deutschland wurde kürzlich eine Regierungsintervention gegen Streiks ins Spiel gebracht. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hatte vorgeschlagen, das Streikrecht durch einen „nationalen Notstand“ in Frage zu stellen. Auch sein Vorstoß war eine Reaktion auf eine Arbeitsniederlegung in einem strategischen Sektor gewesen, den Streik der Arbeiter:innen an den deutschen Seehäfen. Auch sie kämpfen für einen tatsächlichen Inflationsausgleich.

Die Gewerkschaften hierzulande und international müssen sich dringend gegen jede Einschränkung des Streikrechts stellen. Ähnliche Angriffe werden sich häufen, wenn sich die Kämpfe gegen die Inflation in nächster Zeit weiter vermehren. Dazu gehört auch, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund sich sofort aus der Konzertierten Aktion zurückziehen soll. Denn dort soll den Gewerkschaften nur ein Verzicht auf angemessene Lohnforderungen auferlegt werden. Stattdessen gilt es dem Vorbild der Hafenarbeiter:innen zu folgen und unnachgiebig für einen Inflationsausgleich zu streiken.

Von selbst wird das jedoch nicht geschehen. Die Führungen unserer Gewerkschaften haben zu deutlich gemacht, dass sie das Bündnis mit der Ampelregierung aufrechterhalten wollen. Wo wirkliche Kämpfe stattfinden, wie an den Häfen oder den Unikliniken in Nordrhein-Westfalen, liegt das an dem großen Druck und der guten Organisierung der Basis. Diesen Druck müssen wir erhöhen.

Die Streikwelle gegen die Inflation rollt längst. Es kämpfen Hafenarbeiter:innen in Deutschland, Bahnarbeiter:innen in Frankreich, Beschäftigte in der Luftfahrt im Spanischen Staat und Eisenbahner:innen in Großbritannien. Streikverbote und andere repressive Maßnahmen dürfen sie nicht mehr aufhalten.

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