Nieder mit ihren Kriegen: Offene Grenzen für alle Geflüchteten

01.10.2024, Lesezeit 10 Min.
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Protest in Solidarität mit Palästina. Foto: Ricarda Julia / KGK

Leitartikel: Israel marschiert nach wochenlangen Bombardements in den Libanon ein. Ein Jahr Genozid in Gaza liegen hinter uns. Angriffe führt es auch auf Jemen und Syrien durch. All das mit der materiellen und diplomatischen Rückendeckung Deutschlands und anderer NATO-Staaten. Ein Regionalkrieg droht und auch der Ukrainekrieg findet kein Ende. Wir rufen daher auf, sich an den Demonstrationen gegen Krieg und Genozid am 3. Oktober und um den 7. Oktober herum zu beteiligen.

Angesichts mehrerer Kriege mit indirekter deutscher Beteiligung durch Waffenlieferungen, finden in Berlin Anfang Oktober verschiedene Demonstrationen statt. Unter dem Motto „Nein zu Krieg und Hochrüstung! Ja zu Frieden und internationaler Solidarität.“ ruft für den 3. Oktober ein bundesweites Bündnis aus Gewerkschafter:innen, führenden Mitgliedern der Linkspartei und der SPD sowie vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu einem Sternmarsch auf. Am 6. Oktober ruft ein Bündnis aus palästina-solidarischen und linken Organisationen wiederum zur Demonstration „Palestine resists: It started long before October 7th“ auf. Auch bundesweit wird es Proteste geben. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Hetze gegen die Proteste an Fahrt aufnimmt. Gegen die Demonstration am 3. Oktober wurde bereits Gegenprotest angekündigt und auch um den 7. Oktober herum werden bürgerliche Medien und Politiker:innen voraussichtlich ein Feuerwerk an antimuslimischem Rassismus und imperialistischer Kriegsrhetorik zünden. 

Denn diese Proteste finden vor dem Hintergrund des aktuellen Rechtsrucks statt. Die AfD ist davon der stärkste Ausdruck. Mit ihrer migrationsfeindlichen und hetzerischen Propaganda haben sie in den vergangenen Monaten eine beispiellose rassistische Welle in der öffentlichen Debatte ausgelöst. Egal ob FDP, Union, Grüne oder SPD, alle Parteien schlagen in die gleiche Kerbe: Das Übel aller Probleme sei die Migration. So wurden kurzerhand Grenzkontrollen zu allen Nachbarländern wieder eingeführt und sich damit über geltendes Europarecht hinweggesetzt und Abschiebeflüge nach Afghanistan und Syrien durchgeführt. Insbesondere der antimuslimische Rassismus nimmt immer weiter zu. Palästinensische Geflüchtete erleben zudem, dass ihre Asylanträge in Deutschland nicht bearbeitet werden, obwohl Israel in Gaza die größte Zerstörung einer Region seit dem Zweiten Weltkrieg angerichtet hat. Was vor zehn Jahren oft nur von Rechtsradikalen gefordert wurde, ist mittlerweile Normalität in der bürgerlichen Politik. 

Für Offene Grenzen und Bleiberecht für alle

Der Rechtsruck macht leider nicht vor großen Teilen der Bevölkerung halt. Nach aktuellen Umfragen sehen viele Menschen insbesondere die Migration als eines der größten Probleme der heutigen Zeit an. Besonders junge Wähler:innen haben in Ostdeutschland überproportional die AfD gewählt. Diese Ergebnisse sind Ausdruck verschiedener Krisen der letzten Jahre: Die Corona-Pandemie, der Ukrainekrieg, Inflation, Klimawandel und nun Gaza. Zudem droht auch die deutsche Wirtschaft weiter zu stagnieren. Die drohenden Entlassungen bei VW sind eventuell nur ein Vorbote für stärkere Angriffe auf die arbeitende Bevölkerung. Dagegen können wir uns nur vereint stellen. Um diese Verteidigung zu organisieren, ist es notwendig, sich auch gegen den sozialpartnerschaftlichen Kurs der Gewerkschaftsbürokratien zu stellen. Auch wenn sie sich heute noch kämpferisch geben, droht morgen schon der Ausverkauf der Beschäftigten über Sozialpläne und Sozialtarifverträge, die die Bürokratien mit den Bossen aushandeln. Daher braucht es zur Verteidigung heute schon die Einberufung von regelmäßig Versammlungen aller Beschäftigten, die demokratische Diskussionen zur Verteidigung der Arbeitsplätze führen, aber auch verbindliche Entscheidungen zum Kampf gegen diese Entlassungen treffen. Solche Versammlungen müssen auch weitere Schichten der Klasse mit einbeziehen und die großen politischen Fragen von Krieg, Rassismus und Kürzungspolitik mit aufwerfen. 

Denn der Kampf gegen die Entlassungen ist ein Kampf gegen einen der wichtigsten Konzerne Deutschlands, der auch bei der Produktion von Panzern und Kriegsschiffen beteiligt ist und dessen Vorstand sich immer wieder gegen schärfere Maßnahmen gegen die Klimakrise einsetzt. Eine Verteidigung, die es schafft all diese politischen Fragen in den Mittelpunkt zu stellen und darüber auch Verbündete für diesen Kampf mobilisiert, kann in der Lage sein, die Entlassungen zu verhindern, aber auch grundsätzlich die militaristische und klimafeindliche Politik der Regierung und der Konzerne herausfordern, die erst solchen rechten Phänomenen wie der AfD den Weg bereiten. Gleichzeitig können solche Organe der Selbstorganisierung auch die Grundlage sein, um das kapitalistische System, was den Rechtsruck und die Militarisierung begünstigt, in Frage zu stellen und auch über Betriebe hinaus für eine Gesellschaft zu kämpfen, die nicht von Profiten der Wenigen abhängt, sondern im Interesse von Mensch und Natur – eine sozialistische Gesellschaft. Die Gewerkschaftsbürokratien stehen überwiegend hinter der Politik der Regierung oder inszenieren sich nur symbolisch als Verteidiger:innen von Frieden und Menschenrechten. Daher ist die Selbstorganisierung der Arbeiter:innen eine notwendige Bedingungen, um die weitergehenden politischen Fragen überhaupt aufwerfen zu können. 

Für ein Verbot von Massenentlassung und die entschädigungslose Enteignung von Konzernen unter Kontrolle der Beschäftigten!

Geflüchtete sind dabei nicht unsere Konkurrent:innen, sondern unsere Verbündeten im Kampf für eine solidarische Gesellschaft. Heutige Kämpfe wie bei VW können ein wichtiger Ansatzpunkt sein, um diese Verbindung herzustellen und den deutschen Imperialismus gemeinsam herauszufordern. Über 20 Millionen Menschen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Sie sitzen neben uns in der Schule, bei der Ausbildung, in den Unis und den Betrieben, sind unsere Nachbar:innen und unsere Freund:innen. Doch die Spaltung durch rassistische, sexistische und transfeindliche Ideen wird von Kapitalist:innen und dem bürgerlichen Staat vertieft und ausgenutzt, um Profit zu maximieren. Dies geht mit Populismus und rechter Propaganda einher, die zu Anfeindungen und Angriffen auf der Straße, in den Medien und im Alltag führt. Aber die Diskrimineriung hat auch materielle Auswirkungen durch geringere Löhne, Nachteile bei der Wohnungs- und Arbeitssuche sowie durch Abschiebungen. 

Der deutsche Imperialismus zeigt sich nach innen in Militarisierung der Gesellschaft und rassistischer Spaltung. Nach außen dient die Beteiligung am Krieg in der Ukraine und dem Genozid in Gaza dem Erhalt der eigenen Einflusssphären. Der rassistische Diskurs gegen Muslim:innen und Geflüchete wird dabei genutzt, um von den eigentlichen Ursachen der sozialen Misere abzulenken. Dabei verursacht die Aufrüstung nicht nur immense Kosten, die den Sozialsystemen entzogen werden. Das Befeuern dieser Kriege führt auch gerade dazu, dass immer mehr Menschen Haus und Heimat zurücklassen und flüchten müssen, um sich selbst zu schützen. Flüchten in ein Land wie Deutschland, das sie in vermeintlich nützliche und weniger nützliche MIgrant:innen einteilt. Während die einen durch die Abschottung der deutschen und europäischen Außengrenzen gar nicht erst ins Land gelangen sollen, erwartet die anderen Ausbeutung als Arbeiter:innen zweiter Klasse. Kriegsmaschinerien, sowohl die Produktion als auch die Nutzung von Waffen, Panzern und Bomben, kosten währenddessen nicht nur Menschenleben, sondern zerstören unter anderem mit ihrem massiven CO2-Ausstoß Umwelt und Klima – was eine weitere Fluchtursache für Menschen vor allem aus ausgebeuteten Ländern ist. 

Für uns ist klar: Wir stehen gegen jeden imperialistischen Krieg, gegen jede Aufrüstung – damit es gar keinen Grund mehr für Flucht geben muss. 

Gegen Spaltung und „Kriegstüchtigkeit“ müssen wir für offene Grenzen und volle Staatsbürger:innen- und Arbeitsrechte für alle Geflüchteten kämpfen. Wir kämpfen dafür, dass alle Geflüchteten Gewerkschaftsmitglieder werden können, um Seite an Seite mit ihren Kolleg:innen hier kämpfen zu können. Für gleichen Lohn, für gleiche Arbeit und ein Ende von Outsourcing und Armutslöhnen. Gegen Racial Profiling und rassistische Gewalt von Nazis und Staat. 

Für einen Stopp aller Abschiebungen und Bleiberecht für alle. 

Daher beteiligen wir uns an der Demonstration am 3. Oktober. Dennoch grenzen wir uns in aller Deutlichkeit von rechtsoffenen Kräften wie dem Bündnis Sahra Wagenknecht ab, das selbst ein schärferes Asylrecht fordert und die sexistische, rassistische und transfeinliche Unterdrückung von Menschen als unwichtige Lappalien abtut. Ihre Politik der Spaltung wird den Chauvinismus in Deutschland nur weiter vorantreiben und dient letztlich den Zielen des deutschen Imperialismus, lediglich mit einer anderen außenpolitischen Strategie als sie die Ampel vertritt. Dass das BSW nur wenige Monate nach seiner Gründung bereits laut über Koalitionen mit der CDU nachdenkt, zeigt nur, wie wenig es tatsächlich in Opposition zur herrschenden Politik steht. Dennoch halten wir diese Demonstration für einen wichtigen Impuls zum Aufbau einer tatsächlichen Anti-Kriegs-Bewegung. Denn auch wenn die Regierung weiterhin stramm hinter Israel und den Waffenlieferungen an die Ukraine steht, ist dieser Kurs in der breiten Bevölkerung immer unpopulärer. 

Gegen Krieg und Genozid

Auch in der Friedensfrage haben wir wichtige Differenzen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht sowie weiten Teilen der Friedensbewegung. Diplomatische Gespräche zwischen bürgerlichen Nationalstaaten werden weder Russland noch Israel, noch andere Regime von ihren kolonialen Feldzügen abbringen. Letztlich dient die bürgerliche Diplomatie nur dazu, dass die imperialistischen Staaten die Welt zu ihren Bedingungen untereinander aufteilen. Stattdessen braucht es eine Perspektive der Mobilisierung der Arbeiter:innenbewegung für ihre eigenen Interessen – eine Perspektive, die Wagenknecht noch nie vertreten hat. Aber auch die Führungen der Linkspartei und der SPD haben immer wieder ihre Solidarität mit Israel bekundet. Sie vertreten die Interessen des deutschen Imperialismus, unter dem letztlich Arbeiter:innen auf der ganzen Welt leiden. 

Es ist dagegen notwendig, in der Jugend und in der Arbeiter:innenbewegung für eine antiimperialistische Perspektive zu kämpfen. Eine Perspektive, die ein internationales Miteinander und Kooperation an die Stelle imperialistischer Kriegstreiberei stellt. Denn der Angriff Israels auf den Libanon und den Jemen sowie der fortgesetzte Genozid in Gaza können zu einem Flächenbrand in der ganzen Region führen, der insbesondere durch die US-Wahlen im November weiter angefacht würde, wenn Trump – ein enger Verbündeter Netanjahus – Präsident werden sollte. Doch für die Menschen in Gaza wäre auch Kamala Harris keine Heilsbringerin. Auch sie verteidigt trotz der Zehntausenden Toten in Gaza bis heute das israelische Vorgehen.

Deutschland steht dabei nicht einfach an der Seitenlinie. Seit 2006 ist die Bundeswehr im Libanon – der Einsatz wurde vorläufig bis Ende 2025 verlängert. Auch Rüstungexporte an Israel laufen entgegen jüngster Gerüchte weiter. 100 Milliarden für die Aufrüstung hat die Ampel-Koalition nach Beginn des Ukraine-Kriegs beschlossen, während für die Beschäftigten in Kitas, Schulen, Kliniken und anderen wichtigen Bereichen der Daseinsvorsorge nicht einmal ein Inflationsausgleich drin war. Die ausbleibende Kindergrundsicherung oder die Quasi-Wiedereinführung von Sanktionen beim Bürgergeld zeigen, wo die Prioritäten dieser Regierung liegen. 

Dagegen braucht es einen Kampf in den Gewerkschaften, in Schulen und Unis für den Abzug aller Bundeswehrtruppen aus dem Ausland, für den Stopp aller Rüstungsexporte und ein Ende der Aufrüstung. 

100 Milliarden in Gesundheit, Bildung, Soziales und Klima statt in Gewehre, Bomben, Streumunition und Kampfjets.

Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand, für ein Ende des Genozids. Für ein Ende der israelischen Kriegstreiberei und der Unterstützung durch den Imperialismus. Hände weg vom Libanon und vom Jemen. 

Stopp aller Waffenlieferungen.

Für selbstorganisierte Organe der Arbeiter:innen zur Verteidigung von Arbeitsplätzen und für politische Streiks gegen Rassismus und Krieg. 

Weder Putin, noch NATO. 

Für diese Perspektive müssen Gewerkschaften weltweit kämpfen und streiken. Denn nur die Arbeiter:innen werden in der Lage sein, einen tatsächlichen Frieden zu erkämpfen. 

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