Neukölln: Dumping-Firmen übernehmen heute Schulreinigung

01.11.2023, Lesezeit 7 Min.
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Die Gebäudereinigung an Neuköllner Schulen wurde an Dumping-Firmen vergeben. Das Bezirksamt will damit Geld sparen. Darunter leiden vor allem die Arbeiter:innen.

Obwohl Neuköllner Reinigungskräfte zum Teil schon seit vielen Jahren an derselben Schule arbeiten, müssen sie diese nun am heutigen ersten November verlassen. Denn das Bezirksamt hat neu ausgeschrieben – und neu vergeben.

Zu solchen Neuausschreibungen sind die Ämter verpflichtet, wenn sie öffentliche Aufgaben, wie die Reinigung ihrer Schulen, privaten Unternehmen überlassen wollen, um Geld zu sparen. Dabei liefern sich die verschiedenen Unternehmen, die sich auf solche Aufträge bewerben, einen gnadenlosen Unterbietungswettbewerb. Wer kann eine und dieselbe Dienstleistung möglichst günstig anbieten? Natürlich wird da vor allem an einem gespart: den Arbeiter:innen.

In der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am Mittwoch, den 18. Oktober, kam die Frage auf, ob das Bezirksamt die sich bewerbenden Firmen im Rahmen des Vergabeverfahrens zum Besuch der Schulen verpflichtet hatte. Der amtierende Bürgermeister Martin Hikel (SPD) antwortete, dass es „weder zumutbar noch zwingend erforderlich“ sei, sich die Objekte im Vorhinein anzugucken. Doch vielmehr ist es nicht zumutbar, profitorientierte Firmen einschätzen zu lassen, was an einem Ort wie und in welcher Zeit gereinigt werden muss, die diesen Ort nie gesehen haben.

Die zweite Frage des LINKEN-Politikers Philipp Dehne, ob nun auch Stunden reduziert wurden, verneinte Hikel. Die Zeit, die jede:r Reiniger:in zur Verrichtung ihrer Arbeit qua Vertrag bekommt, sei sogar erhöht worden. Dies widerspricht jedoch der Realität.

Im Gespräch mit Klasse Gegen Klasse erzählen Reinigungskräfte, vor einer Entscheidung gestanden zu haben, die eigentlich keine sei: den eigenen Arbeitsplatz verlassen oder unter noch viel prekäreren Bedingungen dort weiterzuarbeiten. Letzten Endes haben sie sich schweren Herzens dagegen entschieden, zu der Firma zu wechseln, die die Ausschreibung gewonnen hat. Denn natürlich würden sie gern am selben Standort bleiben, an dem sie bisher eingesetzt waren, da sie diesen inzwischen gut kennen, er sehr nah an ihrem Wohnort liege oder es sich bei diesem zum Teil sogar um eine Schule handele, die ihre Kinder besucht haben. Doch vergeben die entsprechenden Unternehmen keine unbefristeten, sondern lediglich Zeitverträge und hätten zudem die Stundenanzahl auf die Hälfte verringert. Dieselbe Arbeit wie vorher müsse in der Folge also doppelt so schnell gemacht werden – 100 Prozent mehr Arbeit für ein prekäreres Anstellungsverhältnis also.

Hikel besaß die Dreistigkeit, danach zu verkünden, er wisse nicht, wie die entsprechenden Firmen diese Entscheidung rechtfertigen. Er könne da nur spekulieren und hoffen, dass die vertraglich vereinbarte Verbesserung auch an die Kolleg:innen weitergegeben werde. Von sich aus prüfe das Bezirksamt nämlich nicht, ob die Verträge eingehalten werden. Wenn es zu Beschwerden komme, könne dies trotz Personalmangel kontrolliert werden.

Um Maßnahmen für die Sauberkeit in den Schulen identifizieren zu können, möchte man im Bezirksamt aber erst einmal auf die Ergebnisse einer Online-Befragung warten. Eine Umfrage, an der „die Schulgemeinschaften“ teilnehmen können: Schüler:innen, Lehrkräfte, Hausmeister:innen, Schulleitungen und sogar Elternvertretungen – Reiniger:innen aber nicht. Eine Befragung von Reinigungskräften zu ihren Arbeitsbedingungen wäre in einer separaten Umfrage denkbar. Zur Schulgemeinschaft zählen sie dem Amt zufolge jedoch nicht, als Expert:innen werden sie auch nicht gesehen. Dabei sind sie genau das.

Die Rekommunalisierung der Schulreinigung war in dieser Legislaturperiode noch kein einziges Mal Thema. Dabei handelt es sich um einen bereits getroffenen Beschluss, outgesourcte Reinigungskräfte wieder beim Land Berlin anzustellen. Denn 2020 hatte die Initiative Schule in Not die 12.000 dafür gesammelten Unterschriften übergeben und die Mehrheit der Bezirkspolitiker:innen in der entsprechenden Abstimmung ihre Stimme dafür abgegeben. Doch trotz dieses glasklaren Auftrags, seien in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und dem Abgeordnetenhaus dahingehend bisher noch keine Gespräche geführt worden, bestätigt eine Bezirksverordnete der SPD. Diesmal verteidigte sie das Verhalten der Großen Koalition im Land nicht. Vielmehr sei sie enttäuscht darüber, dass die neue Landesregierung das In-Housing der Schulreinigung den Mehrheiten dafür zum Trotz nicht im Koalitionsvertrag verankerte (obwohl es sich im Hinblick auf den Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“ nicht um das einzige ignorierte Bürger:innenbegehren handelt). Stattdessen wurden Verträge mit Dumping-Firmen gemacht, die erst 2028 auslaufen. Führt Berlin die Schulreinigung nicht zurück in die öffentliche Hand, fließen sie ungenutzt in die Staatskasse zurück.

Alles andere als eine zufriedenstellende Antwort für alle, die wir an den betreffenden Neuköllner Schulen arbeiten – allen voran den Reiniger:innen selbst. Die Arbeitsplatzunsicherheit ist so groß, dass die Kolleg:innen Angst haben. Dabei gehen sie einer der wichtigsten Tätigkeiten an der Schule nach. Denn ohne sie wäre den Kindern und Jugendlichen das Recht auf eine saubere Lernumgebung verwehrt und keine:r von uns könnte der eigenen Arbeit nachgehen. Und: Sie gehören ohne jeden Zweifel zum Kollegium, auch wenn das Bezirksamt das anders sieht.

Ein Grünen-Politiker betonte, selbst die Vereinten Nationen haben sich als Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 allen Menschen einen umfassenden Zugang zu sauberen und funktionsfähigen Sanitäranlagen gewährleistet zu haben. Einer Studie der Universität Bonn zufolge verzichte fast die Hälfte aller Schüler:innen von 17 Berliner Schulen gelegentlich oder sogar häufig auf das Essen und Trinken, um nicht auf Toilette gehen zu müssen, was sich wiederum negativ auf ihre Gesundheit auswirkt. Der einzige Grund: die Zustände der Toiletten. „Verschmutzung, Gestank, fehlendes Klopapier, mangelhafte Privatsphäre“, so der Grüne. Wo täglich tagsüber gereinigt wurde, waren diese Probleme viel geringer.

Mit Kindern und Jugendlichen wird systematisch so umgegangen, als seien sie nicht die Zukunft unserer Gesellschaft. Aber auch mit Reiniger:innen – zum Großteil Frauen, oft Migrant:innen und meistens migrantische Frauen.

Das Argument: Die Kassen sind knapp. Aber in Wirklichkeit ist das nicht so. Vielmehr wird das Geld, das uns in den Schulen gekürzt wird, für Militarisierung ausgegeben – nicht nur im Bund. Die CDU Berlin hatte schon im Wahlkampf 1.000 neue Dienstkräfte und Unmengen Material angekündigt: Taser, Hubschrauber, Bodycams, Stahlboote, Drohnen, und vieles mehr für genau die Polizei, die erwiesenermaßen kein Freund und Helfer ist. Für die Polizei, die Danny und so viele andere ermordet hat. Und: Es wäre sogar noch mehr da. Aber das Geld liegt in den Taschen der Superreichen, die leider nichts in die Steuerkassen einzahlen.

Die einzige Konstante im Haushaltsplan der verschiedenen Landes- und Bundesregierungen ist, das Vermögen derer zu schützen, die davon viel zu viel haben. Es ist an der Zeit, die Unternehmer:innen zur Kasse zu zwingen, um die soziale Infrastruktur auszufinanzieren – angefangen damit, ihre Vermögen endlich zu besteuern.

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