#NiUnaMenos: Der Kampf gegen Gewalt an Frauen in Argentinien
// Interview mit Andrea D’Atri. //
Andrea D’Atri ist in der nationalen Führung der PTS (Partei Sozialistischer ArbeiterInnen) in Argentinien und Gründerin der Frauengruppierung Pan y Rosas. Bei den nächsten Wahlen in Argentinien kandidiert sie für das Parlasur, das Parlament des lateinamerikanischen Handelsraums Mercosur, das zum ersten Mal durch die Bevölkerung gewählt wird.
Am 3. Juni wurde in ganz Argentinien gegen Frauenmorde protestiert. Was waren die Gründe für diese Proteste und wie sahen sie aus?
Am 3. Juni gingen zwischen 300 und 500 Tausend Menschen in Buenos Aires und anderen großen Städten Argentiniens auf die Straße. Die Kundgebung „Ni una menos“ („Nicht eine weniger“) – von einer Gruppe JournalistInnen organisiert – überstieg alle Erwartungen. Nie zuvor waren in Argentinien so viele Menschen gegen machistische Gewalt auf die Straße gegangen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Die Gewalt gegen Frauen ist bedrohlich angestiegen: In den letzten sieben Jahren wurden mehr als 1.800 Frauen ermordet, allein im Jahr 2004 gab es 277 Morde. Dazu kommt noch, dass Frauen die Mehrheit der prekarisierten ArbeiterInnen und der Armen ausmachen; sie sind von Menschenhandel betroffen, 600 Frauen sind so in den letzten Jahren verschwunden. Und es gibt immer noch die Geißel des Abtreibungsverbots, durch das 300 Frauen im Jahr bei illegalisierten Abtreibungen sterben, vor allem arme und junge Frauen und Arbeiterinnen. In diesem Jahrzehnt sind unter der Regierung der Kirchners allein 3.000 Frauen am fehlenden Zugang zu einem sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch gestorben.
Wer nahm an den Mobilisierungen und der Demo teil?
Vor allem junge StudentInnen, SchülerInnen und ArbeiterInnen. Sie kamen teils noch in ihrer Arbeitskleidung direkt von der Arbeit in der Fabrik, im Büro, im Krankenhaus oder der Schule. Außerdem nahmen feministische, gewerkschaftliche, soziale, Nachbarschafts-, und politische Organisationen teil. Viele kamen auch individuell.
Die Bewegung hat sich auch auf andere Länder ausgebreitet. Was ist dazu zu sagen?
Es gab Unterstützungsaktionen in Mexiko und Chile, an denen auch unsere Genossinnen von Pan y Rosas in diesen Ländern beteiligt waren. Die wichtigste solidarische Demonstration fand in Uruguay statt, wo 10.000 Menschen auf die Straße gingen. In Lateinamerika gibt es eine tiefgreifende Ungleichheit und Gewalt ist ein Problem in den meisten Ländern. Dazu kommen noch die Einmischungen der katholischen Kirche und ihre Übereinkommen mit der Mehrheit der Regierungen (auch mit jenen, die sich „progressiv“ nennen). Dies führt zu einer kritischen Situation für Frauen: eine hohe Müttersterblichkeit, eine hohe Sterblichkeitsrate bei illegalisierten Abtreibungen und ökonomische Ungleichheit. Das Problem der Gewalt ist besonders sichtbar im Menschenhandel und der Prostitution. Beides wird sogar gestützt und teils erzeugt durch Staatsbedienstete und die Polizei.
Was war Eure Beteiligung als Pan y Rosas? Was waren Eure Forderungen?
Unter den Organisationen, die für den 3. Juni mobilisierten war auch Pan y Rosas, gemeinsam mit 7.000 Jugendlichen, Schülerinnen und Studentinnen und Arbeiterinnen aus dem ganzen Land. Unsere Gruppierung nahm an der Kundgebung teil und wir haben die verschiedenen Formen der Gewalt gegenüber Frauen verurteilt, die oft unsichtbar bleiben: die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, die Lohnungleichheit, die Gewalt, die durch die Medien ausgeübt wird, indem sie machistische Stereotype hervorbringen und reproduzieren, und natürlich eine der grausamsten Formen der Gewalt unter der Frauen in Argentinien leiden, nämlich der Tod durch illegalisierte Abtreibungen. Außerdem haben wir die Verantwortlichen für die Gewalt gegen Frauen aufgezeigt: der Staat, die Regierungen, die Justiz und die Kirche, die den Machismus reproduzieren und legitimieren. Wir haben gemeinsam mit Tausenden Frauen demonstriert und mit besonderem Interesse die Organisationen der Arbeiterinnen und der Jugend in den Fabriken, Krankenhäusern, Schulen und Universitäten begleitet und unterstützt.
Außerdem haben wir ein Gesetzesprojekt zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs des Abgeordneten Nicolás del Caño der PTS in der FIT (Frente de Izquierda – Front der Linken und ArbeiterInnen, eine Wahlfront verschiedener Parteien) unterstützt und vorangetrieben. Und wir unterstützen die Kampagne von Myriam Bregman (Kandidatin der PTS in der FIT für das BürgermeisterInnenamt in Buenos Aires), die Sofortmaßnahmen zur Unterstützung der Frauen, die Opfer von Gewalt werden, fordert. In Argentinien existiert seit 2009 ein Gesetz gegen Gewalt an Frauen, aber es fehlen die notwendigen Mittel es durchzusetzen. Gleichzeitig werden die Gelder von Programmen gekürzt, die Frauen unterstützen, welche Gewalt erfahren.
Was schlagt ihr der feministischen Bewegung vor, um diese Forderungen umzusetzen?
Wir von Pan y Rosas sind überzeugt, dass wir unsere grundlegenden Rechte, wie das Recht auf freie, sichere und kostenlose Abtreibung, nur auf eine Art erreichen können: durch die Mobilisierung unabhängig von der Regierung, den Gewerkschaftsbürokratien und der Kirche. Aber unser Kampf endet nicht dort: Wir kämpfen für eine Gesellschaft frei von jeglicher Unterdrückung.