Nicht nur Mitbestimmung, sondern Kontrolle über Produktion
Massenentlassungen sind zurück. Es zeigt, dass eine bloße "Mitbestimmung" diese nicht verhindern kann. Es braucht die Kontrolle der Beschäftigten über ihre Betriebe und deren Verstaatlichung.
Die Werksschließungen in den industriellen Großbetrieben sind in aller Munde und auch die Linkspartei hat kürzlich ein Positionspapier zu den Entlassungen bei VW veröffentlicht. Gefangen zwischen der Konkurrenz aus China und USA einerseits und der schwindenden Nachfrage für die Verbrennermotoren deutscher Hersteller andererseits, sieht es derzeit schlecht aus für die hiesige Industrie. Wie immer wird die Krise auf die Beschäftigten abgeladen; zehntausende Stellen sollen gestrichen werden, während die Aktionärsgewinne beständig weiter wachsen.
Wortmeldungen kommen von allen Parteipolitiker:innen, doch niemand wagt es, die systemischen Gründe hinter der Krise zu benennen. Keine Partei bietet einen Lösungsvorschlag, der die immer wiederkehrende Marktlogik der Standortverkleinerungen oder Schließungen brechen kann.
So fordert auch die Linkspartei in ihrem neuesten Positionspapier und Wahlprogramm letztlich nur mehr staatliche Investitionen und eine aktivere Industriepolitik, die wie aus Zauberhand dem Markt zum Trotz die Betriebe retten soll. Unternehmer:innen und Gewerkschaften sollen dabei „an einen Tisch“ kommen, während Arbeiter:innen ein bisschen „Mitspracherecht“ und „Mitbestimmung“ erhalten sollen. Diese leeren Phrasen klingen nach einem schlechten Scherz nach Jahren der Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse.
Eine Sozialleistung nach der anderen wird weggekürzt, um die Rüstung gegenzufinanzieren, die Reallöhne stagnieren, die Preise steigen. Und die Antwort der Linkspartei ist, während sie sich zur Aufrüstung ausschweigt, dass die VW-„Arbeitnehmer:innen“ doch bitte ein faires Stück vom Kuchen erhalten sollen.
Doch sie verdienen kein Kuchenstück. Ihnen steht der ganze Kuchen zu, die ganze Bäckerei.
Was bedeutet die Selbstorganisierung der Beschäftigten?
Wir fordern deshalb, die schließenden Betriebe aller Wirtschaftszweige der Kontrolle der Eigentümer:innen zu entziehen und sie in die Hände der Beschäftigten selbst zu überführen.
Entscheidung über Löhne, Anstellungen und Entlassungen, über die Reinvestition von Profiten, also über alle Fragen des Managements werden am besten kollektiv von den Beschäftigten selbst getroffen.
Denn wir dürfen uns nicht mit dem Wahlritual alle vier jahre für den Bundestag zufrieden geben, nur um dann den Großteil unserer Lebenszeit in despotisch organisierten Arbeitsplätzen zu verbringen.
Dazu brauchen wir die Selbstorganisierung; die Belegschaften können in Vollversammlungen und selbstverwalteten Fabrikkomitees gemeinsame Entscheidungen basisdemokratisch beschließen, ganz ohne das Dazwischenreden von Gewerkschaftsbürokrat:innen und Karriere-Politiker:innen.
Natürlich muss nicht jede Kleinigkeit kollektiv beschlossen werden; gewählte Delegierte können Verwaltungsaufgaben übernehmen, die mit imperativen Mandaten aber jederzeit wähl- und abwählbar sowie rechenschaftspflichtig gegenüber der Belegschaft sein müssen. Übermäßige Lohnunterschiede gehören abgeschafft, Posten sollten rotieren.
Eine entscheidende Forderung, für die Streikende eintreten müssen, ist die Offenlegung der Geschäftsbücher der von Schließung und Stellenabbau bedrohten Werke. Es ist nicht akzeptabel, dass Kosteneinsparungen und Verkleinerungen auf dem Rücken der Belegschaften ausgetragen werden, nur damit die Bosse und Manager:innen Produktionen ins Ausland verlegen können, um ihre eigenen Gehälter zu sichern und Aktionär:innen ihre Dividenden sichern zu können.
Als Gewerkschaftsmitglieder müssen wir auch gegen DGB-Funktionär:innen eintreten, die Entscheidungen über Arbeitskämpfe gerne unter sich und in Absprache mit dem Unternehmensmanagement austüfteln wollen, und all das nur im Rahmen der Tarifverhandlungen. Keine Karriere-Bürokrat:innen, sondern die organisierten und unorganisierten Arbeiter:innen sollten per Abstimmungen darüber entscheiden, wann und wie und wie lange gestreikt werden soll!
Doch leider will die Gewerkschaftsführung diese Entscheidungsmacht nicht an die Basis abgeben. Gerade in den Arbeitskämpfen bei VW zeigt sich, dass die „IG Metall“ immer noch am „konstruktiven Dialog“ mit der Unternehmensführung festhält, obwohl die schon längst ein Zugeständnis an die Belegschaft nach dem anderen aufkündigt, so wie bereits die Beschäftigungssicherung.
Wir müssen einsehen: Das deutsche Modell der Sozialpartnerschaft war schon immer eine Farce und ein schlechter Deal für den Großteil der Bevölkerung. Auch weil die Gewerkschaftsführungen an diesem Mythos festhalten, während die Konzernspitzen sie längst aufgekündigt haben und zu immer weniger Kompromissen bereit sind, müssen wir eine rebellischere Streikbewegung aufbauen. Es ging der Kapitalseite nie um die Mitbestimmung der Arbeiter:innen, sondern immer nur um ihre Zähmung. Damit muss Schluss sein; die Kapitalist:innen verdienen keinen Platz am Verhandlungstisch.
Bosse abschaffen: Können Arbeiter:innen es wirklich besser als die Manager?
Das lachhafte Versagen der VW-Führungsriege beweist, dass es keinen wirklichen Vorteil für die Beschäftigten hat, die Unternehmensführung an hochbezahlte Scharlatane aus irgendwelchen Business-Schulen auszulagern. Sie haben aktuelle Trends der E-Mobilität verschlafen, massenhaft Arbeitsstellen ins Ausland verlagert, auch nach China, wodurch sie jetzt durch europäische Importzölle auf E-Autos getroffen werden – lächerlich!
Die kollektive Firmenleitung mag schwer vorstellbar sein, wird anderswo aber bereits gelebt. Nur zwei Beispiele: In Argentinien produziert die Firma Madygraf bereits seit mehr als 10 Jahren erfolgreich Druckereierzeugnisse für den internationalen Markt. Nachdem der US-amerikanische Großkonzern Donnelley den Standort in Buenos Aires schließen wollte, übernahmen die Angestellten kurzerhand selbst den Laden. Dabei konnten sie sich auf breite Unterstützung aus der Gesellschaft, der linksrevolutionären Partei PTS (der Schwesterpartei von Klasse Gegen Klasse) und der Streikbewegung zählen. Noch länger produziert die argentinische Keramikfabrik FaSinPat, ehemals Zanon unter Arbeiter:innenkontrolle. Vor circa 20 Jahren übernahmen auch hier die 380 Angestellten, nachdem die Bosse die Standortschließung während einer Wirtschaftskrise verkündet hatten.
Und wenn die Arbeitenden selber bestimmen können, was wie hergestellt wird, kann auch die ökologische Umstellung der Produktion gelingen; bei Madygraf wurden von der vorherigen Konzernleitung stillgelegte Umweltreinigungsanlagen wieder in Betrieb genommen. In Italien wurden erfolgreich Brücken zwischen der Streik- und der Klimabewegung geschlagen. Hierzulande könnte Rheinmetall endlich grünen Stahl oder Bahnschienen herstellen statt Panzern.
Nicht nur zeigen diese Erfolgssgeschichten, dass die Selbstorganisierung dem operativen Geschäft nicht im Wege steht und durch Streiks erkämpft werden kann. Sie zeigt auch, dass die drohende Schließung von Produktionswerken der perfekte Zeitpunkt ist, um die Übernahme durch die Beschäftigten zu vollziehen. Denn so können die Arbeiter:innen selbst für den Erhalt ihrer Lebensgrundlage eintreten und Verantwortung übernehmen, ohne weiter für die fetten Gehälter der Bosse und die Profite der Aktionär:innen aufkommen zu müssen.
Warum verstaatlichen?
Doch es geht uns nicht nur um die Art und Weise der Betriebsorganisation. Wir müssen einen politischen Anspruch erheben, dass basisdemokratisch geführte Betriebe Teil einer politischen Streikbewegung werden, die dem Staat Zugeständnisse abringen kann.
Deswegen brauchen wir die Überführung in öffentliche Hand, die Verstaatlichung. Hierbei geht es uns nicht um das hierarchische Management aus dem Ministerium, sondern um den staatlichen Schutz vor den Angriffen der internationalen Marktgewalt. Kontrolle und demokratisches Bestimmungsrecht müssen aber immer bei den Beschäftigten bleiben. Es geht uns nicht um Mitbestimmung. Die Belegschaften sollen mit wissenschaftlicher Unterstützung selbst über die Produktion bestimmen.
Verstaatlichungen von oben gibt es häufiger, wenn die Pleite droht. So wurde während der Corona-Krise der Energiekonzern Uniper verstaatlicht, um ihn zu retten. Auch Lufthansa wurde gestützt. Nach der Finanzkrise 2008 wurde die Commerzbank teilverstaatlicht und wird heute wieder privatisiert. Auch auf globaler Ebene zeigt der Trend, dass es noch nie so viele staatliche Unternehmen gab, die am weltweiten Markt teilnehmen, wie heutzutage. Offensichtlich sind staatliche Eigentumsverhältnisse, entgegen den Erzählungen der Marktradikalen, kein Gift für die Betriebe.
Perspektivisch ist aber klar, dass der internationale Wettbewerb und der Konkurrenzkampf des Unternehmertums kein nachhaltiger Koordinationsmechanismus für unsere Weltwirtschaft bleiben kann, sondern immer wieder Krisen, Kriege und Klimakatastrophen befeuern wird.
Wenn wir erreichen wollen, dass die arbeitende Bevölkerung nie wieder für den Profit und das Versagen der CEOs, Investor:innen, und Politiker:innen büßen muss, dann müssen wir alle gemeinsam eine demokratische Planwirtschaft erkämpfen, die die nachhaltige Wirtschaftstransformation von unten organisiert und die Betriebe demokratisiert. Einzelne verstaatlichte Betriebe können dabei als Bastionen der Arbeiter:innenklasse dienen, als Wegzeiger in einem Übergangsprozess hin zur gemeinschaftlichen Kontrolle der Wirtschaft.
Solche Forderungen müssen auch auf politischer Ebene vertreten werden, und zwar nicht von anpasslerischen Parteien wie Die Linke, sondern von unabhängigen Vertreter:innen der Arbeiter:innenklasse. Für solch ein Programm kämpfen in Deutschland die Bundestagskandidatinnen Leonie Lieb in München sowie Inés Heider und Franziska Thomas in Berlin.