Neupack: Im Schneckentempo zur Einigung?

07.06.2013, Lesezeit 4 Min.
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// Der Streik beim Hamburger Verpackungshersteller Neupack läuft schon im achten Monat. Ein Ende ist nicht in Sicht. //

Jedes Kind weiß, dass die langsame Schildkröte manchmal ihr Ziel eher erreichen kann als der schnelle Hase, wenn sie beharrlich vorangeht. Dieses Kindermärchen lässt sich auch auf die ArbeiterInnenbewegung übertragen: nicht spektakuläre Einzelaktionen sondern lange Organisierungs- und Kampfprozesse sind der Schlüssel zum Erfolg.

Doch kann auch die Schnecke ein Beispiel für das Proletariat sein? Für die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) offenbar schon.

Denn der Streik beim Hamburger Verpackungshersteller Neupack läuft bereits im achten Monat. Am letzten Maiwochenende hatte die gewerkschaftliche Streikinfo verkündet, man komme voran – im „Schneckentempo“. Am Donnerstag voriger Woche hieß es dann, dass „nur noch ein kleiner Schritt“ fehle, bis die lang ersehnte Einigung für die rund 200 Beschäftigten in Kraft trete.

An diesem Tag währte ein Verhandlungsmarathon 14 Stunden. Die Streikenden waren zu einer Mitgliederversammlung eingeladen, um das Ergebnis der Gespräche zu erfahren, mussten aber wieder gehen, während die Gespräche noch liefen – schließlich begann die Frühschicht am Freitag um sechs Uhr. Der Betriebsrat und die VertreterInnen der EigentümerInnenfamilie von Neupack, die Krügers, verhandelten über 200 Fragen der Eingruppierung. Die IG BCE saß wie bisher am Tisch, doch der mittelständische Betrieb weigert sich weiterhin, offiziell mit der Gewerkschaft zu sprechen.

Den Angaben zufolge sollten nur noch „Details“ geklärt werden, aber die Gewerkschaft verriet nicht, welche. Ein Streikender sagte, dass der Betriebsratsvorsitzende Murat Günes weiterhin nicht in die Maßregelungsklausel einbezogen wird, demzufolge Beschäftigten keine Nachteile dadurch entstehen dürfen, dass sie dem Streikaufruf der Gewerkschaft gefolgt sind. Das Unternehmen wirft Günes vor, am ersten Streiktag eine Körperverletzung begangen zu haben. Die Gewerkschaft möchte diese Frage vor Gericht austragen, anstatt per Streik den Verzicht auf eine Anklage zu erzwingen.

Nichtsdestotrotz soll der Vertrag nun angeblich zum 1. Juli gelten. Verhandelt wird jedenfalls nicht über einen Branchentarifvertrag und auch nicht über einen Haustarifvertrag, sondern lediglich über eine Betriebsvereinbarung. Das ist mehr als ein begrifflicher Unterschied: Während die Einhaltung eines Tarifvertrags kollektiv eingeklagt werden kann, müsste bei einer Betriebsvereinbarung jeder Kollege und jede Kollegin individuell gegen Verstöße klagen. Und da die Gewerkschaft nicht Vertragspartner einer Vereinbarung ist, könnte ein neu zusammengesetzter Betriebsrat sie einfach kündigen. Die Krügers arbeiten offenbar darauf hin, dass die Gewerkschaftsmitglieder bei den nächsten Wahlen die ohnehin schon knappe Mehrheit im Betriebsrat verlieren.

Der Solidaritätskreis für den Neupack-Streik, der seit dem 1. November letzten Jahres den Streik unterstützt, erinnerte in einer Stellungnahme daran, dass die IG BCE schon öfter ein baldiges Ende des Streiks verkündete. „Noch ein kleiner Schritt“, hieß es in der aktuellen Streikinfo (Nr. 60). Zuvor aber immer wieder ähnlich lautend: „Großer Teil des Paketes geschnürt“ (58), „Durchbruch erzielt“ (52), „Vertrag bis Ostern“ (48) und „Schritt nach vorn“ (43). Der streikende Kollege erwartet kein baldiges Ende der Verhandlungen, da nicht mal ein Termin für die nächste, angeblich letzte Verhandlungsrunde anstehe.

Vom 1. November 2012 bis zum 23. Januar 2013 hatte die Gewerkschaft einen Vollstreik organisiert, der das Unternehmen in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten brachte. Seit dem 24. Januar läuft nur noch ein sogenannter Flexi-Streik, der in der Praxis bedeutet, dass die Gewerkschaft nur noch an einigen wenigen Tagen pro Monat zum Streik aufruft, so dass die KollegInnen fast durchgehend arbeiten, die Lager wieder auffüllen und die neu eingestellten StreikbrecherInnen anlernen müssen. Wegen des fehlenden ökonomischen Drucks hat das Unternehmen auch keine Eile, eine noch so schlechte und wackelige Vereinbarung zu unterschreiben.

Beim Standort in Hamburg-Stellingen war die Streikbeteiligung in den letzten Monaten mit 50 KollegInnen konstant hoch. Am Standort Rotenburg war sie hingegen um fast die Hälfte eingebrochen. Zehn KollegInnen haben im Laufe des Streiks andere Arbeitsplätze gefunden.

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